„Ich stelle dich sofort ein, aber du willst ja bestimmt nicht nach Düsseldorf", platzte es aus Ina heraus. Thomas hatte ihr in den letzten Tagen so geholfen und er war ein echter Fachmann. Jeder Firmenchef, der sich sein Fachwissen entgehen ließ, war ein Idiot. Und Ina war bestimmt vieles, aber ganz sicher kein Idiot. „Wieso nicht?" Thomas schaute sie verwirrt an. „In Hamburg hält uns ja nicht mehr viel." „Na ja, Lydia zieht wohl mit den Kindern zu ihrem Mann nach Italien. Sie haben sich wieder versöhnt und Lea..." Astrid verzog ihr Gesicht. „Patrick ist in die Staaten versetzt worden. Sie ziehen im Februar um. Uns braucht in Hamburg niemand mehr. Nicht einmal mehr meine Firma. Sie haben meine Stunden noch mehr gekürzt. Da lohnt es sich fast nicht mehr hinzugehen, weil ich mehr Fahr- als Arbeitszeit habe." Das hatte Ina nicht gewusst. Okay, das war ja auch etwas, was man vielleicht nicht jedem gleich auf die Nase band. „Du könntest doch bei uns kochen." Natascha war aufgesprungen und zu Astrid gelaufen, um sie zu umarmen. Ja, an Empathie fehlte es ihrer Schwester wirklich nicht, dachte Ina. Das hatte sie wohl von ihrer Mutter geerbt. „Bei dir schmeckt das Essen viel besser und du lässt mich auch mit kochen." Astrid fing an zu lachen. „Das ist lieb, dass du das sagst, meene Lütte. Aber lass das mal nicht die Ilse hören. Die wäre mächtig enttäuscht." „Schischi hat recht. Du könntest Frau Sengers Job übernehmen." Astrid schüttelte ihren Kopf. „Ich will niemandem den Job wegnehmen." „Frau Senger hat schon öfter gesagt, dass sie bald in Rente gehen will, damit sie sich um ihre Enkel kümmern kann. Ich glaube, du würdest ihr sogar einen Gefallen tun. Sie traut sich wahrscheinlich nur nicht, uns im Stich zu lassen." „Ja und Thomas könnte doch die Firma übernehmen, wenn du etwas anderes ausprobieren und studieren willst." Genia grinste Ina breit an. „Du willst wieder studieren?" Inas Opa schaute sie begeistert an. „Ich....ich habe es überlegt", stotterte Ina. „Was denn? Vielleicht kann ich dir ja helfen, einen Studienplatz zu bekommen. Wozu bin ich schließlich Professor, wenn ich da meine eigene Familie nicht unterstützen kann?" „Ich....ich habe überlegt Architektur zu studieren." „Du hast dich entschieden?" Genia schaute sie überrascht an. „Ja, ich habe heute bei meinen Weihnachtseinkäufen so viele hässliche Gebäude in Düsseldorf gesehen. Außerdem will ich die Firma nicht ganz aufgeben. Sie gehörte ja auch eigentlich Mona und nicht nur Papa. Und es gibt ja auch schon genug Modedesigner. Ich muss nicht andere Leute einkleiden. Es reicht ja, wenn ich meinen eigenen Kleidungsstil auslebe." Natascha quietschte begeistert auf. „Das heißt du läufst nicht mehr wie eine verknöcherte Gouvernante herum und gehst mit mir öfter bei New Yorker einkaufen und nicht mehr in den blöden Boutiquen?" Ina musste schlucken, als sie Nataschas Umschreibung für ihre Kleidung hörte. Sie hielt sie für verknöchert. Ob das wohl alle so gesehen hatten? Sie schaute an sich hinunter. Heute hatte sie sich eine schwarze Hose und einen roten Kaschmirpullover angezogen. Aber es stimmte schon. Irgendwie sah sie immer ziemlich konservativ gekleidet aus. „Ja, ich glaube, ich brauche da mal eine ordentliche Beratung von dir." Inas Blick wanderte zu Genia. „Und von dir." „Juhu, wir gehen am 27. einkaufen", jubelte Natascha los. „Dann kann ich auch meinen Gutschein einlösen." Ina freute sich, dass ihre Schwester so begeistert war. Sie hätte es nicht ertragen, wenn sie weiter mit ihr geschmollt hätte. „Aber das trifft sich dann doch prima. Den Studienplatz bekommst du garantiert und Thomas kann für dich in der Firma die Stellung halten." Genia war begeistert. „Halt mal stop!" Thomas hob seine Hand. „Ich fühle mich gebauchtätschelt, dass ihr mir das zutraut, aber ich bin nur ein passabler Handwerker und kein Geschäftsmann. Ich kann keine so große Firma leiten." „Dafür gibt es doch einen Geschäftsführer, den man anstellen kann und dem du auf die Finger schauen kannst. Das habe ich für Genias Firma ja auch so gemacht." „Ja, die Idee ist perfekt." Genia klatschte begeistert in ihre Hände. „Habt ihr auch mal daran gedacht, was mit Linus ist, wenn er wiederkommt?" Luca schien nicht ganz so begeistert von der Idee. „Ich glaube nicht, dass er wiederkommt. Schließlich hat er genug von mir und allem." Inas Stimme hörte sich so verbittert an, wie sie sich fühlte, wenn es um Linus ging. „Das ist doch Blödsinn. Das glaube ich niemals oder meinst du er wäre sonst mit mir losgezogen, um einen Ring für dich zu kaufen, und hätte einen Antrag in den Bergen geplant?" Luca schüttelte entschieden den Kopf. „Da muss irgendetwas anderes vorgefallen sein." „Wieso hast du davon bis jetzt noch nichts erzählt?" Genia schaute ihren Mann überrascht an. „Weil es eine Überraschung sein sollte und ich dich kenne. Im Moment bist du so verschwiegen wie ein Papagei." Linus hatte sie mit einer Verlobung überraschen wollen? Das war doch Quatsch. „Und warum ist er dann abgehauen?" Luca zuckte mit den Schultern. „Das ist etwas, was ich auch nicht verstehe." Thomas räusperte sich. „Vielleicht können wir da etwas zur Aufklärung beitragen." Sein Blick wanderte zu Astrid. „Es gab doch damals diesen Vorfall mit seinem Kollegen", ergriff Linus Mutter das Wort. „Damals ist er auch so überstürzt abgehauen. Wir wussten erst auch nicht, was los war und haben nur so einen Zettel gefunden wie du." „Welcher Vorfall?" Ina wusste nur, dass Linus vor zu viel Stress geflohen war. Erstaunt lauschte sie der Geschichte seiner Mutter . „Das war ja schrecklich!" Ina war total geschockt. „Wieso hat er mir nie davon erzählt?" „Wegen deinem Vater. Er wollte dir keine Angst machen." „Aber..." Ina schaute Luca fassungslos an. „Wir denken, dass dieser Unfall auf der Baustelle wieder so ein Auslöser war. Kannst du dich noch erinnern, wie er an Nataschas Geburtstag durch den Wind war als sie sich mit dem Messer geschnitten hatte und du ohnmächtig geworden bist?" Ja, das war schon komisch gewesen. Seitdem hatte sich Linus auch verändert und seit Hamburg noch mehr. In Ina kam ein ganz blödes Gefühl hoch. War ihre Wut auf Lins völlig unberechtigt und Linus brauchte eigentlich ihre Hilfe? „Wir müssen Linus suchen!" Thomas schüttelte seinen Kopf. „Nein, meen Deern. Er braucht nur eine Auszeit um sich zu berappeln und dann wird er sich bei dir melden." Nein, sie konnte doch nicht einfach nur abwarten. „Wir lassen uns schon etwas einfallen. Jetzt mache aber mal endlich deine Geschenke auf." Genia riss Ina aus ihren Gedanken und stupste sie aufgeregt an. Sie reichte ihr ein kleines Päckchen.Genau wie Natascha und Espie. „Auf drei wird aufgerissen. Eins, zwei, drei!" Man hörte das reißen von Papier und alle drei Mädels hielten ein kleines Schmuckkästchen in der Hand. Ina öffnete ihres langsam. Zum Vorschein kam eine Kette mit einem Herz. „Da stehen ja unsere Namen!" Natascha hielt genau so ein Herz in ihrer Hand und deutete mit ihrem Finger darauf. Tatsache, dort war Genia, Esperanza, Natascha und auch Ina eingraviert. „Ja, und da ist noch Platz für einen weiteren Namen." Genia deutete auf die freie Stelle an dem Herzanhänger, den sie auch um den Hals trug und strich mit ihrer anderen Hand über ihren kleinen Kugelbauch. „Das soll uns immer daran erinnern, dass wir zusammengehören. Für immer!" Die letzten Worte schluchzte sie und Ina spürte wie ihr auch Tränen über die Wangen liefen. Es war so ein schönes Zeichen von ihrer Mutter. Ja, sie würde nie wieder etwas trennen. Sie gehörten jetzt für immer zusammen. Sie, ihre Mutter und ihre Geschwister. Es war so schön ein Teil von etwas ganz Besonderem zu sein. Das fühlte sie so intensiv das erste Mal in ihrem Leben.
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Schuss und Treffer - in der zweiten Mannschaft ✔️ Teil 13
RomanceLinus und Ina sind schon seit zwei Jahren ein Paar. Gemeinsam führen sie das Bauunternehmen von Inas Vater, der seit seinem Herzinfarkt ein Pflegefall ist. Für Ina war der Weg in die Firma schon von kleinauf vorgezeichnet. Linus hatte sich sein Lebe...