Kapitel 56

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Unter der leichten Sonne gehe ich die große Veranda meiner Großeltern hoch und habe neben meiner Freude einen leichten Schwung an Angst, vor dem, was heute angesprochen werden mag. Tief durchatmend betätige ich die Klingel und beobachte die mir schon vertrauten Eingravierungen in der weißen Tür.

Nicht lange und Oma öffnet glücklich sprießend die Tür. "Hallo, Liebes." sagt sie beim umarmen, bevor sie mich hinein lässt. Dabei treten meine ledernen Mokassins auf den Marmorboden, dessen Erics Fließen sehr stark ähneln. Verdammt, keinen Gedanken an die Jungs verschwenden! Schnell wieder zu Oma lächelnd, folge ich ihr durch den großen Eingangsbereich vorbei an der Treppe durch den riesigen Durchgang weiter vor uns, der in den Wohnbereich führt. Als Kind war dieses Haus für mich wie ein großes Labyrinth. Alleine der Raum mit dem großen antiken Holztisch und dem Kamin umrandet von vielen Sitzmöglichkeiten und Vasen, ist fast dreimal so groß, wie das Untergeschoss meines Zuhauses. Inzwischen ist es jedoch so vertraut und teils angenehm, dass ich mich gut darin zurecht finde.

Vorbei an dem weißen Klavier gehen wir auf die fast komplett verglaste Wand zu, die den übertriebenen Garten präsentiert. "Ich habe gerade meine Alpenveilchen umgetopft und gieße sie noch schnell mit den Ließchen,bevor ich dir meine Aufmerksamkeit geben kann. Kannst du solange die Lemonade aus der Küche holen?" kommt es von ihr, während sie durch die geöffnete Glastür auf die Terasse tritt und zu dem ganzen Gartenkram und Pflanzen geht.

Weiter hinten entdecke ich meinen Opa, der auf dem Rasentraktor sitzt und mir zuwinkt. Lächelnd winke ich zurück, bevor ich mich wieder in den Wohnbereich drehe und an dem Klavier vorbeigehe, an dem ich als Kind immer meine Klavierstunden hatte. Entspannter atme ich durch und stecke die Hände in die hinteren Hosentaschen meiner schwarzen Jeans. Ich gehe durch den Bogen in den Chill- Breich mit einem gläsernen Tisch und weißen Couchen in der Ecke, der mit der Küche links um die Ecke verbunden ist.

Diese ist zwar auch hell eingerichtet, aber in diesem typischen Omastil, der mich zum schmunzeln bringt, weil sie es geschafft hat soetwas in ein modernes Haus zu stecken. Der große Krug steht schon gefüllt und somit bereit am Tresen. Ich fühle mich bei meinen Großeltern definitv ruhiger. Hier ist es immer friedlich und es war in den ganzen Jahren ein kleiner Rückzugsort für mich. Nur bei den Galas, die sie hier hin und wieder veranstalten fühle ich mich manchmal verloren. Ich bin glücklich, wenn mich bei denen ihre alte Freunde als erstes ansprechen und mich so locker und freudig behandeln, dass ich mich immer augenblicklich entspanne.

Mit dem schweren Krug und drei Gläsern gehe ich auch zur Terasse und stelle alles auf dem Holztisch ab, bevor ich mich auf einen Gartenstuhl setze. Sie stellt nur noch die Töpfe zur Seite und setzt sich schon mir gegenüber, um uns einzuschenken.

"So, Haley. Wie ist denn die Feier mit deinen Freunden verlaufen?" lächelt sie und ich bin verwundert, dass ihre weiße Capri Jeans keine Erdflecken aufweist.

Gleichzeitig bekomme ich ein schlechtes Gewissen, da meine Antwort aus "Ganz gut. Wir hatten viel Spaß." besteht.

"Und wie hat deine Familie das mit dem Erben inzwischen verarbeitet?" stellt sie mir ein gefülltes Glas hin. Ich bleibe jedoch still, weil ich nicht weiß, wie ich antworten soll. In der Weite erstillt der Motor des Rasentraktors und ich sehe, wie Opa aus der Scheune geht, um das dort geparkte Hilfsmittel einzuschließen.

"Ich weiß es nicht. Sie sagen nichts, aber ich sehe, wie sie etwas beschäftigt. Nate hat auch wieder angefangen mich...kälter zu behandeln."

Sie seufzt und nimmt einen Schluck. "War ja auch nicht anders zu erwarten. Sobald es um Geld geht, sind Menschen sofort anders. Aber ich weiß, dass du nicht so bist. Deine Welt dreht sich nicht darum."

"Das mag schon stimmen.." sage ich sachte und baue mir den Mut für die nächsten Worte zusammen, "Aber könnt ihr das Geld nicht den anderen geben? Ich brauche es nicht und ich will nicht, dass es die Beziehung zwischen uns komisch macht, Oma."

Kurz sieht sie mich bestimmt an. "Uns ist bewusst, dass du es nicht brauchst, aber wir wissen, dass es bei dir in sicheren Händen ist und du es für gute Dinge verwenden wirst. Wir werden uns darum bald nicht mehr kümmern können. Nicht lange und dein Opa und ich sind reif fürs Altersheim. Wir wollen dann an nichts mehr denken müssen und werden unsere Tage in Ruhe ausleben. Ich hoffe, du verstehst das. Und wir werden nicht zulassen, dass dadurch unsere Familie kaputt geht. Versprochen. Lasse ihnen noch ein wenig Zeit und sollten sie danach noch schmollen oder dir Vorwürfe machen, kommst du sofort zu uns, okay?"

Zitternd atme ich durch. Das ist nicht unbedingt die Endung, die ich haben wollte, und doch nicke ich stumm, weil ich ihr einfach nichts ausschlagen kann. Vielleicht finde ich schon einen Weg damit, aber trotzdem habe ich ein schlechtes Gewissen.

"Aber wenn wir schon angefangen haben darüber zu reden, dann hole ich schnell Stift und Zettel und du schreibst mir deine Bankdaten auf. Dann können wir anfangen das Geld für dich und deine Nachhilfe zu überweisen." sagt sie glücklich und steht auf.

Als sie zurück ist und ich alles notiere spricht sie begeistert weiter. "Clare, du erinnerst dich doch bestimmt an sie, hat uns auch eine sehr gute Schule empfohlen an die sie ihren Älteren schickt. Seine Noten sind sofort in die Höhe geschossen und sie geben dir in jedem Fach Nachhilfe. Sie ist etwas weit, aber mit dem Geld kannst du schon ein Taxi holen, wenn es besser für dich ist. Aber natürlich ist das nur ein Vorschlag." grinst sie. "Oder du machst vorerst deinen Führerschein mit dem Geld. Für die Noten hast du noch genug Zeit."

Überrumpelt sehe ich sie an, als sie meinen Zettel ansieht. "Das ist ganz schön viel...Und bestimmt nicht billig. Das kann ich alles nicht auf einem Mal bezahlen."

"Was? Natürlich kannst du das irgendwie. Wir überweisen doch monatlich 2000."

Meine Kinnlade fällt und mein Herzschlag setzt kurz aus. So viel wollten sie überweisen? Das ist eindeutig zu viel!

"Also wenn du alles gut einplanst und sparst wird das schon gehen." redet sie weiter, ohne auf meinen erschrockenen Ausdruck zu achten.


Für den Rest des Tages kann ich kaum klar denken. Und bin erst wieder richtig bei mir, als ich Zuhause ankomme und meine Schlüssel auf die kleine Kommode am Eingang schmeiße.

"Bin Zuhause!" rufe ich etwas kraftlos und schlüpfe aus meinen Schuhen.

"Willkommen zurück. Wie ist es bei Oma gewesen?" kommt Mom aus dem Wohnzimmer und ich reiche ihr eine Box, die ich ihnen überreichen sollte.

"Wir haben Kekse gebacken und euch gleich welche eingepackt."

Zufrieden nimmt sie sie entgegen. "Und wie ist das Gespräch über die Überweisungen gelaufen?" In dem Moment kommt auch Dad um die Ecke, der mich brummend begrüßt, weshalb ich nervös werde.

"Eh, ganz gut. Sie möchte, dass ich davon eine Nachhilfe oder meinen Führerschein finanziere." lächle ich angespannt und beginne hochzulaufen, bevor sie detaillierter nachfragen. Oma meinte, ich soll niemanden erzählen, wieviel ich bekomme. Und ich stimme nur ein. Sie bieten mir an, was zu essen, doch ich lehne ab. Mein Hunger hält sich letzte Zeit in Grenzen.

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