Kapitel 106

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Meine gesamt Energie staut sich mit einem Mal in mir auf und ich schnappe mir meinen Rucksack, bevor ich die Tür aufreiße. Dabei ist mir bewusst, dass ich ruhig bleiben sollte, während ich die Treppe runter flitze. Ich weiß immer noch nicht, was die Wahrheit ist. Aber gleich wird er sie mir erzählen. Abwarten werde ich es nicht können.
Und doch drängt, zieht, alles in mir, weil ich so schnell wie möglich wissen will, was er dazu zu sagen hat.
Erst, als ich die Haustür aufreiße, hört das Klingeln auf und Jordan steht aufgeblasen dort. Doch sobald er nach mir greift springe ich schon fast nach hinten, während ich meine Wut zu kontrollieren versuche. Dabei spüre ich Mitchel hinter mir. Mit verengten Augen sehe ich die Person im Türrahmen an. Seine Brauen sind grimmig zusammengezogen und meine Reaktion hat ihn zum knurren gebracht.
"Ich glaube, du hast mir etwas zu erzählen." wispere ich angespannt.
Fragend hebt sich seine Braue. "Ich? Wohl eher du, wieso du alleine mit ihm hier bist." knurrt er und gibt Mitchel hinter mir einen stechenden Blick. Und kurzzeitig wirkt er geschockt. "Er hat etwas angestellt, oder?" Nun fallen seine Augen auf mich. "Was habt ihr gemacht, he?" wird er deutlich aggressiver und tritt so nah an mich heran, dass mein Herz vor dem Bullen laut aufschlägt. Doch ich bleibe standhaft.
"Jordan, du hast mich angelogen." zische ich gegen seinen lodernen Blick. Bevor er etwas sagen kann, rede ich weiter. "Du wusstest, dass die Rander das Haus meiner Großeltern ausgeraubt haben."
Mit einem Mal, verraucht der Großteil seiner Wut und er hört auf, auf mich niederzustarren. Das zeigt genug und etwas fällt mir vom Herzen, dass eine erdrückende Leere in mir zurücklässt. Es war wohl meine Hoffnung an ihn. "Du hast mich eiskalt angelogen, als ich dich danach gefragt habe." sage ich leise.

Einen Moment starrt er mich an, bis sich seine Brauen zusammenziehen und sein Blick zu Mitchel schallt. "Du hast es ihr erzählt, oder?" knurrt er und tritt näher, doch ich drücke gegen seine Brust, auf das er reagiert.
"Nur, weil mein Freund, dem dem ich vertraut habe, es mir nicht anvertrauen konnte." presse ich hervor, während ich ihn zurück dränge. "Wie konntest du das zulassen?" piepse ich und spüre Tränen in meinen Augen. Die ganze Zeit dachte ich, dass ich ihn mit meinen Fragen verletzt habe und mir Vorwürfe gemacht. Dabei hat er das alles nur vorgespielt.

Mit strammen Blick sieht er mich fast emotionslos an. "Weil du es nicht wissen musstest." brummt er.
"Sie sind meine Großeltern!"
"Na und?! Als ich das erfahren habe, war es eh zu spät. Ich kann es nicht rückgängig machen, Haley! Ich hab' mich mieserabel gefühlt. Aber es hätte nichts gebracht, es dir zu erzählen. Es hätte dich nur aus der Bahn geworfen. So wie jetzt!" wird er lauter.
"Du hättest es mir sagen sollen! Auch wenn du es davor nicht wusstest, du hättest es einfach beichten sollen."
"Damit du es deinen Großeltern erzählst, oder was?! Sie hätten mich sofort der Polizei ausgeliefert, hätten sie erfahren, was ich gemacht habe. Dich geht soetwas gar nicht erst an. Es ist mein Geschäft, verstanden?"

Fassungslos starre ich ihn an. "Es geht mich nichts an?" hauche ich tonlos, während meine Arme an meinen Seiten sich taub anfühlen. Und nicht nur das. Es ist als, würden sie obendrein noch schwer werden und mich zu Boden ziehen.
"Nichts." flüstert er gepresst. Das Aschblau ist durch die Schlitze nicht mehr auszumachen.
"Du warst selbst dabei, oder?" kommt es schwach von Mitchel und ich sehe über die Schulter geschockt zu ihm.
"Halte du die Fresse. Dich nehme ich mir gleich vor, weil du es ihr-"  "Warte es stimmt?" kreische ich fast und sehe ihn mit großen Augen an.
Versteift fährt sein Blick auf mich ab. Die Schuld in seinen Augen reicht aus, um mich fühlen zu lassen, als wäre ich in zwei Teile gebrochen worden. So hatte ich das nicht einmal gesehen. Das ist schlimmer als ich dachte. Und es lässt mich so schlimm fühlen, wie schon lange nicht mehr. "Du warst dabei, als sie ausgeraubt wurden. Du warst einer der Einbrecher." hauche ich, als würde ich es mir selbst klar machen müssen.

Seine angespannt Schultern fahren runter, als er sich zu mir dreht und mich bei den Schultern nehmen will, aber erneut springe ich nach hinten, während ich ihn geschockt anstarre. "Du hast es ihnen angetan. Wegen dir geht es meinem Opa schlecht." schwillt meine Stimme an. "Du hast mich verraten."

Alles bricht über mir zusammen während ich in seine verletzten Augen sehe. Es ist, als wäre mein gesamtes Leben nur noch gähnende weiße Leere. Er hat mir alles genommen.
Im nächsten Moment spanne ich mich schmerzhaft doll an und forme die Hände zu Fäusten an.
"Ich will dich nicht mehr sehen." zische ich, "Kapiert? Du sollst abhauen!"
Erschrocken weiten sich seine Augen und er streckt seine Hand wieder nach mir aus. "Haley,-"  "Spar es dir, Jordan!" strecke ich den Finger drohend aus. "Du bist zu weit gegangen."

Es nicht mehr aushaltend stürme ich aus dem Haus, doch stoppe auf der Veranda und trete wieder zur Türschwelle, um ihn erzürnt anzusehen. "Wenn du es wagst, Mitchel ein Haar zu krümmen oder auch nur in meine Nähe zu kommen, hetze ich dir die Polizei an den Hals, kapiert?" presse ich wütend hervor und stampfe nun wirklich so schnell ich kann weg. Dabei ist er nicht der Einzige, dem diese Worte so sehr weh getan haben, dass er am Boden zerstört ist.

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