Kapitel 88

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„Hallo Inibini!" Natascha winkte Ina als sie auf dem Parkplatz aus ihrem Auto stieg. „Genia war mit mir nach der Schule erst bei Burger King und dann noch ein Eis essen." Die Kleine strahlte so begeistert, dass Ina ihren Vortrag über ungesundes Junkfood einfach wieder hinunterschluckte und stattdessen ihre Mutter anlächelte und zur Begrüßung umarmte. Sie wusste ja, dass Genia bei Espie auch sehr auf gesunde Ernährung achtete und so ein Besuch beim Burgerbrater ein seltener Ausrutscher war. Außerdem war Ina froh, dass ihre Schwester nach dem Tod ihres Vaters nicht so litt. Denn wenn sie ehrlich zu sich war, hätte sie nicht gewusst, wie sie sie trösten sollte. Sie selbst begriff ja manchmal noch nicht, was wirklich passiert war und wie es jetzt weiterging. „Danke, dass du Natascha von der Schule abgeholt und hierher gebracht hast." Ja, Ina hätte sonst noch früher aus dem Büro abhauen müssen und ihr fehlte ja jetzt schon die Zeit, um alles zu erledigen. „Das ist doch kein Ding. Ich habe ja im Moment genug Zeit. Das mit der Stiftung läuft alles ganz gut. Ich habe auch schon wieder einen neuen Sponsor gefunden. Ich überlege, ob ich auch mal so eine blöde Feier für die ganzen Aufgerüschten machen soll." So wie Genia das Gesicht verzog, war nicht schwer zu erraten, was sie davon hielt. „Na ja, wenn du eine Menge Geld und weitere gut situierte Sponsoren aquierieren willst, wirst du nicht darum herumkommen, eine Spendengala zu veranstalten." Ja, das wusste Ina von ihrer anderen Mutter. Den Leuten fiel es mit einem Glas Champagner in der Hand und irgendeiner exquisiten Spezialität auf dem Teller besonders hier in Düsseldorf viel leichter wohltätig zu sein und einen Scheck auszustellen. „Ich weiß", brummte Genia wenig begeistert. „Trotzdem versuche ich erst einmal noch so ein paar Sponsoren aufzutreiben, die das Thema wirklich interessiert...." Sie verzog das Gesicht. „....oder zumindest die Steuerabschreibung. Die Fressraupen kommen dann später dran." Ina nickte. „Vielleicht kann ich mich ja auch mal ein wenig umhören bei unseren Geschäftspartnern." Genia begann zu lächeln. „Das wäre schön. So, jetzt aber genug gequatscht, sonst kommt ihr noch zu spät zu eurem Termin." „Kommst du mit rein?", schoss es Ina spontan aus dem Mund. „Ja, bitte", kam es auch von Natascha im nächsten Atemzug. Genia schaute zwischen beiden hin und her und zuckte mit den Schultern. „Warum nicht, wenn ihr das möchtet. Die Frage ist nur, ob der Notar nichts dagegen hat. Die sind da ja manchmal etwas komisch." Genia konnte gut verstehen, dass die beiden ihre mentale Unterstützung suchten. Es war ja noch gar nicht so lange her, da hatte sie selbst den Termin beim Notar wegen des Erbes ihrer Mutter gehabt. Damals war sie auch zufrieden gewesen, dass ihr Vater sie begleitet hatte. Und die beiden Mäuse waren viel jünger und weniger lebenserfahren als sie. „Na dann lasst uns gehen!" Sie hakte sich bei beiden unter.
„Also, sehr viele Überraschungen hat das Testament ja jetzt nicht bereit gehalten. Es entspricht ja im Grunde der gesetzlichen Erbfolge."  Onkel Robert nahm seine Lesebrille ab und legte sie auf seinen Schreibtisch. Sein Blick traf auf Ina, die einfach nur nickte. Ja, ihr Vater hatte ihr und Natascha die Firma und die Villa jeweils zur Hälfte vermacht. Genau wie das Barvermögen. Und er hatte festgelegt, dass weder die Firma noch die Villa veräußert werden durfte. Okay, das stand sowieso außer Frage. Trotzdem hatte Ina schlucken müssen, als Onkel Robert eine weitere Auflage verlesen hatte. Ihr Vater hatte festgelegt, dass sie ihm als Notar Rechenschaft für ihr Handeln in der Firma schuldete. Aber nur so lange bis ein männliches Familienmitglied die Leitung übernahm. Oder anders gesagt bis entweder sie oder Natascha einen Ehemann gefunden hatten, der ins Geschäft passte. „Na ja, diese antiquierte Machonummer finde ich in der heutigen Zeit schon ziemlich überraschend", brummte Genia. „Ist das überhaupt so rechtens? Verstößt das nicht gegen irgendwelche Gleichstellungsgesetze? Ich meine, was ist, wenn eines der beiden Mädels nun homosexuell ist und deshalb eine Ehefrau hat? Ganz abgesehen davon, dass Constantin wohl nicht mitbekommen hat, dass sogar ganze Weltkonzerne von Frauen geleitet werden." Der Notar nickte. „Ja, da war der Gute wirklich etwas rückständig." Er fing an zu grinsen. „Aber ehrlich gesagt, hat er auch etwas übersehen. Mit mir hat er als Aufsicht so ziemlich den Bock zum Gärtner gemacht. Ich bin Notar und nicht Wirtschaftsweiser." Er zwinkerte Ina zu. „Du machst das mit Sicherheit alles richtig und ich hake es ab. Da bekommen wir schon keine Probleme. Mona hätte nämlich mit Sicherheit gewollt, dass dir da keiner ins Essen spuckt. Und ihr Vater auch nicht. Der war da schon viel moderner." Okay, daran konnte Ina sich nicht erinnern. Damals war sie noch viel zu klein. „So, nachdem das geklärt ist, habe ich hier noch einen Umschlag für dich." Er reichte Ina einen großen Din A4 Umschlag. „Wieso hat Papa Ina einen Brief geschrieben und mir nicht?" Natascha schielte auf den Umschlag und zog eine Flappe. „Das hat mit Sicherheit nichts damit zutun, dass er dich weniger lieb hatte. Da sind bestimmt Firmenunterlagen drin", versuchte Genia sie zu trösten und Ina war ihr dafür dankbar. Sie griff nach dem Umschlag und schaute Onkel Robert fragend an. „Ich weiß auch nicht, was da drin ist." Er zuckte mit den Schultern. „Du weißt, dein Vater konnte manchmal ein echter Geheimniskrämer sein." Oh ja! Inas Blick fiel zu Genia und in ihrem Kopf war sofort die verheimlichte Adoption parat. Mit schnell klopfendem Herzen begann sie an dem Umschlag zu zuppeln. Was verbarg sich wohl darin? „Hier!" Onkel Robert reichte ihr seinen Brieföffner und sie fuhr damit unter die Klebelasche und das leise Geräusch von reißendem Papier ertönte. Total nervös zog sie einen Blätterstapel aus dem Umschlag.

Schuss und Treffer -  in der zweiten Mannschaft   ✔️    Teil 13Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt