Kapitel 92

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Sobald ich aus der Fahrschule trete atme ich die kühle Luft ein und habe nicht gemerkt, wie stickig dieses Gebäude eigentlich war. Erneut ziehe ich das Handy aus meiner dicken Jacke und rufe Jordan an, wie er mich in seiner letzten Nachricht gebeten hat.
Fast sofort wird abgenommen und ich höre seine ungewöhnlich schwungvolle Stimme. "Hey, Babe. Geh' auf die andere Straßenseite." Verdutzt starre ich auf diese und kann mich nicht abbringen auch zu meinen Seiten Ausschau zu halten. "Hör' auf zu gucken. Mach' es einfach."
Amüsiert heben sich meine Mundwinkel und ich fange an die breite Straße zu überqueren. Unter dem bewölkten Himmel wirkt alles viel kälter und die Läden, die die Straßen hier neben den Wohnungen zieren, sind nicht mehr so doll besucht, wie vor zwei Monaten. "Jordan, wo bist du?" kichere geschwollen.
"Na, wo denkst du führe ich dich Idiotin hin?" Seine Bemerkung bringt mich lauthals zum lachen. "Die Idiotin ist schon auf der anderen Seite. Wo soll sie jetzt hin?" "Weiter bis zur Wäscherei." "Aye, Aye." Gespannt gehe ich die Straße entlang und bin dabei die Ecke des besagten Geschäfts zu erreichen, als er schnell etwas hinzufügt. "Jetzt nach rechts!"
Abrupt bleibe ich stehen und drehe mich in die Richtung. Es ist eine einfache Gasse mit einigen Mülltonen, die weiter hinten an einem alten Holzzaun stehen. "Jordan, dass ist eine Gasse. Sicher,-" "Guck dir das Grafitti an." und damit legt er auf und ich sehe zum Tuten mein Display an.

Verwirrt gehe ich hinein und bemerke die Spraydosen, die seitlich auf dem Boden stehen. Es ist deutlich, welches Grafitti er meint. Erst recht, weil es nicht nur neu aussieht, sondern klar wird, dass der chemische Geruch von der linken Wand kommt. Außerdem erkenne ich den Stil sofort. Es ist ein Männchen mit mehreren Armen, dass in einem Dreieck steht, welches eine blaue Umrandung besitzt.
Gedankenverloren stecke ich mein Handy wieder ein und betrachte die verschiedenen Wellen und Striche, die er immer zur Füllung oder Dekorierung verwendet und muss aufgrinsen. Aber es ist das geschwungene 'J' und 'H', dass mich aufblühen lässt.
Erst da nehme ich meinen Freund aus der hinteresten Ecke kommend war und werde von ihm hochgehoben. Mit einem fetten Kuss begrüßen wir uns und ich sehe ihm glücklich in die aschblauen Augen. "Das ist echt süß von dir." sage ich und umarme ihn fest, während mein Blick wieder auf die miteinander verbundenen Buchstaben geht.
"Süß?" höre ich ihn verstört und muss kichern.
"Man du weißt, was ich meine. Es ist verdammt toll." grinse ich zu ihm hoch und wir küssen uns wieder.
"Meine Hände sind dabei auch schon fast abgefroren." brummt er und verstärkt seinen Griff um mich.
Meinen Kopf schief legend sehe ich ihn neckend an. "Na was hast du denn erwartet? Wir haben Dezember." Doch er verdreht nur lächelnd die Augen.
"Aber ich bin noch wegen etwas anderem gekommen." löst er sich von mir und greift unter seine Jacke an seinen Rücken.
"Ach, heißt das, du bist nicht hier, um mich einfach sehen zu können?"
Grinsend bringt er ein flaches dunkelrotes Kästchen hervor und reicht es mir. "Doch, aber ich habe dir etwas geholt. Sagen wir, nachträglich zum Geburtstag."

Mit großen Augen nehme ich es entgegen und sehe überrumpelt zu seinem Grinsen auf. "Na los, mach' es auf. Ich wollte dir schon lange sowas schenken." Schon lange?
Mit kalten Fingern versuche ich es vorsichtig zu öffnen, jedoch stoppe ich, als ich sehe, was er mir da geholt hat. Erstarrt pocht mein Herz auf. Es ist eine kurz gehaltene Halskette, die ganz schön fett ist und an eine Kette erinnert, die normalerweise zu Absperrung verwendet wird. Und obwohl es komisch ist, sieht sie elegant genug mit ihren Anhängseln aus. Außerdem passt es perfekt zu Jordans Charakter. "Soll ich es dir jetzt anziehen?" raunt er und ich blicke erschrocken auf. Ohne zu antworten umarme ich ihn stürmisch und kann nicht anders, als ihm mehrmals zu danken. Ich hätte nie erwartet, dass er mir sowas schenken würde.
"Komm', ich ziehe sie dir an." löst er mich von sich und nimmt mir das Kästchen ab, damit ich ihm den Rücken zudrehe.
"War es wenigsten nicht sehr teuer?" frage ich kleinlaut und sammle meine Haare zusammen.
Er schnaubt abwertend. "Doch und wie. Aber ich habe auch darauf gewartet, dir etwas teures kaufen zu können. Mein letzter Auftrag hat auch genügend eingebracht."

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