Ungewöhnlich ruhig schließt er die Tür hinter sich, bevor er wieder fest zu mir sieht. Er räuspert sich. "Was hatte die Sache heute zu bedeuten? Mit Jordan."
Seine Stimme ist zwar ruhig, aber ich höre die unterdrückte Spannung und muss nervös schlucken. "Ich-..Ich weiß nicht. Es..." Mein Versuch es zu erklären scheitert. Ich kann es einfach nicht. Mein Herz sticht vor schlechtem Gewissen. Wie soll ich ihm das erläutern? WO soll ich anfangen?
Nach der Stille fängt er wieder an. "Also ich weiß nicht, wie du so ruhig bleiben konntest, als er das getan hat. Bist du sehr geschockt?" Etwas verwirrt sehe ich ihn an, doch nicke einfach, "Ich sag doch, dass er der behinderste Idiot auf Erden ist. Du hättest ihm eine schellen sollen. Der weiß nicht, wo seine Grenzen liegen. Der denkt, er kann alles tun und lassen! Er ist doch mit Mitchel befreundet, richtig?" Wieder nicke ich nur. "Deshalb war er bei euch." seufzt er und sieht zur Seite. Er setzt sich zu mir aufs Bett und weiß wohl selbst nicht so genau, was er sagen soll, "Vielleicht ist er durch Mitchel auf dich aufmerksam geworden. Wahrscheinlich wollte er dich nach der Sache mit mir nochmal extra provozieren oder hat dich verwendet, um mich aufzuregen. Wer weiß, was in diesem Irren abgeht." murmelt er gedankenverloren und ich mache große Augen. Er denkt also, dass war nur eine Provokation Jordans? Er hat keinen Verdacht, dass ich mit ihm Kontakt haben könnte? Alleine diese Realisation lässt mich erstarren. Er ist zu sehr auf Jordans Charakter konzentriert, als dass er sich etwas tieferes als das ausdenken könnte. "Sorry, dass du da so mit reingezogen wurdest. Jetzt ist in der Schule die Hölle los." raunt er und knetet sein Finger.
Wieso entschuldigt er sich?! Er soll sich doch nicht entschuldigen! Verdammt, hör' auf mir ein schlechtes Gewissen zu geben. "Du hast keine Schuld an der Sache, ok? Es ist alles ok." werde ich wacher und rücke näher zu ihm.
"Irgendwie schon. Wieso würde er das sonst machen?" Der Blick, den er mir gibt, droht mich zu zerdrücken. Trotzdem kann ich nichts offenbaren.
"Wer weiß das schon? Du hast die ganzen Gerüchte über Jordan gehört. Er hätte das bestimmt auch gemacht, wenn ein anderes Mädel da gewesen wäre. So ist er nun mal. Niemand denkt mehr an die Sache von euch beiden. Er sowieso nicht." Kurz sieht er überlegend zur Seite. Im Moment bin ich zum ersten Mal wirklich wütend auf Jordan und empfinde sogar einen leichten Hass, den ich bei ihm bisher nie empfunden habe. Aber andererseits ist da auch die andere Seite. Die Seite, wo ich weiß, sie wird nicht lange wütend sein können. Die ihn immer noch irgendwie mag. Auch wenn sie etwas eingeschränkter ist, als noch vor einem Monat. Ich fühle mich einfach nur verloren.
"Da hast du recht." brummt Nate plötzlich und reißt mich aus den Gedanken, "Aber er ist zu weit gegangen." Seine Hände auf den Knien werden zu Fäusten. Darauf steht er auf und möchte gehen, aber ich halte ihn auf.
"Was hast du vor, Nate?"
"Was wohl? Mir eine Rache überlegen." dreht er sich zu mir. Ich schnaube nur und kann mir das hämische Lächeln nicht unterdrücken.
"Erinnerst du dich an deine letzte 'Rache'? Die ist ganz schön schief gelaufen.."
"Diesmal überlege ich mir aber was. Der Typ kann nicht einfach davon kommen. Du wirst jetzt erstmal nicht normal zur Schule kommen können! Nur wegen diesen blöden Lästerern, die dich nur fertig machen wollen." wird er energischer.
"Wow, danke für den Mut, Nate..." gebe ich sarkastisch von mir.
"Tut mir Leid, aber es ist so. Scheiße!" zischt er und sieht weg.
"Das ist egal. Ich will, dass du nichts machst. Das ist meine Angelegenheit. Also lass' es einfach."
Kurz sieht er mich fest an, bevor er einfach den Raum verlässt. Seufzend schüttle ich den Kopf. Der Typ hat auch eine Fantasie, die er nicht kontrollieren kann.
Mit dem Blick aus dem Fenster, festigt sich meine Einstellung. Ich muss es selbst regeln. Was, wenn das mehr zu bedeuten hatte, als gedacht? Ich muss ihn fragen.
Trotzdem rolle ich mich darauf zusammen und kann nicht aufhören, als an diesen Kuss zu denken. Jordan hat es schon wieder geschafft, sich in den Vordergrund meiner Gedanken zu zwängen und wird da wohl auch nicht so schnell wieder raus finden. Erschöpft atme ich aus. Da sind wir wohl. Zurück am Anfang..
Zum Abend hin sehe ich noch, wie Mitchel mich erneut versucht anzurufen. "Hallo?" nehme ich ab und höre zuerst nur ein erleichtertes Seufzen seinerseits.
"Man, hey. Geht's dir besser?"
Ich schnaube. "Wie man's nimmt. Aber schon, irgendwie."
"Du bist so schnell weggerannt. Ich mache mir Sorgen. Wieso hast du so reagiert?"
"Weil Jordan mich vor allen verdammten Schülern geküsst hat?? Das ist schon fast erniedrigend, Mitchel. Ich werde niemanden normal ansehen können, ohne ihre bewertenden Blicke zu sehen. Zusätzlich hatte ich Angst, dass mein Bruder davon mitbekommt. Hat er natürlich auch.." seufze ich.
"Wie war er drauf?"
"Er hat nicht in Betracht gezogen, dass ich mit Jordan in Kontakt sein könnte und denkt deshalb, dass er einfach nur der typische Arsch war, der ihm eins auswischen wollte. Aber war wütend auf ihn. Ich fühle mich so scheiße fürs lügen, Mitchel.."
"Nein, stopp. Das brauchst du nicht. Es ist nicht deine Schuld. Du magst uns doch, oder?" fragt er und ich bin kurz still.
"Ja."
"Na dann. Es ist deine Entscheidung, mit wem du befreundet bist. Mit wem du deine Zeit verbringst. Du musst nur lügen, weil du einen Streit vermeiden willst, der total unnötig wäre. Das ist nichts schlimmes, Haley. Zerstör' dir dafür nicht den Kopf." redet er sanft und ich atme tief durch. Wahrscheinlich hat er recht? Trotzdem fühle ich mich nicht groß besser. Ich sollte das erstmal lassen. Nate ist kein Hauptproblem mehr.
"Was ist mit Jordan? Weißt du, wieso er das gemacht hat?"
"Nein, gar nicht. Ich versuche ihn zu erreichen, aber seit der Sache ist er spurlos verschwunden." Wieder seufzt er. "Das kam auch total unerwartet."
"Und es macht alles komplizierter." raune ich gedankenverloren.
"Und das, ja. Und wie. Aber ich bezweifle, dass er sich dafür rechtfertigen wird. Er macht immer etwas unüberlegt und lässt den Schaden darauf unberührt, als wäre es nicht seine Schuld. Es wäre überraschend, wenn er mir überhaupt etwas dazu sagen würde.."
Für mehrere Sekunden sind wir ruhig, da wohl niemand weiß, was er über den Hörer sagen soll. Ich will auch irgendwie nicht mehr darüber reden.
"Das macht auch die Sache mit deinem Geburtstag komplizierter. Und zwar sieht es aus, als könnten wir ihn am Freitag bei Eric feiern. Naja, es ist eher eine normale Party, aber extra für dich an dem Tag veranstaltet." fängt er an und meine Augen weiten sich.
"Was? Ihr wollt das machen?" frage ich verwundert und setze mich auf. Auch noch bei Eric?
"Ja, wie gesagt. Es ist nicht direkt für deinen Geburtstag, weshalb auch so einige Fremde da sein werden, aber ich dachte, das ist besser als Nichts. Natürlich dürftest du dann ein Paar Freunde einladen."
Überrascht, dass sie sich darauf eingelassen haben, halte ich Inne. Irgendwie kann ich das nicht fassen. Noch nie hat jemand soetwas für mich gemacht.
"Das ist unglaublich. Danke, Mitchel. Das macht mich gerade happy." hauche ich schon fast und er kichert, was mich auflächeln lässt.
"Nichts zu danken. Ich will ja mit dir deinen Geburtstag feiern und die anderen wissen, dass du kein schlechter Mensch bist. Wenigstens bei dir wollen sie was richtig machen." lacht er und steckt mich damit leicht an. "Jedoch kommen wir somit auch zu dem jetzigen Problem..Die Jungs werden dort sein. Also theoretisch auch Jordan..." fängt er an.
"Ich weiß worauf du hinaus willst. Keine Ahnung, das geht bestimmt schon. Ich hoffe, ich kann die Sache dann mit ihm regeln oder was auch immer. Also wäre ich jetzt nicht beleidigt ihn dort zu sehen."
"Phu, ok, gut." meint er erleichtert. "Wie gesagt, lass dich von der Sache nicht groß beeinflussen. Du hast mich immerhin!"
Ich kichere und muss automatisch aus dem Fenster sehen, wo der Himmel schon fast dunkel ist. "Stimmt, ich versuch's. Danke."
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Irresistible
Teen FictionEs dauert lange bis sich Haleys Weg wieder mit seinem kreuzt, doch wie es das Schicksal will, lernt sie alleine seinen Namen erst durch seine Verfeindung mit ihrem Bruder kennen. Seine Reaktion jedoch, als er sie sieht, ist überraschend und es folgt...