"Ein Haus? Echt jetzt?" lacht Jordan auf. Mit großen Augen sehe ich ihn an und werde wahrscheinlich wieder rot.
"Ja, weil das schön einfach ist." Er lacht darauf wieder, "Ich hab gesagt, dass ich nicht male, oder?"
"Wouw, nicht so gereizt sein." hebt er die Hände und lächelt, "Sieht sehr süß aus. Aber deine Führung ist besser. Merkst du es?" Ich sehe auf mein Werk und muss nickend zustimmen. "Hier. Gib den Linien noch eine Schattierung. Dann sieht es besser aus."
Ich tue es und mit den roten Linien mag ich es tatsächlich mehr. Das ist so aufregend. "Gib' mal dein blau." sagt er und ich gebe ihm meine vorige Dose. "Einige bedecken offene Stellen mit einer Farbfläche, damit es besser aussieht, aber ich mag es stattdessen Muster einzufügen." Er fängt an ein eigenartiges Männchen mit vier Armen in das Haus zu setzten, als auch viele Dreiecke und Streifen. Dazu sprayt er außerhalb am Haus Dinge an, die mich an heiligen Scheine und Äste erinnern und gibt vielem davon auch noch eine rote Schattierung. Am Ende hat es etwas gruselig und unheiliges an sich, aber ich liebe es.
"Wow, das sieht hammer aus." staune ich. Er dreht sich stolz zu mir. "Danke, unser erstes Werk ist vollbracht!"
Wir verweilen noch ein wenig bis er entscheidet, dass es Zeit ist zu gehen und wirft seine leere Dose in die hinterste Ecke. Wir treten zum bewölkten Himmel hinaus und er steigt mit Elan zurück auf die Kontainer. An jedem einzelnen reicht er mir seine Hand hinunter und zieht mich herauf, wobei ich dann jedoch wieder zurück beim Beton gegen ihn stoße und er mich auf einmal eng an sich hält. Ich atme nach meiner Pausierung aus und sehe ihm in die Augen. "Nicht fallen." grinst er verstohlen und entnimmt darauf wieder seine Hand von meinem Kreuz, als auch meiner Hand, um an dem Betonabschnitt entlang zu laufen.
"Jetzt kommt der etwas schwierigere Teil." dreht er sich zu mir und verlangt meinen Rucksack, um ihn im nächsten Moment nach oben auf den Abhang zu werfen. "So ist es leichter. Ich helfe dir als Trittleiter hoch. Keine Sorge. Aber sei dabei vorsichtig." meint er, als er sich mit dem Rücken zur Wand dreht und sich hinhockt, um die Hände für mich ineinander zu verschlingen. Nun nervös stelle ich mich auf dem nicht mal zwei Meter breiten Abschnitt vor ihm hin und lege meine Hände zitternd auf seine Schultern - welche sich unglaublich prall anfühlen -, während ich meinen Fuß unsicher auf seine Stütze stelle. "Ich werde dich mit einem Ruck hochkatapultieren, also egal was passiert, lehne dich dabei nicht nach hinten und greife sofort nach dem Rand. Sonst fällst du gute acht Meter in deinen Tod." Jetzt habe ich schiss. "Du bist doch nicht schwerer als du aussiehst, oder?" witzelt er, aber wirklich beruhigen tut es mich nicht, auch wenn er mir versichert, dass alles gut laufen wird. Auf Countdown jagt er mich in die Höhe und ich kann mir ein Aufpiepen wieder nicht verkneifen. Ich schaffe es mich erstaunlicherweise festzukrallen und nach peinlichen Strapazen bin ich Luft holend oben. Halleluja, ich lebe noch. Erschöpft rolle ich mich auf meinen Rücken und beobachte erleichtert den Himmel. Wie können die das bloß jedes Mal machen?
Ich höre Jordan aufstöhnen und treten, bevor er mit erstaunlicher Geschwindigkeit athletisch auf den Abhang klettert. Dabei denke ich kurzzeitig, er fliegt gleich auf mich und kreische zusammenzuckend auf, aber es passiert nichts und ich sehe ihn darauf amüsiert vor mir stehen.
"Jag' mir doch nicht so einen Schrecken ein." maule ich und lege mich wieder auf den Rücken. "Wie um Himmels Willen hast du geschaft diese Wand alleine hinaufzuspringen, oh mein Gott. Ich wäre dort verottet, weil ich mich schlichtweg geweigert hätte hochzuspringen und eh zu klein und unsportlich bin."
"Übung." grinst er und hat die Fäuste in die Seiten gestemmt, was seine breite Silhouette in dem dunkelroten T-shirt zu Geltung bringt. Ich habe Hercules persönlich vor mir. Hilfe. "Außerdem hast du dich wirklich gut geschlagen, muss ich sagen. Die meisten Mädchen beschweren sich, weshalb ich nicht viele herbringe." Sein Kompliment macht mich zwar verlegen, aber der Fakt, dass er es anderen Mädels zeigt und nicht nur mir verletzt mich irgendwie.
Er hilft mir auf und reicht mir sogar meinen Rucksack, bevor wir den Weg zurück zum Park laufen.
"Ich werde morgen hundertprozentig Muskelkater haben." maule ich erschöpft und er lacht, "Zusätzlich habe ich noch Sport. Das wird mein Tod."
"Ach echt? Wann?"
"Letzter Block."
"Ach so." Wir laufen noch etwas in Stille, bevor er wieder spricht, "Hat es dir wenigstens gefallen?""Ja, sehr. Ich habe bisher nicht nur noch nie gesprayt und habe noch nie das Vergnügen gehabt einen Adrenalinschub beim Klettern in Dreck bekommen. Danke! Macht sich bestimmt gut auf einer Jobbewerbung, wenn ich schreibe, dass ich mein Leben gefährdet habe." Er kichert wieder und ich lege den Kopf in den Nacken um endlich zu entspannen.
"Dann würdest du dich wieder treffen wollen?" fragt er verstohlen und ich werde hellwach.
"Ja, klar. Gerne. Wenn es dir nichts ausmacht, mich Dinge hinaufzuziehen oder permanent kreischen zu hören, dann gern."
"Zufäfligerweise nicht." kichert er, "Wollen wir dann Nummern austauschen?"Mein Herz bleibt stehen und ich kann ein dummes Grinsen meinerseits nicht unterdrücken, "Gern!"
"Cool." Wir holen unsere Handys beim laufen hervor und ich diktiere ihm meine Nummer. "Dann schreibe ich dich zum nächsten Mal einfach an. Dann musst du dir auch keine Gedanken um deinen nervigen Bruder machen."
Ich nicke immer noch dumm lächelnd.
"Okay, ich hau dann mal ab. Muss eh in diese Richtung. Pass auf dich auf." legt er mir die Hand auf den Kopf, bevor er sich wegdreht und geht.Das alles ist gerade wirklich passiert. Verträumt sehe ich ihm nach und fühle, wie mit Beendigung des Tages meine Gefühle in mir rasant aufsteigen und ich den Griff um mein Handy verstärke, während ich es an meine Brust halte. Und ich habe seine Nummer! Sobald ich halbwegs sicher bin, dass er sich nicht umdrehen wird, springe ich unkontrolliert auf und schere mich nicht um die Blicke anderer Menschen. Ich kann mein Glück nicht fassen.
DU LIEST GERADE
Irresistible
Teen FictionEs dauert lange bis sich Haleys Weg wieder mit seinem kreuzt, doch wie es das Schicksal will, lernt sie alleine seinen Namen erst durch seine Verfeindung mit ihrem Bruder kennen. Seine Reaktion jedoch, als er sie sieht, ist überraschend und es folgt...