Kapitel 120

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"Verschwinde aus meinem Haus, Jordan." sage ich bebend, doch statt auf mich zu hören, schließt er die Tür hinter sich, bevor er mich wieder fixiert.
"Du kannst nicht einfach vor mir wegrennen." Er klingt nicht einmal aggressiv. Nicht im Geringsten. Und das ist, was es noch viel schlimmer für mich macht.
Ich bin nicht darauf vorbereitet. Auf nichts. Ihn zu sehen. Ihn hier eindringen zu haben. Seine ruhigen Worte zu hören, die mir eine Gänsehaut bereiten. Und erst recht nicht auf das Gefühl, dass ich empfinde, sobald ich ihn direkt in voller Größe vor mir zu stehen habe, während mich alleine seine Aura wie sonst immer umhaut. Es lässt mich automatisch an gestern zurückdenken und was er mir über das Telephon hinweg gesagt hat. Der Widerhall dieser Worte erschüttert mich kurzzeitig.
Tief durchatmend versuche ich standhaft zu bleiben. "Doch kann ich." Schon im inneren kräust es mich, dass ich das wirklich gesagt habe, doch ich lasse mir davon nichts anmerken. "Das ist Mitchels Geburtstagsparty und du bist dabei, alles kaputt zu machen."

Ein Schatten zieht sich über sein Gesicht und die Emotionen in seinen Augen, die deutlich mir gegolten haben, verblassen für den Moment. "Das hab' ich gemerkt. Glaub mir." knurrt er fast.

"Und doch bist du hier." verschränke ich die Arme vor der Brust.
Er tritt auf mich zu und berührt mich an meinen Schultern. Ich wäre so oder so vor seinem Griff weggesprungen, aber das unerwartete elektriesierende Gefühl, dass seine Berührung auslöst erschreckt mich so sehr, dass ich automatisch wegspringe und meinen Puls kontrollieren muss. Jedoch versucht er mich umso mehr zu packen, während ich seine Hände von mir schlage und sie erst einige Schritte weiter nach hinten nicht mehr spüre, als er stockt.
"Ich sag's noch einmal: Verlasse das Haus."

Ich weiß selbst nicht, wie ich bei seinem vielsagenden Blick selbstsicher bleiben kann, aber ich bin es. "Ich bleibe hier, bis wir geredet haben." brummt er nur und rührt sich nicht vom Fleck.
"Dann wirst du aber lange warten." meine ich bitter und drehe mich schnell weg, um zum belebten Teil des Hauses zu gehen, bevor er mich noch wieder aufhält.
Zwar hoffe ich, dass er tatsächlich geht, aber so wie ich ihn kenne, wird er das nicht tun.

Ohne zu überlegen gehe ich in die Richtung zur Küche und merke bei meiner benebelten Denkart, dass der Tisch mit den alkoholischen Getränken anfängt leer zu werden, obwohl so viele neue Flaschen hergebracht wurden.
Mit schnellem Puls, aber steinharter Miene, gehe ich an den jubelnden Jugendlichen vorbei, die nun selbst wieder Bierpong spielen, in die Küche, wo ich eins der unteren Regale öffne und unter den vielen Glasflaschen, die ich für heute gekauft habe, welche raushole. Der Fakt, dass Jordan hier im Haus ist, macht mich nervös und ich bin jetzt schon paranoid genug, um unmerklich in die Gesichter zu blicken an denen ich vorbeigehe, mit dem Gedanken, dass eines dieser seins sein könnte.

Etwas zu grob, stelle ich die Flaschen auf den Tisch und hocke mich hin, um nach den Leeren zu greifen, die freundlicherweise darunter gestellt wurden.
Das klirrende Geräusch des Glases ist das Einzige, dass gerade richtig zu mir durchdringt, deshalb erschrecke ich mich umso mehr, als mich Mitchel beim aufrichten an der Schulter fast. Ertappt sehe ich zu ihm, bevor ich den Griff an den vielen Flaschen am Tisch festige. "War es doch nicht der Kuchen?"
Ich lasse mir einen Moment während des ordnens Zeit und spüre etwas erstickendes in mir. Jedoch kann ich nicht deuten, was es genau ist. Wohl eher meine Wut, dass der Abend um 180 Grad gedreht wurde. "Nein, war es nicht." brumme ich. Ich habe nicht daran gedacht es Mitchel zu berichten, weshalb ich kurz gestresst durchatme.
"Und was ist sonst passiert? Haben sie abgesagt?" fragt er nun besorgt und sucht meinen Blick.
"Nein, die werden wohl gleich noch kommen. Es ist eher, wer sich reingeschmuggelt hat." Der Kloß meiner Wut in meinem Hals verhindert kurz das Sprechen, während ich ehrfürchtig in die Richtung des Durchgangs starre, wo er durchkommen könnte oder schon ist. "Mitchel, Jordan ist hier."
Erschrocken nimmt er seine Hand von meiner Schulter. "Was?"
"Er hat sich einfach durch die Tür geboxt und weigert sich jetzt zu gehen!" presse ich leise hervor und werde wieder mit meiner Ratlosigkeit konfrontiert.
"Was will er?"
"Reden!" meine ich gereizt, aber er weiß, dass es nichts gegen ihn ist, "Er will nicht einsehen, dass ich ihn nicht sehen will."

Er bleibt einen Moment still, doch genau da erblicke ich Jordan stumm und zurückhaltend durch die Schwelle treten. Mit den Händen in den vorderen Hosentaschen sieht er sich in dem riesigen Raum um.
"Soll ich ihn verjagen?" kommt es leise von Mitchel und lenkt meinen verzweifelten Blick auf sich. Er scheint sich bei der Vorstellung zwar selbst nicht absolut sicher zu sein, doch meint es ernst.
Dennoch schüttle ich den Kopf. "Nein, er hat wohl nicht vor etwas anzustellen, weshalb ich ihn einfach ignorieren werde. Es ist bloß, dass er dir die Party nicht versauen soll. Ich meine er war echt unfair zu dir...Außerdem werden die anderen nicht sonderlich begeistert sein ihn zu sehen..."
"Das ist gar nicht so schlimm. Glaub' mir. Es hängt wirklich nur von dir ab."

Seufzend sehe ich weg, nur um in die aschblauen Augen von Jordan zu sehen, die selbst unter der Entfernung meine Aufmerksamkeit sofort ergattern. Alleine das Gefühl, dass er mit seinem intensiven Blick verursacht, lässt mich nach Luft schnappen, sodass auch Mitchel auf ihn aufmerksam wird. Zwar sieht man es Jordan nicht sonderlich an, aber ich spüre, dass ihm der Anblick von uns nicht gefällt, weil er mir damit wort wörtlich einen Schauer verpasst.
Überfordert umgreife ich die leeren Flaschen fester und wende mich abrupt ab, um in die Küche zurück zu flüchten.

Erst nachdem alles verstaut ist, merke ich, dass Mitchel mir gefolgt ist und lehne mich erschöpft gegen die Arbeitsfläche. Auch hier ist schon die Hälfte der Snacks weg.
"Und das ist jetzt deine Lösung? Ihm aus dem Weg gehen?" Er klingt dabei nicht vorwurfsvoll, aber es fühlt sich trotzdem so an.
"Ja?"
"Ich glaube du solltest mit ihm reden, Haley."
"Ja, aber nichts jetzt! Ich-Ich bin noch nicht bereit dafür. Ich brauche Zeit."
"Du weißt schon, dass er heute früher oder später damit ankommen wird, ohne auf dich zu achten, oder?"
Schon fast schmerzhaft verzerre ich das Gesicht, doch will dazu nichts sagen.
"Jordan verhält sich wegen dir anders, weißt du?" Verunsichert sehe ich ihn seitlich an, während sein Blick nicht von mir zu gehen scheint, "Normalerweise hätte er aufgegeben und sich den Stress erspart, aber jetzt ist er hier. Schon wieder."
"Er war auch gestern hier.." gestehe ich peinlich berührt.
Sein Blick wird undurchdringlich und er presst angestrengt die Lippen zusammen.

"He, jemand hat geklingelt!" werden wir von dem blonden Typen abgelenkt, der mich vorhin beim Bierpong angesprochen hat, und zeigt noch Richtung Eingang, während er seinen Becher in der Anderen hält.
Sofort erstarrt erwidere ich Mitchels Blick. "Bitte?" frage ich hoffnungsvoll und er seufzt.
"Keine Sorge." meint er nur und geht los.
"Aber wenn es der Kuchen sein sollte drehst du dich sofort weg klar??" rufe ich ihm noch hinterher, was ihm dann doch ein minimales Schmunzeln entwischen lässt, bevor er hinter der Ecke verschwindet.

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