Kapitel 11

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Tatsächlich sind sie um Neun wieder da und bringen uns sogar etwas essbares mit. Glücklich gehe ich mit der kleinen Schale voller Reis, Hühnchen und Spinat in mein Zimmer. Ich verhungere schon. Gemütlich setze ich mich auf mein Bett und schalte den Fernseher ein. Jetzt gammle ich meine verbliebene freie Zeit durch. Scheiß auf Hausaufgaben. Das habe ich verdient.

Die letzten Bisse noch kauend schaue ich auf mein Handy, dass eine Nachricht bekommen hat und verschlucke mich sofort, als ich sehe, dass sie von Jordan ist.

Jordan:Bin vor deinem Haus. Kannst du raus?

Die letzten Stücke aushustend versuche ich mit zitternden Fingern mein Handy zu halten. Was??? Wieso zur Hölle ist er hier?

Wieso bist du hier? Ist etwas passiert? versuche ich ruhig zu wirken.

Jordan:Du wolltest dich doch am Wochenende treffen. Jetzt hab ich Zeit.

In einer missligen Lage halte ich meinen Kopf und sehe den Chat an.

Jordan:Schon gut. Hast wohl besseres zu tun.

Ich war zu lange in Gedanken versunken! Schnell bitte ich ihn zu warten und gehe hastig aus dem Zimmer, die Treppen runter, um bei meinen Eltern anzukommen, die sich einen Film im Wohnzimmer ansehen.

"Jetzt noch??" fragt Mom ungläubig und ich nicke.

"Haley, es ist fast 22 Uhr und stockdunkel draußen." meint Dad. Jetzt fängt es an.

"Es wird nicht lange dauern. Versprochen."

"Wie kommt es, dass du plötzlich so spät raus möchtest? Das war noch nie der Fall. Nicht wegen Freunden." stellt sich Dad schräg und ich seufze.

Es verlangt viel Geduld und Überredungskünste, aber irgendwann legt Mom ihre Hand auf Dads Arm und meint, ich soll ruhig gehen. Dankend verabschiede ich mich und ziehe mir meine weißen Chucks an. "Du willst in so einem Oberteil noch raus?" höre ich Dad noch.

"Ich habe keine Zeit zum umziehen." meine ich und gehe schnell aus dem Haus. Ich fühle mich selbst nicht wohl dabei, in einem Shirt mit Spagettiträger herumzulaufen, dass so eng wie ein Korsett sitzt, aber es ist süß und sieht für Jordan bestimmt gut aus. Bevor meine Eltern mir noch hinterherlaufen, biege ich beliebig nach links ab, weil ich Jordan nicht sehe und gehe auf das Handy blickend voraus.

Bin draußen. Wo bist du?

Nervös warte ich auf eine Antwort und sehe mich in der Stille der Nacht um. Im Weiten sieht man einige Häuser aufleuchten, aber der Weg den ich gehe besteht aus alten winzigen Häusern, die immer in Dunkelheit getränkt sind und Gassen aufweisen. Wenigstens ist zu meiner rechten die breite Straße. Eigentlich ist dieser Stadtbereich relativ sicher, aber ich habe trotzdem ein mulmiges Gefühl.

Etwas weiter vor mir sehe ich eine Gestalt am Rande des Weges stehen. Er sieht groß und angsteinflößend in dem Licht der Laterne aus und bevor ich bei seinem aufsehen wegrennen kann erkenne ich noch, dass es nur Jordan ist.

Erleichtert gehe ich zu ihm. "Du hast aber lange gebraucht." murmelt er.

"Hey, sorry. Ich musste meine Elterne ein wenig überreden."

"Wieso? Darf die unschuldige Haley im dunkeln nicht raus?" wird seine Stimme munterer und neckt mich.

"Ach, sei leise."

"Komm. In der Nähe gibt es einen Fluss mit einer Brücke an den wir uns setzen können." sagt er nur und fängt, ohne ein Wort von mir abzuwarten, an loszulaufen. Ich glaube, ich weiß genau, welche Brücke er meint, trotzdem verwirrt es mich.

"Woher weißt du eigentlich, wo ich wohne?" laufe ich ihm hinterher, wie auch bei unserem ersten Treffen.

Verwirrt, dreht er seinen Kopf zu mir. "Hä? Ich war doch vor ein paar Monaten bei dir. Klar weiß ich, wo du wohnst. Was meinst du?"

Überweltigt werde ich abrupt langsamer und kann nicht glauben, was ich da gehört habe. "Du erinnerst dich an die Nacht?"

Er schnaubt lachend und ich muss kurz rennen, um ihn wieder einzuholen. "So hart geschlagen wurde ich jetzt auch wieder nicht, ok? Der Anfang ist bei mir zwar immer noch verschwommen, aber ich kann mich sehr wohl an meinen Heimweg am frühen Morgen erinnern."

Mein Mund will sich vor staunen nicht schließen. "Du wurdest deutlich mehr, als nur geschlagen! Ich dachte, du hast alles vergessen! Du konntest dich nicht einmal an meinen Namen erinnern." werfe ich vor.

"Ich war mir nicht sicher." hebt er den Zeigefinger zur Verteidigung und diesmal lasse ich seine dunkle Stimme nicht meine Sinne rauben. Ich muss das jetzt wissen! "Ich konnte deinen Namen nicht aufrufen, weil ich ihn damals kaum gehört habe. Meine Ohren haben gepiept, wie weiß nicht was. Und ja, ich war etwas mit meinen Verletzungen beschäftigt, aber ich glaube, das kannst du nachvollziehen, oder?" gibt er noch frech zurück. Das kann ich nicht glauben.

"Verdammt, ich hätte wirklich nicht gedacht, dass du dich an etwas erinnerst. Du hast mich immer ignoriert." Mein Gehirn ist in diesem Moment vollkommen still und findet sich unfähig, das alles zu verarbeiten. Jordan wird langsamer, während er mich fragend mustert und erst da merke ich, dass wir schon am Fluss angekommen sind.

"Ich habe dich nicht ignoriert. Ich wusste nicht einmal, dass du auf meiner Schule bist, bis der Vorfall mit deinem Bruder passiert ist." Ich will heulen.

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