Kapitel 63

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Entspannt gehe ich über den Hof meiner Schule und bin zufrieden, als ich merke, wie kaum wer mich ansieht. Alles ist wieder beim Alten. Und sobald ich Renny schon auf ihrem üblichen Platz sitzen sehe, kann ich nicht anders als glücklich aufzugrinsen.

Auch mit ihrer üblichen Heiterkeit umarmt sie mich zur Begrüßung, bevor wir uns setzen.

"Gibt es etwas neues mit Lorx?" frage ich verschwörerisch. Sie hatte erzählt, wie sie bei der Party vor einigen Wochen die Nummern ausgetauscht haben, aber sich irgendwann herausstellte, dass Lorx nichts ernstes wollte.

Deshalb hebt sie jetzt auch schulterzucken die Hände und neigt lächelnd den Kopf. "Wir sind immer noch offen. Aber er ist gut genug, als dass ich ein wenig Spaß haben kann. Lange hätte ich es mit ihm wohl auch nicht ausgehalten. Ich frage mich, wie ihr befreundet sein könnt."

Etwas angewidert verziehe ich mein Gesicht. "Okay, ich weiß es selber nicht. Er neigt ein wenig dazu, wie Mitchel zu sein. Nur ist wenigstens ernster als der. Aber mehr Details brauche ich zukünftig nicht. Nur zur Vorwarnung."

"Ok, ok. Haha. Dann stelle ich mal eine Frage." Ihr Lächeln wird durch einen ernsteren Ausdruck ersetzt, als sie mich fixiert, "Hängst du immer noch mit Jordan ab?"

Das lässt mich meine Brauen heben. "Ja?" Verunsichert warte ich auf ihre nächsten Worte, denn ihre Lippen pressen sich zusammen.

"Und du bist sicher, dass das eine gute Idee ist? Ich meine....wir reden hier von Jordan.."

Abwehrend schüttle ich den Kopf. Das hatten wir schon mal und ich will davon eigentlich nichts mehr hören. "Es ist alles in bester Ordnung. Wir waren noch nie so gut befreundet wie jetzt." Dabei kommt mir das Wort 'befreundet'unerwartet schwer über die Lippen. Es versetzt mir einen Schlag voller Hitze und ich muss automatisch an die Situationen denken, die definitiv nicht als freundschaftlich einzuschätzen sind. Ich halte es bald nicht mehr aus.

Als ich aus meinen Gedanken komme begegne ich Rennys wachsamen Blick auf mir und halte bei dem Augenkontakt Inne. Sieht sie etwa, was in mir vorgeht? Kaum merklich verengen sich ihre Augen nachdenklich, wodruch meine nur groß werden.

"Es ist mir schon seit einiger Zeit aufgefallen..-" fängt sie langsam an zu sprechen, doch da wird ein Rucksack zu unseren Füßen geschleudert, weshalb wir uns aufrichten und beobachten, wie eine genervte Jocelyn zu uns kommt.

"Sorry, mein Lehrer hat mich aufgehalten. Was geht?" murmelt sie und steigt zwischen uns auf das Gestein, um sich zu uns zu setzen. Kurz huscht Rennys Blick verschwörerisch zu mir, bevor sie ihre beste Freundin wieder ansieht.

"Nichts. Ich habe Haley nur wieder nach der Sache mit Jordan gefragt."

Darauf stöhnt Jo entnervt auf. "Genau. Das gibt's ja auch noch. Wie zur Hölle kann man mit dem freiwillig Zeit verbringen?" sagt sie es schon fast vorwurfsvoll.

Beschämt sehe ich auf meinen Schoß und zucke die Schultern. "Er ist halt anders, als man denkt."

"Sicher? Selbst auf der Party kam er mir ganz schön shady herüber. Ich bleibe bei meiner Meinung, dass er der schlimmste Mensch ist, dem ich begegnet bin. Häng' doch lieber einfach mit uns ab. Hast du mehr davon!"

Wahrscheinlich meint sie es gut, aber ich kann nicht anders, als dabei bedrückt zu lächeln. Und trotzdem passe ich auf, bei Jocelyns üblichen Kommentaren, nicht zu verletzt auszusehen, weil ich genau weiß, dass Renny mich wieder beobachtet.

"Ok, mir egal, was gerade in deinem Kopf vorgeht, dass du nichts sagst. Wir gehen am Samstag zur Mall. Was auch immer deine Einwende sein wird, sie nützt nichts. Selbst wenn wir dich hinziehen müssen." tadelt Jo und wird von Renny angegrinst.

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Es ist schon Freitag Morgen und ich gieße mir in der Küche verschlafen Kaffee ein. Die heiße Brühe lässt mich in meine Gedanken fallen und mir fällt kurz darauf auf, dass ich schon lange nichts mehr mit Mitchel gemacht habe. Irgendwie kam es nie dazu.

Erst, als die Präsenz meines Bruders in den Raum kommt, wache ich aus meiner Tagträumerei auf und beobachte aus meinen Augenwinkeln, wie er hinter mir vorbei läuft und sich stumm eine Schüssel aus den oberen Regalen nimmt.

Okay. Somit ist es nun Woche ....5? und er hat mir immer noch keinen Guten Morgen gewünscht. Selbst wenn ich ihm entgegen komme, ignoriert er es oder brummt etwas unverständliches. So kann es doch nicht weiter gehen.. Seufzende stelle ich die Kaffeekanne zurück auf die Platte und hole mir noch vor Nate, die Milch aus dem Kühlschrank. Deshalb steht er wartend da, während ich mir eingieße und weiß, dass ich nun eine gewisse Macht über ihn habe. Er wird auf mich reagieren müssen. "Was hast du so fürs Wochenende vor?" frage ich unschuldig, als wäre nichts und komme schon fast überheblich herüber, was ich nicht unterdrücken kann. Er regt mich nun mal auf und wenn ich ihn jetzt zum sprechen bringen kann, weil er die Milch in meinen Händen braucht, dann entflamme ich schon fast voller Selbstbewusstsein. Dabei schließe ich absichtlich langsam die Verpackung und sehe zu ihm.

Sein Blick ist starr auf die Milch gewendet, während er am Tresen lehnt. "Nichts. Vielleicht ins Kino gehen. Du?" brummt er. Oh, er fragt zurück.

"Mit Jocelyn und Renny in die Mall gehen." nehme ich mir seelenruhig einen Schluck von meinem Kaffee. Dass ist schon ein Fortschritt, verglichen zu den letzten Wochen. Traurig eigentlich.

"Und wie sieht deine Suche nach einer Fahrschule aus?" fragt er kühler und sieht mich endlich an. Doch ich erkenne meinen eigenen Bruder darin kaum.

"Alles erledigt. Ich sollte bald anfangen können." Die ersten Summen habe ich auch schon auf meinem Konto gesehen. Ich kann nicht fassen, dass dieses Geld mir gehört und jeden Monat neu aufkommt. Mir wurde schon etwas schwindlig, als ich die Zahlen gesehen habe, an die ich nicht gewohnt bin. Aber ich packe das. Ich bin wenigstens in der Sache sicherer geworden und davon überzeugt, das Geld gut zu lagern.

"War klar." sagt er gereizt und nimmt sich die Milch ohne ein Wort. Verdammt Nate!

Angepisst, dass alleine das wieder die Anspannung wegen dem Erben verursacht, starre ich Flammen in seinen Rücken hinein.

"Was habe ich denn für eine Wahl??" keife ich und er sieht mich ernst an.

"Du weißt, was du auch tun könntest." Natürlich weiß er sofort, wovon ich spreche. Wir hatten dieses Gespräch oft genug, sodass es inzwischen eine Leier ist.

"Und du weißt, dass ich nicht einfach so gegen Omas Bitten gehen werde. Sie hat es mir untersagt, es mit euch aufzuteilen. Da kann ich nichts machen, Nate."

"Dann frag' nicht." entgegnet er spitz und räumt alles ein wenig zu grob weg.

Ich fühle mich schon, wie eine überkochende Suppe. "Dann hör' auf, dich wie ein kleines Kind zu benehmen! Es reicht, okay? Es ist nicht meine Schuld und das weißt du. Ich will normal weiter leben und ganz normal mit dir reden können! Ich will meine Familie zurück. Ist das zu viel verlangt??" sprudelt es endlich aus mir heraus.

Er sieht mich nur mit der Cornflakes Schüssel in der Hand scharf an. Keiner sagt etwas, während des Blickkontaktes, bis er nachgibt und seufzt. "Tut mir Leid." murmelt er. Dennoch kann er mich nicht mehr ansehen. "Es ist einfach nur so frustrierend und ich komme einfach nicht darüber hinweg."

"Aber du musst. Es ist nun mal passiert." beharre ich und versuche nachsichtig zu klingen, als ich einen Schritt auf ihn zugehe, "Können wir das endlich vergessen und ganz normale Geschwister sein?"

Kurz ist er still bis er die Augen schließt und ein "Mal sehen." äußert, bevor er zum Esstisch abhaut. Bei ihm heißt das, dass er es definitv versuchen wird, was mich erleichtert die Schultern senken lässt. Wieso muss ich einen so emotional komplizierten Bruder haben..?


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