Ein letztes Mal gehe ich meine Liste im Kopf durch, die alles aufzählt vor dem ich Jordan noch warnen wollte, bevor er meine Großeltern trifft. Aber eigentlich sollte ich nichts vergessen haben.
Und doch wird mein Griff um seine Hand fester, als wir uns dem Haus nähern. Auch Jordan ist erstaunlich ruhig geworden. Und es ist nicht seine typische stumme Art, sondern, weil ihn etwas beschäftigt. Sein Gesichtsausdruck ist auch angespannt, während er den Kiefer mahlt.
Sobald wir auf den Weg einbiegen, der zu der Villa hinaufführt, sehe ich, wie er kurz die Augen schließt, als würde er soeben einer seiner größten Enttäuschungen im Leben haben, und ich verziehe besorgt das Gesicht. "Bist du wirklich okay damit?" frage ich leise und sein Kopf schallt zu mir.Einen Moment meine ich Trauer in seinen Augen zu erkennen, die mich unheimlich hinunterzieht, doch er nickt nur und fährt sich durchs Gesicht, um seine typische stramme Miene aufzusetzen. "Alles gut, Baby."
Doch während wir die Veranda hinaufsteigen merke ich wie er sich wieder anspannt. Dabei bin ich diejenige, die heute andauernd in einem so großen Gefühlschaos geschmissen wird, dass ich verrückt werden könnte. Jordan hat es vielleicht nicht so schwer seine Mutter zu überzeugen, dass ich diesmal wirklich nicht einen von den Mädels bin, die ihn (beziehungsweise er sie) ausnutzt - auch wenn er meinte, es wird noch mehr als das auf sich nehmen -, aber meiner Oma das jetzt beizubringen wird wohl um einiges schwerer werden. Ich bekomme wieder Panik vor dem, was sie am Ende sagen könnte, während ich die Hausklingel betätige und die neue Tür ansehe, die nach dem Einbruch als Ersatz gilt. Was, wenn ich sie enttäusche, nachdem sie so viel Vertrauen und Stolz in mich gepackt hat? Sie klang zwar wie erwartet glücklich am Telefon, als ich von meinem Freund berichtet habe, und es könnte genau die Ablenkung sein, die ich für sie gestalten wollte, aber was, wenn das nach hinten geht? Am Ende ist sie noch viel aufgelöster, als sie es jetzt schon ist.Die Tür wird elegant geöffnet und ich merke, wie ich den Atem anhalte, bis ich ihr schwaches Lächeln sehe. Für einen Bruchteil sieht sie auf unsere ineinander verschränkten Hände, dann wieder zu Jordan, was ihren überraschten Ausdruck nur umso deutlicher zeigt.
Ich glaube, dass ist jeder, der eine so große und breite Person wie ihn sieht. Egal, wie oft.
"Du musst Jordan sein." streckt sie die Hand entgegen, die er mit höflichen Worten entgegen nimmt. Ich bin schon fast benommen, weil ich nie gedacht hätte, dass ich mal in dieser Situation sein werde. Es war immer wie ein tief verankerter Wunsch, der jedoch nie erwartet hätte, höher, als in die Träume zu gehen. Und doch merke ich das veränderte Auftreten meiner Oma.
Während sie normalerweise immer einen kleinen energischen Schwung in ihrer Art hat und ein bezauberndes Lächeln, ist sie jetzt eher ruhiger und kommt eingenommen herüber. Es zeigt, wie sehr sie dieser Überfall mitnimmt und es löst einen dumpfen aber immensen Schlag in mir aus, der mir glatt die Luft zum atmen nimmt. "Kommt rein. Das Essen ist sogut wie fertig." versucht sie zu trällern, doch bringt es nicht so einnehmen herüber, wie sonst immer.Während wir ihr folgen und sich die Sache, wie ein absurdes Déja-vu anfühlt, riskiere ich einen schiefen Blick auf Jordan. Doch statt sich wirklich umzusehen und sich von allem überfordert zu fühlen, wie erwartet, wandern seine Augen einfach nur kurz die Gegend mit steinernden Gesicht ab.
Ermutigend drücke ich seine Hand und er sieht tatsächlich zu mir runter, als ich näher komme, aber mein aufmunterndes Lächeln fährt in keinster Weise auf ihn über. Er wirkt zwar nervös, aber die Kälte und Anstrengung in seinem Gesicht, die er vor meiner Oma versucht zu verbergen, lässt mich traurig zurück. Ich will nicht, dass er sich so fühlt. Dazu hat er keinen Grund."Die Köche bringen uns gleich das Essen und weil ich ja unter gegebenen Umständen mehr Zeit hatte, dieses Zusammentreffen zu planen, habe ich uns einen köstlichen Wein kalt stellen lassen." erzählt sie, als wir uns dem glorreich gedeckten Esstisch in der Mitte des Raumes nähern. Mit Leichtigkeit entnimmt sie die teure Flasche aus dem mit Eis gefüllten Eimer und hält sie sich mit dem alten triumphalen Lächeln neben dem Gesicht, bevor sie anfängt auszuschenken.
Dankend nehmen wir entgegen und stoßen an. Und während ich schon an den bitteren Geschmack gewohnt bin, entgeht mir nicht Jordans konfuser Blick neben mir, als er den Wein gedankenverloren anstarrt. Er mag Wein gar nicht. Und das hat er oft genug gesagt, weshalb seine Schlücke auf der minimalsten Größe bleiben.
"Also Jordan, ich weiß eigentlich noch gar nichts über dich und wollte es mir für den heutigen Abend aufbewahren. Erzähle mir etwas von dir."
Kurz räuspert er sich, doch sieht sie besonnen an. "Ich bin 19 und habe ihre Enkelin in der Schule kennengelernt, auf die wir gehen." kurz erstillt er und ich weiß, dass er nach etwas sucht, dass er über sich erzählen kann. Er meinte schon, dass es nichts gibt, was ihn Interessant machen könnte, aber ich habe ihn besänftigt und meinte, dass es nicht so schlimm ist, während ich einfach Hoffnung darauf gelegt habe, dass meine Oma nicht zu hart auf ihm sein wird. "Ich bin seit jungen Jahren sehr sportorientiert und finde es wichtig, in Form zu bleiben."
"Ja, das sieht man dir an." kichert sie knapp und nimmt einen Schluck aus dem Glas, ohne ihren Blick von ihm zu nehmen. "Dann bist du bestimmt auch ein richtiger Handwerker, oder?" Unerwartet nimmt sie seine Hand und begutachtet sie. "Du hast auch richtige Arbeiterhände. Rau und groß."Etwas verwirrt zieht er die Brauen zusammen und kann das Stottern am Anfang nicht unterlassen. "J-ja. Schon. Mit dem richtigen Material kann ich Dinge bauen oder reparieren. Aber oft kommt das nicht vor."
"Das ist doch sehr gut! Die meisten im euren Alter können nicht einmal beim Einkauf anpacken. Hier, frag ihren Bruder. Der einzige Sport, den er betreibt ist Knöpfe auf seiner Tastatur zu drücken. Da bist du schon weit aus überlegener!"
Mit erhobenen Brauen sehe ich zu Jordan und vernehme ein ernst gemeintes Lächeln des Triumphs bei ihm. Wahrscheinlich nicht unbedingt, weil er bei ihr gepunktet hat, sondern weil er soeben erneut bewiesen hat, was für ein Weichei mein Bruder ist, während niemand gegen ihn selbst eine Chance steht. Und obwohl es mich ihn perplex anstarren lässt, kann ich mir das kleine Lächeln nicht unterdrücken."Haley hatte mir schon erzählt, dass sie dich aus bestimmten Gründen vor ihrer Familie geheim halten will - und ich sehe auch wieso- "lacht sie, "aber ihren Bruder kennst du bestimmt, oder?"
Kurz sieht er verstohlen zu mir, weil er weiß, was mir jetzt im Kopf schwirrt, und nickt dann kräftig. Ich habe das mit Nate bisher nicht mehr angesprochen und habe das um ehrlich zu sein bei allem total vergessen, aber ich spüre einen schwachen und dennoch tiefen Stich in mir, als ich mich erinnere, was er damals als Grund angegeben hat, wieso er Nate überhaupt angegriffen hat. Ich merke, wie ich ihm das tief im Inneren nicht wirklich verziehen habe. Er bereut es ja immer noch nicht komplett.
"Und was machst du sonst in deiner Freizeit?"
"Oh....ich-Ehm,..ich hänge gerne einfach mit meinen Freunden ab und spraye gern."
Darauf macht sie einen überraschten Eindruck und ich reiße mich aus meinen Gedanken, um die Situation zu retten.
"Ja, aber auch nur an bestimmten Orten. Und er macht wirklich gute Bilder. Die musst du mal sehen."
DU LIEST GERADE
Irresistible
Teen FictionEs dauert lange bis sich Haleys Weg wieder mit seinem kreuzt, doch wie es das Schicksal will, lernt sie alleine seinen Namen erst durch seine Verfeindung mit ihrem Bruder kennen. Seine Reaktion jedoch, als er sie sieht, ist überraschend und es folgt...