Kapitel 113

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Es ist Donnerstag und somit Mitchels 17. Geburtstag, doch meine Laune ist an ihrem Tiefpunkt. Mein Wecker muss schon vor einer halben Stunde geklingelt haben, aber ich liege immer noch im Bett und starre geistesverlassen die Decke an, während ich alles aufzähle, was zurzeit falsch läuft in meinem Leben. Sei es Nate, Mitchel, Jordan, meine Eltern, meine Großeltern, meine Noten oder mein innerer Zustand, der so durcheinander ist, dass ich nicht einmal mehr deuten kann, was in mir passiert.
Ich kann es nur stumm, wie ein Zuschauer beobachten. Als würde das alles außerhalb meiner Reichweite passieren.

Es vergehen weitere zehn Minuten vollem nutzlosen starren, bis ich meinen Kopf nach rechts drehe, wo mein Handy immer noch auf den Laken liegt. Eigentlich habe ich keine Lust jetzt auch noch mit meiner Mutter zu reden, aber ich greife trotzdem mit schlappen Arm danach und wähle sie ein.
"Haley? Alles gut?"
"Mom?" krächze ich, "Hey, ich...ich wollte fragen, ob du bei der Schule anrufen kannst und mich befreien? Ich fühle mich nicht besonders gut."
Natürlich ist sie darauf besorgt. "Du klingst auch gar nicht gut. Brauchst du Hilfe?"
"Nein, nein.....an sich pack ich das. Ist nur'n bisschen Übelkeit.."murmle ich und starre aus dem Fenster, wo diesmal die leicht ergrauten Wolken wärmere Temperaturen zuzulassen scheinen, als gestern.
"Haach...Kelly meinte schon, dass du dich Sonntags nicht gut gefühlt hast. Waren wohl erste Anzeichen."
Spürend, wie mein Kinn sich davon anfängt zu runzeln, kaue ich auf meiner Unterlippe und unterdrücke jegliches davon in meiner Stimme wiederhallen zu lassen, während ich lüge. "Ja, wahrscheinlich."
Wieder seufzt sie. Wenigstens scheint sie mir zu glauben. "Dieses Jahr war wohl echt nicht deines was. Du musst unbedingt dein Immunsytem stärken."
"Ich weiß Mom. Ich koche mir heute eine Brühe."

Es bleibt wenige Sekunden still und ich höre, wie sie an ihrer Tasche fummelt und sich wohl für die Arbeit fertig macht. "Haley, was ist mit deinem Bruder passiert?" ertappt halte ich die Luft an, "Er benimmt sich wirklich komisch und ist gestern ungewöhnlich spät nach Hause gekommen. Habt ihr etwas gemacht?"
Ich räuspere und setze mich es nicht aushaltend auf. "Wir haben uns ganz schön gestritten, aber keine Sorge wir machen das noch aus." raune ich. Dabei umarme ich einsam meine Beine.

Sie scheint es zu akzeptieren und legt auch auf, als sie zur Arbeit los muss. Mit einem leeren Gefühl senke ich das Handy und starre verletzt auf das Laken. Wenigstens meine Trübheit hat sie mir ein wenig damit genommen.
Mich wieder hinlegend kuschle ich mich einsam ins Bett, auch wenn ich nicht mehr einschlafen kann. Es sind wechselhafte Halbschlafphasen, die mich begleiten, bis ich von einem Klingeln hellwach werde.
Alleine das Geräusch der Hausklingel zu hören versetzt mich wieder in Panik, dass es Jordan sein könnte. Und auch wenn es von hier aus sehr leise zu hören ist, bekomme ich mit, wie es mehrmals gedrückt wird. Dabei ist es nicht einmal 10 Uhr morgens.

Mit zittrigen Beinen steige ich aus dem Bett und laufe in meinem Pyjama aus dem Raum Richtung Treppe. Mit der Erinnerung tief ein und aus zu atmen gehe jede Stufe vorsichtig hinunter, bis ich nun wenige Meter vor der Tür stehe.
Anscheinend hat es auch heute für die Person auf der anderen Seite dringend, denn das Klingeln geht weiter. Ängstlich umgreife ich mein Handy fest vor meiner Brust und verfluche den Fakt, dass die Tür keinen Spion besitzt.

Mit unsicheren Schritten nähere ich mich einem der matten Glasstreifen neben der Tür und versuche durch die wenigen klaren Stellen nach draußen zu sehen. Und obwohl ich sogut wie nichts erkennen kann, sehe ich die Farbe der Jacke aufkommen, die ich auch gestern gesehen habe, als auch viele Male zuvor.
Erschrocken springe ich nach hinten und will ihm nicht öffnen. Egal, wie hartnäckig er weiterklingelt. Mit dem zugepumpten Adrenalinschub sprinte ich schon fast wieder hoch und krame meine Kopfhörer aus der Schublade in meinem Zimmer heraus. Jetzt werde ich definitv nicht mehr einschlafen können, aber ich will ihn wenigstens nicht hören. Ich will so tun, als wäre er nicht hier und ihm keine Macht geben, indem ich Angst vor ihm habe. Oder eher Angst vor dem, was wir besprechen würden.
Am Ende redet er mir Dinge ein, die zu einem noch schlimmeren Ereignis führen werden. Der Sache mit Nate würde das auch keines Falls weiterhelfen.

Sobald meine Ohren mit der Musik belagert werden, atme ich erleichtert aus und versuche mich gut zu reden. Jordan kann nicht immer wieder seinen eigenen Standpunkt durchsetzen und damit davonkommen. Ich werde ihm die Nase bieten.
Deutlich selbstbewusster gehe ich nun wieder runter und steuere sofort die Küche an. Dabei ist durch die Glaswand zu sehen, wie hell die Wolken in der Zeit geworden sind. Sie strahlen schon fast und der leichte Schnee im Garten bestärkt diesen Effekt.

Seufzend öffne ich den Kühlschrank und überlege, was ich mir zum Frühstück anfertigen kann, dass am besten meine Nerven beruhigt. Ich habe die letzten Tage deutlich zu viel Stress durchmachen müssen, weshalb ich auch gar nicht erst in den Spiegel geguckt habe, als ich meine Haare hochgebunden habe.
Doch nun ist es das Klingeln meines Handys, dass mich ablenkt. Schon fast angepisst nehme ich es aus der Tasche meiner Pyjamahose und brauche nicht einmal hinsehen, wer es ist, um abzunehmen.
"Haley, verdammt nochmal, gib' mir-"  "Lass' mich gefälligst in Ruhe!" meine ich nur gestresst und lege sofort wieder auf, um schnell den Flugmodus zu aktivieren, bevor er wieder einen Anruf startet. Aber komm....jeder der mit Jordan nur ein bisschen Zeit verbringt merkt, wie hartneckig er sein kann. Er hat nur sein Ziel vor Augen. Kurz wallen meine Gefühle für ihn auf, doch ich unterdrücke es schnell. Das würde mir jetzt nichts bringen.

Stattdessen sollte ich mir Gedanken machen, wie ich Mitchel heute gratulieren soll und wie ich heute alles dekorieren will. Irgendwie fällt alles so ungünstig auf eine kurze Zeit...


Mit ein bisschen Rockmusik später habe ich mein Frühstück bestehend aus Kaffee und Omlette fertig und bin dabei alles zum Esstisch zu bringen, als mir bei betreten des Esszimmers irgendwie nicht geheuer wird. Und ich weiß auch warum, als mein Blick links zur Terasse geht und ich Jordan draußen am Glas lehnen sehe.

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