Kapitel 94

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Liebe Ina,
wenn du diesen Brief in den Händen hältst, bin ich bereits tot. Und so, wie es aussieht, habe ich mein kleines Mädchen und seine Intelligenz nicht unterschätzt. Du hast den Schlüssel, der im Umschlag vom Notar war genutzt  und das Geheimfach gefunden.
Ich bin mir sicher, dass der Vertrag, den es zu deiner Geburt gab, dich sehr überrascht hat. Du sollst aber wissen, dass ich dich nicht wegen des Geldes zu mir genommen habe. Nein, ich hätte dich auch so zu mir genommen, schließlich bist du mein Kind. Ich habe aber die Chance genutzt, um uns einen guten Start ins Leben zu schaffen und zu sichern. Das waren wirklich zähe Verhandlungen, aber ich habe das bestmögliche für uns herausgeholt.
Ina legte den Brief auf ihrem Schoß ab und schaute zu ihrer Mutter, die fassungslos den Kopf schüttelte. „Von wegen er hätte dich zu sich genommen. Er hat mich einfach stehen gelassen und ist abgehauen als ich ihm von der Schwangerschaft erzählt habe. Er war der Meinung ich sollte selber sehen, wie ich damit klarkomme, wenn ich zu dumm zum Verhüten war." „Aber du warst damals doch gerade erst 15 und er 23." Genia schnaubte. „Das hat ihn aber nicht im geringsten interessiert. Auch nicht die Tatsache, dass das ein Spiel ist, an dem zwei Personen beteiligt sind. Auch an der Verhütung." Ina griff sich wieder den Brief und las weiter.
Ich habe das Geld dann in der Firma deines Großvaters investiert und uns auf sichere Beine gestellt. Glücklicherweise ist der alte Mann dann ja schnell in Rente gegangen und ich konnte mich frei entfalten und die Firma wachsen lassen. Deine Mutter hat schnell eingesehen, dass das Familiengeschäft gut in meinen Händen aufgehoben ist und hat sich auf die repräsentativen Pflichten beschränkt. Das war auch gut so, denn Mona hatte nie diesen scharfen Geschäftssinn, den ich dir vererbt habe. Ich weiß, dass du sie geliebt hast, aber sicher ist auch dir damals schon aufgefallen, dass sie viel zu verweichlicht für die Geschäftswelt gewesen wäre. Das ist nun einmal das Problem bei euch Frauen. Ich weiß aber, dass du intelligent genug bist, dir einen Partner zu suchen, der in meine Fußstapfen treten kann. Und ich weiß auch, dass du trotzdem schlauer als Mona bist und ihn nicht einfach machen lassen wirst.
„Ich glaube das nicht." Angewidert legte Ina den Brief wieder auf ihren Knien ab. „Er tut ja so, als wäre Mama total dumm gewesen. Das war sie nicht. Sie war einfach nur menschlich. Sie hätte nie jemand erpresst." Genia strich ihr beruhigend über den Arm. „Dein Vater hat ja geschrieben, das du intelligent bist. Also solltest du auch nicht an deinem Bild von ihr zweifeln, aber...." „Aber mein Bild von Papa sollte ich noch einmal überdenken. Egal, ob er jetzt tot ist." Ina griff wütend nach dem Papier.
Mit Sicherheit warst du auch über den Beteiligungsvertrag mit Bärmargeddon überrascht. Damals hatte ich mich leider bei einem Bauprojekt ziemlich verkalkuliert und unsere ganze Existenz war in Gefahr. Mir ist es dann aber doch gelungen aus der Misere einen wirklich gelungenen Neuanfang zu machen, in dem ich eine GmbH gegründet habe. Somit sind wir dank mir aus dieser Krise sogar gestärkt und noch größer wieder herausgegangen.
„Conny hätte echt Politiker werden können. Die erzählen dir auch, wie viel besser alles durch ihre Fehler geworden ist. Er hat wohl ganz vergessen, dass er haarscharf an einem Bankrott vorbei geschrammt ist und nur seiner kriminellen Energie den Fortbestand seiner heiligen Firma zu verdanken hat." Genia konnte sich einfach nicht bremsen. Das war wirklich einfach unglaublich, so etwas auch noch stolz als Erfolg zu verkaufen. Sie fragte sich sowieso, was dieser Brief sollte? Wollte er sich damit selbst beweihräuchern? Oder wollte er, dass Ina auch garantiert in Ehrfurcht vor ihm zerfloss?
„Als Politiker hätte er zu wenig verdient......obwohl, wahrscheinlich hätte er seine Diäten mit Bestechungsgeldern aufgestockt. Oft genug hat er ja an entsprechender Stelle selbst welche eingesetzt." Also falls er das mit der Ehrfurcht geplant hatte, war sein Plan nach hinten losgegangen, so zynisch wie Ina klang.
Ich habe alles mir Menschenmögliche getan, um die Firma seitdem noch erfolgreicher und größer zu machen und muss voller Stolz sagen, dass es mir auch gelungen ist.
Ich weiß, dass die Firma dir genauso am Herzen liegt wie mir, trotzdem bist und bleibst du eine Frau und das Bau- und Immobiliengeschäft ist ein hartes Pflaster. Ich traue dir trotzdem für den Übergang zu, alles im Status quo zu halten bis du einen entsprechenden Mann an deiner Seite hast. Natascha sehe ich nicht in der Firma. Sie hat einfach zu viel Charakterzüge von Mona geerbt. Also halte sie besser von der Firma fern.
Ina schnaubte verächtlich. „Vielleicht haben wir ja auch beide Glück gehabt, dass die Gene unserer Mütter stärker waren als seine. Ich glaube das echt nicht."
Ich lasse dir auf diesem Weg diese Unterlagen zukommen. Durch deine Suche des Geheimfachs hast du dich als würdig erwiesen, sie auch einzusetzen. Ich weiß auch, dass du intelligent genug bist sie entsprechend zu nutzen. Sie sind dein Ass im Ärmel, falls die Firma unter deiner Leitung in Schieflage gerät.
Ich bin mir sicher, dass mein Vermächtnis bei dir in guten Händen ist und du es zu ehren und zu nutzen weißt.
Dein Vater
„Kannst du mir mal sagen, was er damit meint?" Genia schaute sie wütend an. „Sollst du ihm dankbar dafür sein, dass er durch dich den großen Zampano spielen konnte? Oder sollst du ihm dafür dankbar sein, dass er dir Erpressungsmaterial gegen deine eigene Familie zuspielt?" Genias Gesicht hatte sich vor lauter Erregung rot gefärbt. „Was ist das bitte für ein Vater, der seine eigene Tochter zur Erpressung benutzt und dann auch noch dazu anstiftet? Ich fasse das echt nicht. Der Scheißkerl soll in der Hölle schmoren." Genia schaute sie verlegen an. „Sorry. Er ist ja immer noch dein Vater. Das hätte ich nicht sagen dürfen." Auch wenn es Ina früher im Herzen weh getan hätte, ihre Mutter hatte recht. Ihr Vater war ein echter Scheißkerl und das Höllenfeuer war gerade gut genug für ihn. „Wieso, du hast doch recht. Fast jeder Satz fängt mit ich an. Hat der eigentlich mal mitbekommen, dass sich nicht die ganze Welt nur um ihn dreht? Und wie hat er Natascha und mich und unsere Mama bitte gesehen? Als notwendige Anhängsel, die dumm genug sind ihn anzuhimmeln? Ihm war es echt scheißegal, ob ich kriminell werde, Hauptsache der Firma geht es gut. Alles nur für die Firma. Das ist so krank." Wütend trat Ina mit dem Fuß gegen den Sekretär.

Schuss und Treffer -  in der zweiten Mannschaft   ✔️    Teil 13Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt