Kapitel 12

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----------------5 Monate rückblickend---------------

In der Ferne höre ich Hunde bellen und wie ein Glas zersprengt. Verängstigt ziehe ich meinen Mantel enger um mich und verschnellere meinen Gang. Irgendwie scheint in der heutigen Nacht mehr los zu sein, als sonst. Aber ich versuche es alles zu ignorieren und denke nur an den Moment, an dem ich endlich Zuhause bin. Was ich auch noch nie erlebt habe, ist, dass ich mich plötzlich sicherer fühle, sobald ich über die Straße bin und an den dunklen versufften Blockhäusern entlanglaufe, die fast gleich neben meinem Haus anfangen.

Als jedoch ein lauter Krach aus einer der engen Gassen zwischen diesen Häusern ertönt schrecke ich kreischend zusammen und sehe mit großen Augen in das Dunkle. In solchen Momenten rennt man normalerweise weg, doch ich bin wie paralysiert und vernehme eine Regung. Doch als ich jemanden bei ungekippten Mülltonen kriechen sehe, lasse ich die Schultern sinken und schaue eher verwirrt in die Richtung. Die Silhouette eines Mannes ist zu erkennen, die sich windet und versucht den Kopf zu heben. Als er auf meine Worte nicht reagiert, werde ich panisch und nähere mich ihm,sobald ich finde, nicht in Gefahr zu sein.

"Sir, was ist passiert?" frage ich und hocke mich zu ihm. Er brummt nur etwas von "Wo bin ich?" und versucht sich wieder aufzusetzen. Erst jetzt merke ich, dass es ein Jugendlicher ist. Ich helfe ihm schnell und merke, dass er blutverschmiert ist.

"Oh gott, was hast du? Du sieht schrecklich aus. Keine Angst, ich rufe einen Krankenwagen.", doch als ich mein Handy entsperre schlägt er es mir plötzlich in einer wirren Bewegung aus der Hand und meint, ich soll niemanden holen und ihn einfach in Ruhe lassen. Große Worte für jemanden, der gerade wie am Sterben aussieht. "Du brauchst Hilfe." sage ich noch, aber er schüttelt nur den Kopf und fängt an die Wand langsam entlang zu schlittern, um sich auf die Seite zu legen. Er ist doch verrückt. Ich kann ihn nicht einfach hier lassen. Vielleicht werden meine Eltern helfen können, aber ich weiß, dass sie sofort die Polizei rufen würden. Jedenfalls Dad. Und das ist etwas, dass er wohl vermeiden möchte.  Außerdem schlafen alle schon und Nate zu wecken würde nur in Chaos enden.

"Hey. Hey!" sage ich ruhig und schlage ihm vorsichtig auf die Wange, um ihn wieder zu mir zu holen. "Du kannst hier nicht schlafen. Steh auf." Er grummelt nur genervt und muss husten, was ihn unter Schmerzen winzeln lässt.

"Komm schon steh auf. Ich werde dir helfen." sage ich und greife seinen einen muskulösen Arm, um ihn hochzuziehen. Er grummelt weiter und weigert sich, aber ich gebe nicht auf und lege ihn um meine Schultern, um noch mehr Kraft zu verwenden. Endlich macht er ein wenig mit und richtet sich unter Mühe auf. Doch sobald er steht klappt er kurzzeitig zusammen und ich werde unter seinem Gewicht fast erdrückt. Diese Situation ist nicht nur eigenartig, sondern macht mir auch Angst. Dieser Typ ist sehr kräftig und breit. Jemand den ich normalerweise versuchen würde zu meiden. Erst recht, wenn er sich in Orten wie diesen aufhält. Und jetzt lasse ich mich freiwillig von ihm überragen und umarmen. Meine Eltern würden ausrasten, wenn sie wüssten, was ich um diese Uhrzeit noch mache, aber das folgende, dass ich tun möchte, würde meinen Tod besiegeln, wenn sie davon erfahren würden.

"Hey, ich brauche noch deine Kraft. Alleine schaff ich das nicht." keuche ich gedrückt und drücke ihn hoch, "Versuche noch ein wenig durchzuhalten." Ich versuche einen Schritt zu machen und es dauert bis meine Worte zu ihm durchdringen und er auch einen tätigt. Bei jedem Schritt stöhnt er auf, auch wenn er sich dabei ziemlich viel Zeit lässt. Deshalb dauern es mehrere Minuten für einen Weg, den ich normalerweise in nicht einmal einer halben Minute zurücklege.

Die zwei Stufen zu unserer Veranda verlaufen anstrengend und während ich mir einen abkämpfe, ihn irgendwie gegen die Wand zu lehnen, um die Haustür öffnen zu können ohne ihn umfallen zu lassen, wird mir klar, was uns beiden gleich noch bevorsteht. Ihn reinzuziehen und die Tür hinter uns leise zufallen zu lassen beschert mir nicht so viel Stress, wie der Blick, den ich darauf auf die Treppe werfe. Dieser Typ hat so schon Schwierigkeiten bei sich zu bleiben und wiegt gefühlt eine halbe Tonne, es wäre ein Wunder beim aufsteigen nicht zu fallen und somit alle zu wecken.

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