„Wo wart ihr denn so lange?" Natascha kam auf Ina zugestürzt. Oh Gott, sie hatte ihre kleine Schwester ja total vergessen. Als der Anruf vom Pflegeheim gekommen war, war sie einfach mit Genia und Linus sofort ins Krankenhaus aufgebrochen. „Schschi, Entschuldigung, dass wir dich so lange alleine gelassen haben." Ina zog ihre kleinere Schwester ganz fest an sich. „Luft, Luft!", quiekte die vergnügt. Wie sollte Ina ihr beibringen, warum sie so dringend weggewesen waren, ohne ihr damit Sorgen zu bereiten? „Ich war ja nicht alleine. Alex ist gekommen und wir haben zusammen einen Kuchen gebacken." Erst jetzt fiel Ina die Frau ihres Opas auf, die sich im Hintergrund gehalten hatte. „Geh doch mal für Linus und Ina ein Stück holen. Die beiden haben bestimmt Hunger. Und vielleicht machst du ihnen auch noch ein Brot, so wie wir es vorhin für uns gemacht haben." „Geht klar!" Natascha salutierte vor Alex und verschwand in Richtung Küche. „Und wir setzen uns erst einmal." Alex schob Ina und Linus zum Sofa. „Wie geht es deinem Vater?" „Woher weißt du davon?" Ina schaute sie irritiert an. „Und wieso bist du hier?" Alex begann zu grinsen. „Genia hat mich vorhin kurz angerufen und gebeten mich um Natascha zu kümmern. Ich habe ihr aber noch nichts vom Krankenhaus gesagt. Ich wollte sie nicht unnötig beunruhigen." Ina umarmte die Frau, die neben ihr saß. „Danke!" „Da doch nicht für, meine Kleine. Das ist doch selbstverständlich." Nein, das war es nicht. Jedenfalls nicht für Ina, denn bisher hatte es nur ihren Vater, ihre Mutter und ihre Schwester gegeben und sie waren immer auf sich alleine gestellt gewesen. Ina hatte das erste Mal in ihrem Leben wirklich das Gefühl zu einer größeren Familie zu gehören, die sich um einander sorgte und sich unterstützte. Das war ein gutes Gefühl. „Also, was ist mit deinem Vater?" Ina begann das zu erzählen, was der Arzt ihnen gesagt hatte. Alex schnaufte einmal kurz. „Okay, eine OP ist nie schön, aber es hört sich doch gut an. Die Ärzte würden ja keine Op planen, wenn sie nicht Hoffnung hätten, dass sie ihn damit wieder fit bekommen." So hatte Ina das noch gar nicht gesehen. Ja klar, wenn es aussichtslos und ihr Vater dem Tode geweiht wäre, dann würden sie mit Sicherheit so etwas gar nicht mehr in Erwägung ziehen. Da hatte Alex völlig recht. Das erste Mal am heutigen Tag machte sich so etwas wie Hoffnung.....nein fast schon Euphorie in ihr breit. Ja, wenn alles gut lief, vielleicht konnte ihr Vater dann ja eine ordentliche Reha machen und vielleicht bestand ja dann auch die Möglichkeit, dass er ein paar der Sachen wieder erlernte, die so lange nicht möglich waren. Vielleicht konnte er ja bald sogar wieder laufen. Und vielleicht fiel ihm dann ja auch das Sprechen wieder leichter. „Hier ist schon einmal der Kuchen." Natascha stellte einen Teller vor ihr ab. „Sieht der nicht toll aus? Den Zuckerguss habe ich ganz alleine gemacht. Alex hat mir nur erklärt, was ich machen muss." Der Stolz ihrer Schwester war nicht zu übersehen. Sollte Ina ihr jetzt wirklich den schönen Tag versauen, den sie gehabt hatte, in dem sie ihr von dem Herzinfarkt erzählte? Eigentlich müsste sie es tun. Natascha hatte schließlich ein Recht darauf zu erfahren wie es ihrem Vater ging. Andererseits war sie mit ihren zwölf Jahren auch fast noch ein Kind, das sich noch keine Gedanken um so etwas machen sollte. Reichte es nicht, wenn sie sich selbst sorgte? Wenn alles gut wurde, war das doch völlig überflüssig. Und wenn nicht? Darüber wollte Ina sich keine Gedanken machen. Nein, ihr Vater würde wieder gesund und fit werden. „Wo wart ihr überhaupt?" Okay, dann musste sie es Natascha wohl doch sagen, denn anlügen wollte sie sie auch nicht. Gerade in letzter Zeit hatte sie ja am eigenen Leib erfahren, wie es war, wenn man angelogen wurde. „Wir waren bei Papa. Er ist im Krankenhaus." Das entsprach der Wahrheit und ließ doch alles offen. „Ach so" Natascha nickte. „Hast du ihn von mir gegrüßt? Ich mache dann jetzt die Brote." Ihre Schwester lief wieder Richtung Küche. Okay, das war eine Reaktion, mit der Ina nicht gerechnet hatte. Andererseits ersparte es ihr weitere Erklärungen. Und auf die war sie nicht wirklich scharf. „Sie ist noch nicht in dem Alter, um das wirklich einordnen zu können." Alex hatte ihr wohl ihre Irritation angesehen. „Und vielleicht ist das ja auch ganz gut so. Was hältst du davon, wenn ich Natascha mit zu uns nehme. Es ist doch sowieso Wochenende. Und Ben freut sich bestimmt auch, wenn sie morgen wieder bei seinem Fußballspiel zuschaut. Dann könnt ihr morgen in Ruhe ausschlafen. Das war ja heute doch eine Menge Aufregung für euch. Und bestimmt willst du morgen ja auch gleich wieder ins Krankenhaus." Ina nickte dankbar. Ja, es wäre bestimmt nicht schlecht, wenn sie etwas Ruhe hätten. „Das wäre wahrscheinlich wirklich besser. Aber ich will euch da nicht mit belasten. Natascha kann manchmal ganz schön anstrengend sein." Alex winkte ab. „Ach Quatsch, die Kleine ist ein Schatz und keine Belastung. Außerdem ist sie nicht der erste Teenager, Mit dem ich klar kommen muss. Deine Mutter war auch nicht ohne", zwinkerte sie Ina grinsend zu. „Dann gerne." „Dafür sind doch Großeltern da." Das war wieder so ein Satz, bei dem Ina schlucken und an den sie sich erst noch gewöhnen musste. „Inibini, schau mal dein Brot. Ich habe auch ein Essiggürkchen zum Fächer geschnitten." Natascha reichte ihr stolz einen Teller mit einem Käsebrot darauf. „Und ich habe Tomatenscheiben dazu gelegt." „Danke, Schischi. Das sieht so toll aus, dass ich mich gar nicht traue es zu essen." Ihre Schwester zog einen Schmollmund. „Das wäre ja blöd, dann hätte ich mir ja unnötig Mühe gegeben. Außerdem sagst du doch auch immer, dass ein leerer Teller das schönste Lob für eine Köchin ist", wandte sie sich an Alex, die sofort zustimmend nickte. Ina griff sich das Brot und biss hinein. „Schischi, magst du heute bei Alex, Opa und Ben übernachten?" Ihre Schwester hatte ihre Augen vor Überraschung aufgerissen. „Ja, klar. Darf ich? Darf ich auch bis Sonntag bleiben?" Natascha wirkte plötzlich wie ein aufgeregtes kleines flatterndes Insekt. „Wenn Ina nichts dagegen hat, gerne." „Inibini, darf ich? Biiitttteee" Wie sollte sie denn da nein sagen? Also nickte sie, denn ihr Mund war ja mit dem Brot voll. Es folgte eine stürmische Umarmung von Natascha und dann war nur noch ihre Rückansicht zu sehen, weil sie aus dem Zimmer stürmte, um ihre Sachen zusammenzupacken.
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Schuss und Treffer - in der zweiten Mannschaft ✔️ Teil 13
RomanceLinus und Ina sind schon seit zwei Jahren ein Paar. Gemeinsam führen sie das Bauunternehmen von Inas Vater, der seit seinem Herzinfarkt ein Pflegefall ist. Für Ina war der Weg in die Firma schon von kleinauf vorgezeichnet. Linus hatte sich sein Lebe...