Kapitel 47

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Mit mulmigen Gefühl stelle ich mich kaputt vor den Spiegel. Mit meinen pastel rosanen Shorts und weißen Oberteil habe ich eigentlich dasselbe Pyjama an, wie gestern. Meine Haare sind genauso verwuschelt, wie gestern. Aber mein Gesicht sieht viel schlimmer aus, als gestern. Bei dem Gedanken, mich jetzt für die Schule fertig machen zu müssen, wird mir übel vor Nervosität.

Ich wasche zuerst mein Gesicht und versuche wenigstens einige Bissen beim Frühstück hinunter zu bekommen. Und erst, als ich mich fertig angezogen habe, setze ich mich vor meinen Spiegel mit dem Handy in der Hand, dass ich gestern auf Flugmodus gestellt habe, sobald ich nicht nur von Jojo und Ren ausgefragt wurde, sondern auch Fremde mich auf Instagram kontaktiert haben. Jetzt atme ich tief durch und schalte es wieder an, nur um im nächsten Moment mit Nachrichten überhäuft zu werden.

Mein Herz fängt vom Schock an zu rasen und ich überfliege die meisten eher flüchtig. Wie erwartet, hat alles mit Jordan zu tun. Einiges sind nur leichte Annäherungen von denen, die nur neugierig sind, andere wollen ihre Eifersucht an mir auslassen, indem sie mich bis aufs übelste beleidigen und die anderen bezeichnen mich als Enttäuschung oder Absturz. Ihr kennt mich doch alle nicht mal! Mit zusammengepressten Lippen stecke ich das Handy weg und sitze da. Unwillkürlich wandert mein Blick in den Spiegel, wo ich mir in die grünen Augen sehe. Ich bin noch lange kein Flitchen, wie sie behaupten. Ich habe nichts gemacht. Also sollte ich mich von all diesen Nachrichten nicht beeinflussen lassen.

Und doch merke ich eine unangenehme Leere im Inneren, die mich schwer schlucken lässt. Mein Herz pocht jetzt nicht mehr so schnell, dafür schmerzhaft doll. Als würde es zerdrückt werden. Tief durchatmend greife ich nach dem Make-Up und versuche meine Routine schweren Herzens weiter zu machen, obwohl mir jegliche Motivation dazu fehlt.

Als Nate an meiner Tür klopft, um mich mit leiser Stimme runter zu holen, bin ich nicht mal mit der Hälfte fertig. Doch stehe trotzdem auf und schnappe mir meinen Rucksack. Ich schaffe das. Das wird genauso sein, wie die Wochen zuvor. Nur, dass ich noch mehr Augen auf mir haben werde, als sonst, und vielleicht mehr Hass verspüren werde. Aber egal. Das wird schon.

Jedoch fühlen sich meine Beine ab der Treppe taub an und ich muss mich mühselig am Geländer festhalten, während ich die Stufen hinabgehe. Oh gott, ich werde immens nervös. Selbst meine Finger zittern. Ich bin daran nicht gewohnt. Ich werde im Mittelpunkt stehen und das hasse ich. Mir bricht der Schweiß aus, wenn ich nur daran denke. Und wenn einem bewusst wird, dass es auch noch eine schlechte Art von Aufmerksamkeit ist, dann macht es einen nur viel nervöser. Alleine, wenn ich an den Moment zurück denke, wo fast jeder auf dem Hof mich angestarrt hat, wird mir schlecht. Ich konnte nicht mehr denken, nicht atmen. Es war, als wäre ich nackt und durchschaubar. Jemand, der keine Privatsphäre mehr besitzen würde. Es war grässlich. Und das werde ich doch auch heute durchmachen müssen, oder? Abrupt halte ich bei den letzten Stufen an. Scheiße, ich kann das nicht nochmal. Es war gestern schon schlimm. Wie soll ich das auch heute schaffen? Gar nicht. Ich will nicht.

Panisch sehe ich zu Nate, der mich besorgt beobachtet. "Ich kann nicht." hauche ich und er legt seinen Rucksack darauf wieder zu Boden, um mich bei den Schultern zu nehmen.

"Haley, du überlegst wieder zu viel. Das ist nichts. Alles ist gut."

"Nein, ist es nicht. Sie hassen mich. Ich glaube, ich werde vorerst Zuhause bleiben. Ich will da nicht hin."

Er sieht mich mitfühlend an. "Irgendwann musst du dich dem aber stellen. Das weißt du, oder?"

Ich nicke. "Aber nicht jetzt."

"Alles gut bei euch?" kommt Mom um die Ecke, die auch bald zur Arbeit muss. Etwas zu verschreckt sehe ich sie an doch nicke wieder.

"Ich-..Ich fühle mich nur nicht so gut. Ist es okay, wenn ich Zuhause bleibe?"

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