Kapitel 111

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Seufzend stehe ich vor der Videospielabteilung und halte mich verzweifelt an meinen Wangen. So viel Auswahl. "Schenke ihm doch einfach das hier. Ist eben raus und bestimmt nach seinem Geschmack." wendet Nate neben mir ein.
Überfordert ziehe ich die Brauen hoch, während mein Blick nicht lange an diesem Spiel bleibt. "Ich weiß nicht...."
"Wie schwer kann das den bitte sein, Haley. Du stehst schon gute 15 Minuten hier." beschwert er sich.
"Es gibt halt so viel Auswahl und ich will ihm das Beste geben."
"Du schmeißt schon die wohl beste Party der letzten Jahre. Ich würde meinen, dass das Geschenk genug ist."
Mit verzerrter Miene schmolle ich ihn an und sehe darauf wieder auf die ganzen Hüllen, nur um geknickt zu jauchzen und kaputt weiter zu gehen. Nate hinter mir stöhnt schon erschöpft, als er mir durch die Regale folgt. Er hat ja auch nichts mehr zu bedenken. Er hat sein Geschenk schon. Auch wenn es meiner Meinung nach ein wenig schebig ist, ihm einfach einen 15 Euro Gutschein und etwas Gras zu schenken. Ich will Mitchels Geschenk gerecht werden, dass er mir damals gegeben hat.

Erst viele Schritte weiter durch den riesigen Technikladen, bleibe ich mit offenem Mund stehen und atme scharf ein. "Das ist es!" meine ich nur atemlos und trippel zu der Box mit einem Lenkrad drinnen inhalten, um sie in die Hände zu nehmen.
"Du willst ihm ein Racing Wheel für seine PS schenken?" fragt Nate ungläubig von der Seite, doch ich sehe ihn nicht an.
"Ja, er hatte es mal flüchtig erwähnt, aber ich glaube er wünscht sich sowas schon lange."
"Aber mir schenkst du sowas nicht.." blubbert er beleidigt und ich sehe ihn ausdruckslos an.
"Noch hast du nicht Geburtstag, also beschwer dich nicht."
"Aber nächste Woche Freitag ist schon Weihnachten." spielt er darauf an.
"Sei leise, Nate."


Seelenruhig verstaue ich das Geschenk in Nates Kofferraum und schließe diesen ausersehen mit einem so lauten Knall, dass neben meiner Wenigkeit, auch Nate zusammenzuckt. "Man, kannst du nicht vorsichtiger sein?" mault er, als er schon dabei war einzusteigen und sieht mich verstört an.
Unschuldig hebe ich die Hände. "Sorry, war keine Absicht." Er seufzt nur und tut so, als hätte ihn dieser Knall physisch geschadet, während er sich ans Lenkrad setzt.
Dabei macht es nicht viel anders. Diese Karre ist alt und wird bestimmt kaum mehr als drei weitere Jahre überleben. Gedankenverloren setze ich mich neben ihn und schnalle mich an. Schon seit einiger Zeit hatte ich den Gedanken, ihm ein gutes Auto zu schenken, wenn ich denn schon das Geld dafür habe. Aber bisher war es immer ein so daher gefallener Gedanke. Vielleicht sollte ich das langsam wirklich in Betracht ziehen.
"Wie läuft es eigentlich mit deinem Führerschein?"
Hellwach sehe ich zu ihm, als er aus der Parkanlage auf die mit Schnee bedeckten Straßen fährt. "Ganz gut. Bald sind die Praxisstunden dran." blicke ich wieder durch die Windschutzscheibe und verkrampfe meine Hände an meinen Knien.
"Dann kannst du doch jetzt schon anfangen mit mir oder Dad zu üben."
Mit großen Augen erstarre ich. "Nein, danke."
"Wieso? Dann hast du einen kleinen Vorsprung."
"Ja und dann baue ich mit euch einen Unfall, statt mit einem Typen, der weiß, was in solchen Fällen genau zu tun ist. Die Straßen zurzeit sind mir zu vereist."
Er seufzt nur. "Wann hörst du auf so eine Memme zu sein?"
"Ich bin keine!" maule ich ihn an.
"Ja,ja, Lesbe."
Empört ziehe ich die Luft in meine Backen und starre ihn beileidigt nieder. So hat er mich schon lange nicht mehr bezeichnet. Und obwohl ich wie gewohnt angepisst auf ihn bin, löst es ein kitzelndes Gefühl in meinem Brustkorb aus, weil es heißt, dass wir definitiv wieder beim alten sind.

Kurz sieht er zu mir und fängt an lauthals zu lachen. "Was sind das denn für Hamsterbacken?"
Zornig puste ich die aufgestaute Luft aus und sehe grimmig voraus. "Du bist und bleibst ein Kind, Haley." kichert er und biegt schon in das Reichenviertel ein.

"Sagt der Richtige." murmle ich nur und weiß nicht, was ich dazu kontern soll. Deshalb wechsle ich das Thema mit einer Frage, die mich eigentlich schon über den Tag hinweg beschäftigt hat. "Kommst du dann mit rein? Wir können was zu essen machen oder auch bestellen, wenn dir das lieber ist. Und den neuen X-Man Film schauen." Hoffnungsvoll sehe ich ihn an, doch bemerke, wie er sich minimal anspannt. "Komm schon. Niemand ist dort und wir können ein wenig Spaß haben." Dabei kommt mir das Angebot meiner Großeltern wieder in den Kopf, dass besagt, mir das Haus zu überreichen. Es ist genauso unfair gegenüber Nate, wie alles andere und macht mich innerlich fertig. Aber ich will ihm das nicht erzählen. Höchstens, wenn ich das Haus tatsächlich nehmen sollte.
Seufzend fährt er schon in die Straße ein. "Ich weiß nicht.."
"Warum nicht? Wir entspannen und du musst gleich nicht zurück zu Mom, die dich wahrscheinlich wieder bemuttern will, weil ich ja nicht da bin."
Er grübelt, doch lässt den Kopf geschlagen sacken. "In Ordnung." murmelt er und ich grinse auf.


Auf dem gepflasterten Weg hinaufgehend, gehe ich nochmal all die Aufgaben in meinem Kopf durch die ich für die Feier hatte, während ich Mitchels Geschenk, dass mich schon fast belagert mit seiner Größe, zum Haus trage. Inzwischen sollte alles geregelt sein. Nur dekorieren muss ich morgen anfangen.
Während ich bewussten Ganges durch das Haus zur Küche stapfe, benimmt sich Nate deutlich hemmungsvoll. Ich kann mich nicht einmal erinnern, dass er dieses Jahr überhaupt hier war.
Und obwohl ich so tue, als wäre nichts, habe ich Mühe damit ein komisches Gefühl in mir zu unterdrücken. Jetzt muss ich aufpassen, dass diese Situation nicht noch eine unangenehme Atmosphäre bildet. Sonst verspiele ich die Chance, dass Nate sich hier auch zukünftig wohlfühlen wird.

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