Kapitel 94

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Aus Erleichterung fängt mein Körper nun vollends an auf das Geschehene zu reagieren und zittert wie verrückt, während mein Blick von den Häusern zurück auf Jordan fällt, der sich nun einige Meter weiter von mir auf den Hintern fallen lässt und zischend seinen Schenkel umgreift.
Im nächsten Moment begegnen sich unsere Blicke und meine Unterlippe fängt sofort an zu zittern, während ich mich mühselig wieder auf die Arme stütze. Auch er fängt an zu mir zu rutschen und krächzt ein leises: "Komm' her.", um mich darauf - sein Bein ignorierend - zu umarmen, während ich den Schock ausschluchze. "Wo hat er dich verletzt?" raunt er leise, während er mir über den Rücken streicht und das schmerzvolle Ächzen darauf nicht unterdrücken kann.
Teils geschockt, teils wütend, stoße ich ihn von mir und unterdrücke die Tränen. "Nirgends! Aber ich kann nicht fassen, dass sie dich diesmal so attackiert haben." keife ich und sehe missmutig auf die Stichwunde, aus der ein wenig Blut durch die blaue Jeans tritt. "Ich rufe diesmal den Krankenwagen. Sowas kann ich nicht mehr behandeln." krächze ich verzweifelt und bin dabei das Handy aus meiner Tasche zu ziehen, als er rasch die Hand darüber legt.
Mit gerunzelter Stirn hebe ich die Brauen und schniefe den Inhalt meiner Nase hoch, während seine Augen mir eisern zu verstehen geben, dass ich runterfahren soll. "Nein, keine Fremden. Sie wussten, dass ich das nicht machen würde, weil es mich nur in Schwierigkeiten bringen würde." Einen Atemzug hält er verkrampft inne, "Mann würde mich ausfragen und gerade habe ich echt keine passenden Lügen parrat. Sowas muss unter uns bleiben, Haley." raunt er ohne den Blick von mir zu wenden.
"Aber was machen wir dann? Du verblutest oder kriegst eine Infektion, wenn das nicht behandelt wird. Ganz geschweige von den ganzen Schlägen, die du einstecken musstest!" sage ich geistesverlassen und rücke ihm auf meinen Knien näher. Selbst wegen diesem behinderten Baseballschläger weiß ich jetzt schon, dass er viele von diesen blauen Beulen wieder haben wird. Ich kann nicht fassen, dass er sich sowas immer wieder stellt.

Einen Moment ist sein Brummen zu vernehmen, während er angestrengt versucht nachzudenken, aber man merkt ihm an, dass seine Konzentration wegen all dem gerade ganz schön eingeschrenkt ist. Ich versuche all die Fragen und Vorwürfe hinunterzuschlucken und bleibe für die Situation so gefasst, wie nur möglich. "Dann kann uns Mitchel abholen und wir nutzen seine Verbände. Nadeln können wir auch auftreiben." "Nein!" knurrt er darauf, doch muss wohl vom Gedanken angestrengt schlucken, "Mitchel wäre zu überfordert und dumm. Eric. Ruf' Eric an." spuckt er schwer hervor.
Der Schmerz scheint sich zu verschlimmern. Und obwohl mich mein blutendes Herz betäubt, schaffe ich es nach einer minimalen Pause das Handy aus der Tasche zu holen und Eric herzubestellen.

"Wie schlimm ist es?" frage ich irgendwann, während wir auf der Straße hocken und sein Atem abgehackter wird.
"Überleb' ich schon." krächzt er gereizt. Wieder ist es einfach nur still und ich würde mich gerne an ihn schmiegen, müsste ich nicht andauernd Ausschau nach Eric halten. "Geht es dir wirklich gut?"
Wieder fällt mein vor Stress ermüdeter Blick auf ihn und ich streiche ihm die Wange, worauf er nur bedingt reagiert. "Ja, alles bestens." krähe ich und presse die Lippen zusammen bevor ich die nächsten Worte hinzufüge, "Du hast dich gut geschlagen. Danke, dass du mir trotz ihrer Anzahl helfen wolltest."
"Sag' sowas nicht." brummt er vorwerflich, "Ich habe dir vorhin doch gesagt, das ich auf dich aufpassen werde, oder nicht?" Ich kann nur stumm nicken, während mein Blick hinunterfährt und ich ihn beruhigend durch die Haare streiche.

Erst, als Eric anfährt, entferne ich mich von Jordan und helfe so gut es geht, diesen zu den hinteren Sitzen zu verfrachten. "Ich hoffe für dich, dass niemand dieser Hausbesitzer aus dem Fenster geguckt hat und sich meine Nummer gemerkt hat." ertönt Erics tiefe Stimme, während wir einsteigen, "Hier." wirft er ein schwarzes handtuch zu uns, "Legt es unter das Bein damit kein Blut auf die Sitze kommt."
Mit angestrengtem Gesicht schiebe ich Jordans Hände zur Seite und lege es selbst in seine Position, solange Eric endlich aus dieser grässlichen Straße fährt.
"Also, versuchen wir das jetzt bei mir zu nähen?" fragt er seelenruhig.
"Nein, zuerst bringen wir Haley nach Hause." brummt Jordan erschöpft und ich sehe ihn geschockt an.
"Was?"
"Du kannst jetzt nicht helfen."
"Das kann ich wohl! Ihr werdet jetzt jede Mögliche Hilfe brauchen." protestiere ich.
Müde legt er den Kopf zurück und schließt kurz, den Schmerz unterdrückend, die Augen.
"Haley, ich sage dir: Nein." brummt er strenger und ich plustere mich auf. "Du kannst mir nur helfen, indem du sicher Zuhause bleibst." Er atmet tief ein und ich will schon wieder etwas sagen, als sich Eric zu Wort meldet.
"Ich glaube auch. Dass es das Beste wäre, Haley. Jordan weiß schon, was er macht. Wir kriegen das irgendwie hin."
"Heißt das, du weißt, wie man eine Wunde zunäht?" frage ich zitternd mit einem Hauch an Hoffnung, aber diese wird mir zerstört, als nichts mehr gesagt wird.
Besorgt fällt mein Blick auf Jordan, der sich so minimal wie möglich versucht zu bewegen, während ich Erics brennende Blick im Rückspiegel spüre.

Als wir schon in meine Straße fahren, streiche ich ihm schuldig den Schweiß von der Stirn. "Du hälst mich auf dem Laufenden, ja? Und gibst mir sofort Bescheid, wenn ich zu euch rüber kann."
Sein Kopf sakt zu mir und seine Augen beobachten mich genau aus nächster Nähe. Mit einem kaum merklichen Nicken, versucht er mich zu beruhigen, doch ich weiß jetzt schon, dass ich nicht still sitzen werde können, bis ich wieder bei ihm bin.
Sobald wir halten gebe ich ihm mit schwerem Herzen einen letzten flüchtigen Kuss und springe schnell aus dem Auto, damit sie sofort weiter fahren können.

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