Kapitel 58

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Erstarrt versuche ich zu verstehen, was gerade passiert und trete tollpatschig zur Seite, um vorbei an Jordan Oskar anzusehen, der amüsiert aufschnaubt. Sich den Hinterkopf reibend steht er auf und sieht Jordan höhnisch an.

"Oh mein Gott. Geht es dir gut?" hauche ich und komme langsam zu mir. Seine Augen fallen nun auf mich.

"Also läuft da immer noch was zwischen euch. Das hättest du ruhig sagen können, Haley." raunt er überlegen und schließt die Augen, als er sich seinen Wuschelkopf reibt.

"Was? Nein! Da ist nichts.-" quiecke ich schon fast, doch aus dem Nichts dreht sich Jordan schwungvoll zu mir und presst die Hand gegen meine Schlüsselbeine, um mich aggressiv zurück zu schieben. Fest sieht er mich an und ich werde erneut gegen die Fenster gepresst.

"Hör' auf das zu behaupten!" zischt er gepresst, was ich nur erschrocken beäugen kann, "Und du haust mal schnell ab und wage es nicht, sie je sogar anzusehen." dreht er sich halb zu Oskar, um diesen drohend anzusehen.

Der Druck seiner Hand gegen mich ist groß, sodass ich mich nicht einmal einen Zentimeter vorbewegen kann und minimal Angst bekomme. Trotzdem finde ich meine Stimme wieder und biete ihm die Stirn. "Was ist in dich gefahren?! Du hast kein Recht uns einfach so zu attackieren."

Eiskalt und in Schlitzen trifft sein Blick wieder auf mich und ich kann das besorgte Keuchen nicht unterdrücken. "Ich entscheide, worauf ich Recht habe. Also sei leise." brummt er und ich sehe ihn böse an. Kurz darauf lässt er von mir ab, doch packt mich dafür nun bei der Hand. "Merk dir meine Worte, du scheiß Poser." zischt er noch zu Oskar, bevor er mich grob wegzieht.

Ich wehre mich, doch ihm scheint das nichts auszumachen, als er mich den Flur entlang zerrt. "Lass mich los. Was soll das?" brumme ich angestrengt, während ich versuche seine Hand zu öffnen. Dabei bemerke ich ein Mädchen aus dem Augenwinkel, die uns entgeistert ansieht. Schnell presse ich die Lippen aneinander und versuche ruhiger zu werden, um das nicht so krass auffällig zu machen. Das ist so schon schlimm genug. Wir gehen durch die schwere Tür zu den Treppen und er führt mich ohne auf meine Fragen zu antworten nach unten.

"Jordan! Hör' bitte auf. Wir haben gleich Unterricht!" flehe ich schon fast und wir kommen im Bereich des Haupteingangs an. Genau in dem Moment ertönt der Gong und mein Herz setzt einen Schlag aus. Scheiße.

"Zu dem wärst du eh nicht gegangen sobald ihr rumgemacht hättet." knurrt er und zieht mich in den linken Gang, statt nach rechts zu den Ausgängen. Verwirrt stolpere ich hinter ihm her und versuche noch gegen seinen Griff zu ziehen, auch wenn ich schon weiß, dass es nicht nützt.

"Wir hätten nicht rumgemacht!" ziehe ich mit einem Ruck meinen gefangenen Arm zurück, was bei Jordan aber nur wie ein mikriger Windstoß gewirkt haben muss. "Lass los. Das tut schon weh." klage ich leise. Ich kann auch nicht aufhören einen Hitzeschlag beim Anblick seiner breiten Schultern zu bekommen, was mich verzweifeln lässt.

Er biegt in eine Tür rechts von uns ein und zerrt mich in den Raum, bevor er die metallische Tür schließt. "Warum sind wir im Archiv? Hier dürfen wir nicht sein!" flüstere ich angespannt, als ich die ganzen Regale sehe. Doch er nimmt mit meiner so schon gequetschten Hand den Unterarm meines anderen Arms und presst mich ein wenig zu stark gegen die Wand neben der Tür. Überrascht keuche ich auf, als ich seine Wärme an jeden Zentimeter meines Körpers spüre. Kurz bin ich von seinen spürbaren Muskeln an mir erstarrt, doch versuche ihn darauf von mir zu drücken. "Lass den Scheiß. Ich will weg." Außerdem drücken sich die Bücher in meinem Rucksack langsam schmerzhaft in meinen Rücken.

"Nein!" knurrt er und presst meinen Körper mit seinem noch stärker gegen die Wand, was mich etwas ängstlich werden lässt. "Du bleibst hier und wir reden jetzt über das, was auch immer zwischen uns ist. Kapiert?"

Mit großen Augen sehe ich ihn an und kann nicht glauben, was er da sagt. "Reden?" stammle ich zuerst, doch bekomme mich darauf wieder in den Griff und sehe ihn anherrschend aus der minimalen Entfernung an, "Gut! Ich wollte nämlich schon seit einiger Zeit wissen, was die Scheiße von dir soll!"

"Von mir??" hebt er die Brauen, was seine Stirn in Falten legt, "Wohl eher von dir. Machst mit Typen aller Art rum und verhältst dich im nächsten Moment wieder so, als wäre nichts passiert!"

"Ich??" krächze ich ungläubig, "Mit wem soll ich groß was gehabt haben. Wow, mit einem Fremden im Club. Aber hallooo, ich war betrunken??"

"Und mit Mitchel und fast diesem eingebildeten Hurensohn von Oskar." spuckt er es hervor und ich neige den Kopf nach hinten, während ich mir ein spötisches Lachen nicht verkneifen kann.

"Ich will nichts von Oskar. Ich war nur überfordert bis du entschieden hast den Armen anzugreifen." Ich sehe in seinen angestrengten Blick, bis mir bei einem Gedanken ein kalter Schauer über den Rücken läuft. Er hatte ihn sicherlich nicht einfach so angegriffen. Und mit all den Worten, die er bisher geäußert hat, kommt mir etwas in den Sinn. "Du empfindest was für mich, kann das sein?" frage ich mit großen Augen und bekomme ein Summen in den Ohren, dass durch meine Nervosität geschaffen wird. Wir sehen uns an und die Zeit fühlt sich wie geschmolzen an. Kurz flackert etwas in seinen Augen auf und er presst die Lippen zusammen.

"Und was ist mit Mitchel?" fragt er immer noch angespannt, doch ruhiger, als zuvor. Enttäuscht, aber gewohnt, dass er meine Fragen einfach ignoriert, beobachte ich jeglicher seiner Gesichtszüge umso genauer.

"Das war ein Spiel. Und wir waren alle betrunken. Zwischen uns lief nie etwas." sage ich bestimmt und hoffe, dass er meinen Herzschlag bei dem engen Kontakt nicht spürrt.

Kurz ziehen sich seine Augenbrauen zusammen und die hypnotisierenden aschblauen Augen sehen mich durch zwei Spalten an. Als würde er dem immer noch nicht wirklich Glauben schenken. Gespannt warte ich auf eine Antwort, aber selbst, als er zur Seite wegsieht, kommt nichts.

Dabei schwirren mir seine Worte, wie böse Geister im Kopf herum. "Was denkst du, läuft zwischen uns?" frage ich ruhig und verursache, dass seine Augen misstrauisch auf meine fallen. Er sieht verschlossen aus und sieht auch wieder weg, als er beobachtet, wie sein Körper einige Milimeter von meinem tritt und sein Griff um meine Handgelenke lockerer wird, bevor er sie neben meine Hüften gegen die Wand drückt.

"Du sollst einfach nicht mit anderen Typen sein." raunt er leise und krächzt schon ein wenig. Weshalb er sich kurz räuspert und weg sieht, während mein Herzschlag sich wieder verschnellert, "Diese Streitereien gehen mir auf den Sack. Können wir nicht ganz normal abhängen?" sieht er mich mit erhöhter Braue an. Ich lasse meine Schultern sacken, während ich ihn mit totaler leere im Kopf mustere.

"Du bist so verwirrend.." krächze ich ausersehen meine Gedanken aus, doch schere mich darum nicht. Jetzt sieht er mit zusammengezogenen Brauen aus, als würde er nicht ganz verstehen, doch ich spreche weiter, "Aber insgeheim will ich doch genau das. Zeit mit dir verbringen."

Konzentriert beobachte ich seine Reaktion in der leichten Hoffnung gewisse Anzeichen zu sehen, doch er sieht mich nur direkt an und nickt dann. "Und du bist nicht mehr angepisst?"

Irgendwie schon, aber ich kann es nicht äußern. Bei ihm werde ich einfach nur schwach und kann ihm nicht böse sein. Frustriert von meinen Gefühlen seufze ich und schüttle einfch nur den Kopf.

"Also sind wir wieder im Reinen?" fragt er und ich nicke.

"Ja, sind wir. Ich möchte ganz normal mit dir reden können, Jordan."

Unerwartet bildet sich ein Grinsen auf seinem Gesicht und er lockert nun endgültig seinen Griff, um mich an der linken Hand zu nehmen und diese an sich zu ziehen. "Dann lass uns wohin gehen."

"Was? Jetzt?" frage ich überrumpelt und er nickt.

"Ist doch eh nicht so schlimm." sagt er und zieht mich schon aus dem Raum. Mit mulmigen Gefühl lasse ich mich aus dem Raum führen. Ich will eigentlich nicht unnötig Unterricht verpassen. Die Lage mit den anderen ist gerade dabei besser zu werden. Und was, wenn uns jemand sieht? Das eine Mädchen hat uns ja schon gesehen. Und Oskar! Als wir wieder bei den Treppen sind sehe ich diese sehnsüchtig hinauf und muss kurz gegen den Drang ankämpfen, sie hinauf zu sprinten. Doch dann blicken meine Augen auf Jordan und sehen sein Profil genaustens an, von dem sie nie satt werden. Tief schlucke ich und empfinde das vertraute warme Kribbeln in meinem Magen, dass unser Händchenhalten verursacht.

Ich kann nicht. Nichts in mir will sich von ihm trennen, weshalb ich mich stumm von ihm aus der Schule locken lasse.

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