Nur schwer kann ich mich davon abhalten andauernd seine Wunde zu überprüfen, während er mich ungewöhnlich lange und fest an sich presst, als wir einfach daliegen. "Alles gut?" frage ich kleinlaut und er seufzt.
"Ja, Haley, die Wunde ist nicht aufgerissen worden."
"Nein, ich meine generell. Du kamst mir schon beim reinkommen komisch rüber und jetzt tust du es auch. Ist etwas passiert?"
Der Fakt, dass er darauf einen Atemzug lang still ist, macht mir wirklich Sorgen, doch er beharrt darauf, das Nichts ist.Er zieht meinen Kopf, der auf seiner Brust liegt, zu sich und küsst mir aufs Haar bevor er mich einfach nur streichelt. Das sagt doch erst recht aus, dass er was hat, aber ich bleibe stumm. Wir haben vorerst genug geredet.
Es ist das Geräusch der zufallenden Haustür, die uns hochfahren lässt. Oder eher gesagt mich. Denn mit einem Mal weiß ich nicht, wie ich mich zu verhalten habe. Erschrocken sehe ich zu Jordan, der sich darauf vorsichtig aufsetzt. "Das ist bestimmt meine Mom." und küsst meine nackte Schulter bevor er sich durchs Haar geht. "Aber keine Sorge, du kannst auch diesmal wieder aus dem Fenster klettern." lächelt er schief und steht auf.
In Gedanken versunken starre ich die Bettlaken an. Und obwohl ich wie verkrampft dasitze, während er sich anzieht, werde ich mit einem mal entspannter und sehe ihn gefasst an. "Ich möchte sie kennenlernen."Erstarrt behält er das Shirt, dass er eben anziehen wollte, in der Luft und sieht mich an. "Was echt?"
Nickend entgegne ich seinen Blick. "Wenn das okay ist?"
Überrumpelt setzt er sich vor mich. "Klar, aber...bist du dir auch wirklich sicher?" Seine aschblauen Augen sehen meine abwechselnd an, als würden sie einen Witzt daraus suchen wollen, aber sie finden nichts. Seine überraschte Reaktion ist unerwartet. Nicht einmal schroff ist er, denn seine Augenbrauen sind gehoben und der Gesichtausdruck erhellt.
"Ja, bin ich." sage ich fest.
Es kostet ihn einen Moment, um meine Antwort zu realisieren, doch darauf leuchtet etwas in seinen Augen auf, dass ich schon lange nicht mehr so stark gesehen habe.
Immer noch mit ungläubigen Gesicht streicht seine Hand leicht über meine Wange, bevor er sich auf die Matratze stützt, um seine Lippen fest auf meine zu drücken und dann unglaublich weicher werden zu lassen. Es ist mein Herz, dass von seiner so unschuldigen Geste einen Hüpfer macht. So verhält er sich nur, wenn niemand in unserer Nähe ist. Und es überrascht mich jedes Mal auf's neue.Und obwohl ich das wollte, komme ich unglaublich verunsichert und mit rasendem Herzen aus dem Zimmer, während ich seine Hand verkrampft festhalte. "Bleib' entspannt." flüstert er mir zu und führt mich ins Wohnzimmer, wo der Fernseher läuft und wir einige Schritte von der molligen Frau stehen bleiben, die auf der Couch halb sitzt halb liegt, während sie anscheinend mit der Schwäche zu kämpfen hat.
Wie in einer Trance richtet sich ihr Blick auf uns und ich spanne mich an. Sie hat fast die selben Augen wie er. Doch Jordan geht sogar einige Schritte weiter voraus, während sie mit einer Anstrengung anfängt zu sprechen. "Hallo, Jordan." kurz bleibt ihr unergründlicher Blick noch auf mir, bevor sie ihren Sohn ansieht.
"Hey, Mom. Wie geht es dir?"
"Ach, ich bin kaputt." krächzt sie, als sie wieder auf die Menschen in der Röhre sieht, "Diese Termine nehmen mir bald meinen letzten Atem, statt zu helfen."Mitleidig beobachte ich ihr gealtertes Gesicht, dass keuchend nach Atem ringt. Jordans Gesichtsausdruck sieht nicht unbedingt anders aus. Für den Moment jedenfalls. Man sieht ihm die ganze Sorge an und er hatte schon mal erzählt, dass er seine Mutter seit langem nicht mehr wieder erkennt. Doch er überspielt es schnell. "Mom? Ich..will dir jemanden vorstellen." fängt er krächzend an und schiebt mich mit einem halben Lächeln vor, weil ich mich hinter ihm versteckt habe, ohne von der Hand abzulassen. "Das ist Haley. Wir sind seit einiger Zeit zusammen." Einen Moment öffnet er den Mund wieder, doch schließt ihn, als würde er die Worte zurückhalten wollen.
Jetzt sieht sie mich doch wieder an und scheint nun doch überrascht zu sein, was mich schlucken und ein sanftes Lächeln auf meine Lippen bringen lässt. "Schön sie endlich kennenzulernen." Mit einer schwachen Bewegung versucht sie sich die verworrenen Strähnen mit ihrer straßenköter blonden Farbe vom blassen Gesicht zu streichen, bevor sie mit erhöhter Braue zu Jordan sieht. Er braucht wohl einen Moment, doch grinst auf, wobei ich schwören könnte, eine Nervosität darin zu erkennen.
Er zieht an meiner Hand, um mich vor ihn zu stellen und die freie Hand auf meine linke Schulter zu legen, während sein Kopf sich neben meinen bückt. "Sie ist mir sehr wichtig, Mom." meint er weich und obwohl die Worte nicht direkt an mich gerichtet wurden, lässt es mich wohlig und angespannt zu gleich fühlen. Doch bei ihr löst es auch eine Reaktion aus. Pures Entsetzten. Jedoch im positiven Sinne, als würde sie es nicht glauben. "Sie könnte die Eine sein." fügt er noch hinzu, was sie überrumpelt aufsetzen lässt und die Bewegung war eigentlich zu schnell, wenn man an ihre Verfassung eben denkt. Auch ich erstarre und spüre, wie ich momentan rot werde. Das hat er noch nie so direkt gesagt. Und bis eben hatte ich noch gedacht ihn enttäuscht zu haben. Vielleicht sollte ich seine Reaktionen nicht immer so zu Herzen nehmen.Zitternd krallt sie sich an den Rand der Couch und sieht mich noch gebannt an bevor sie ihn ungläubig anstarrt. "Ist das wirklich wahr oder spielst du mit mir?" fragt sie leise und Jordan kichert peinlich berührt.
"Ich meine es ernst. Sonst hätte ich sie dir jetzt nicht vorgestellt." Seine Hand rutscht von meiner Schulter zu meinem Nacken, wo er mich leicht packt.
Ich lächle schüchtern, als sie mich wieder mustert. "Es tut mir Leid, dass ich mich erst jetzt vorstelle. Ich..ich war einfach zu nervös." Doch ich weiß nicht einmal, ob sie mich durch ihren Schock überhaupt gehört hat. Für einige Sekunden vernehme ich Tränen in ihren Augen und Jordan wohl auch, denn er spannt sich an und scheint sich zurück zu halten zu ihr zu gehen. Tastend sucht sie um sich auf der Couch, bis sie ihre Handtasche ergreift und einen kleinen Behälter rausnimmt, der so wie viele hier aussieht. Es ist eine einzelne Tablette, die sie aus ihm raus holt und Jordan um ein Glas Wasser bittet.Ohne zu warten geht er der Bitte nach und ich lege die Hände ineinander, während ich das schlechte Gewissen wieder spüre.
Er wartet neben ihr, bis sie ausgetrunken und kräftig ausgeatmet hat.
"Ich..Ich hoffe ich kann ihnen in Zukunft mehr helfen. Jordan hatte mir schon erzählt, was passiert ist und es tut mir Leid, dass sie da durch müssen."
Kurz sieht sie mich an, doch winkt ab. "Das ist nicht euer Problem. Aber Danke. Ich wünschte nur, es wäre hier aufgeräumt."
Ich merke den schuldbewussten Blick von Jordan darauf. "Alles gut! Sie...Sie können ja nicht wirklich etwas dafür. Aber ich kann das jetzt kurz machen, wenn sie wollen." biete ich an und trete mit geöffneten Armen vor. Es beißt an mir, ihnen nicht zu helfen und wirft mich schon fast in einen Pool aus schwarzer Masse, die mich zu verschlingen droht. Ich kann nicht dabei zusehen, wenn jemand leidet. Erst recht nicht, wenn es zu unrecht ist.
Doch sie sieht mich mit großen Augen an und schüttelt kräftig den Kopf. "Lass nur. Das musst du nicht tun."
"Genau, Haley." begegne ich Jordans verwirrten Blick, "Es ist nicht deine Aufgabe. Außerdem müssen wir gleich schon los."
"Trotzdem kann ich doch wenigstens etwas machen." meine ich erschrocken, doch er seufzt nur.Wortlos schleift er sich zu mir und humpelt nicht, damit seine Mutter nicht Wind von dem bekommt, was ihm wiederfahren ist. "Komm' sie braucht nach dem Termin sowieso ihre Ruhe." Doch geht noch in sein zimmer um unsere Winterjacken zu holen.
Den Moment nutzend sehe ich wieder zu seiner Mutter, die ihre Augen nicht von mir nehmen kann. "Mir ist egal, was ihnen Jordan sagt. Ich will wirklich helfen. Also sollte irgendetwas nicht stimmen, können sie gerne zu mir. Zu jeder Zeit."Sie antwortet darauf nicht, sondern sieht mich einfach nur gebannt an, als auch Jordan schon erscheint und mich ohne abzuwarten in die Jacke steckt.
"Ich werde spät Zuhause sein Mom." murmelt er noch und zieht mich schon hinaus in die kalte Luft, während ich nur hinterher winken kann.Ohne etwas zu sagen zieht er mich die Straße runter, bis er sich etwas weiter abrupt umdreht und mich fest in dir Arme nimmt. Erst nachdem ich kurz darauf erwidere spricht er. "Du bist echt peinlich weißt du das?"
"Was? Wieso ich?"
"Weil ich diese Sache so beiläufig wie möglich halten wollte. Einfach nur zeigen, dass du keine schnelle Sache für mich bist, ihr euch seht und Bye. Aber du hast es in dieses kitschige Beziehungsszenarion geschoben, was ich hasse. Ich hasse es so schon, wenn Dinge zu emotional werden und du.." murmelt er zuende.Ich kann jedoch nichts äußern. Nur kichern, während ich mich so gut es geht an seinen breiten Oberkörper schmiege.
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Irresistible
Teen FictionEs dauert lange bis sich Haleys Weg wieder mit seinem kreuzt, doch wie es das Schicksal will, lernt sie alleine seinen Namen erst durch seine Verfeindung mit ihrem Bruder kennen. Seine Reaktion jedoch, als er sie sieht, ist überraschend und es folgt...