Kapitel 54

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Und obwohl ich eigentlich nicht wollte, stehe ich wieder mitten im Hof meiner Schule, an diesem grässlichen Montag. Ich spüre immer noch viele Blicke, aber die meisten sind diesmal auf Jordan gerichtet.

Außnahmsweise halte ich die Ohren offen und belausche bei anderen, dass der Grund dafür ein neues Gerücht ist. Anscheinend hatte er wieder nur Unsinn im Kopf gehabt und diesen Henry aufgesucht, um sein Haus zu demolieren. Mehrere zerbrochene Fenster, ein abgerissener Briefkasten und noch einiges mehr, wo ich aber kein Interesse mehr hatte. Ich weiß nur, dass dieser Idiot von der Polizei verhaftet wurde und nun mit einer weiteren Anzeige im Nacken rumläuft.

Seufzend schüttle ich den Kopf. Ich würde ihn liebend gern zur Frage stellen und ihn anmotzen, aber gleichzeitig will ich ihm nicht gegenüber treten. Ich hatte so schon Probleme wegen ihm ein gutes Wochenende zu haben.

Jedoch führt mir das Schicksal immer das Gegenteil vor Augen. Denn genau zur Pause, sehe ich ihm aus dem Gebäude kommen und direkt in meine Richtung gehen. Luft anhaltend versteift sich mein Körper und ich kann den Blick nicht von ihm wenden. Doch statt mich anzusehen geht er stur an mir vorbei und verursacht eine leichte Leere in mir. Wow. Wir sind also zurück zum ignorieren, was? Die Lippen zusammen pressend versuche ich die Trauer zu unterdrücken und umgreife meinen Schultergurt fester.

Das ändert sich auch für die nächsten Tage nicht, was mich in eine tiefe Laune bringt. Und jedes Mal, wenn Mitchel mit mir über Jordans seltsames Verhalten reden will, kann ich nichts sagen und nur hoffen, dass er mir nichts anmerkt. Er tut zurzeit nichts anderes, als darüber angestrengt nachzudenken. Nur will ich nichts davon hören.


Schon ist es Donnerstag und ich überlege wieder einfach aus der Schule zu spazieren. Es kommt immer noch vor, dass mich welche zu meiner Beziehung mit Jordan oder Mitchel fragen. So wie jetzt vorm verdammten Geschichtskurs von einem Idioten Namens Luca, der mich drei Bänke weiter hinterlistig angrinst, weil er weiß, dass nun fast die Aufmerksamkeit aller auf uns liegt.

"Was treibst du sonst so mit diesen Typen?" fragt er halb zu mir gedreht.

Giftig sehe ich ihn an. "Nichts!"

"Ist es was offenes bei euch?" macht er weiter.

Angepisst verdrehe ich die Augen und sehe stur zur Tafel. Bitte lass die Lehrerin kommen.

"Wahrscheinlich haben die eine geheime Sexorgie." lacht sein Kumpel, der neben ihm auf dem Tisch sitzt. Dabei höre ich leises kichern von anderen.

"Naja, bei dem, was man von Jordan und Mitchel so hört würde es mich nicht wundern." lacht Luca hinterher, "Bist du etwa scharf auf sowas?"

"Zwischen uns läuft verdammt nochmal nichts, was versteht ihr mit euren unterentwickelten Gehirnen daran nicht??" brülle ich fast und jeder im Raum gibt einen Ruf aus.

"Ey, Leute. Lasst Haley doch einfach mal in Ruhe.." kommentiert ein Mädchen in der Ecke, die sich eigentlich mit ihren Freundeninnen unterhält. Dankend sehe ich zu ihr. Ich halte das alles langsam wirklich nicht aus. Doch sie sieht nicht zu mir, als sie sich wieder wegdreht.

"Selbst wenn da anscheinend wirklich nichts bei denen läuft, wette ich, dass Haley versauter ist, als man vielleicht denkt.." murmelt Luca grinsend und dreht sich weg, um es endlich fallen zu lassen. Doch mir ist es zu weit gegangen.

Auf hunderachtzig werfe ich jegliche Sachen achtlos in meinen Rucksack und stürme zu ihm. Mit einem harten Schlag verpasse ich ihm eine Schelle, die den Raum in totale Stille legt. Unberührt verlasse ich den Raum und begegne etwas weiter im Flur meiner Geschichtslehrerin, die mich schon von weitem verwirrt ansieht. Durch Mitchels Verhalten bin ich inzwischen fest in ihrem Kopf verankert. Doch anstatt sie anzusehen oder mich zu ihr zu drehen, als sie mit ruhiger Stimme etwas fragt, sause ich wütend an ihr vorbei zum Treppenhaus. Ich hasse gerade alles und jeden!

Statt nach Hause zu flüchten, komme ich in dem Park an, der nicht sonderlich besucht ist, um diese Zeit. Absichtlich gehe ich einen Weg entlang, den ich nicht mit Jordan durchlaufen bin, bis ich eine freie Bank weiter Abseits ansteuere. Achtlos werfe ich meinen Rucksack darauf und lasse mich auf sie fallen, bevor ich die Beine hochziehe um sie zu umarmen. Es kommt zwar nicht so oft vor, dass ich angesprochen werde, und inzwischen scheinen die meisten unsere Situation wieder zu ignorieren, aber es frustriert mich trotzdem. Ich wette, dass mein Name inzwischen für fast alle bekannt ist. Sehr anders verglichen zu damals. Ich will einfach nur wieder ignoriert werden. Diese Blicke verbannen. Es ist besser ein unbemerkter Außenseiter zu sein, als ein Außenseiter der vollkommenen Aufmerksamkeit der Gerüchteküche. Wie ich sie doch hasse...

Ohne wirkliche Gedanken sitze ich da und starre einen einzigen Punkt an. Und ich weiß nicht, wie lange das geht, aber als ich selbst das satt habe hiefe ich mich hoch, um mir Frusteis zu holen und entscheide darauf spontan ins Kino zu gehen. Ich will noch nicht nach Hause, doch brauche gerade etwas, dass mich von meiner Wut ablenkt.
Der Film hilft tatsächlich ein wenig. Dafür gehe ich komplett emotionsfrei aus dem Gebäude ins Abendlicht. Ob das unbedingt eine Verbesserung ist, kann ich nicht sagen. Aber ich denke gerade an nichts und spüre die Kräfte raubenden Gefühle nicht mehr, was wohl erleichternd ist.

Benommen sehe ich zum blau lilanen Himmel, während ich einfach nur da auf dem Platz stehe. Ich werde das packen. Denke ich mir zwar, aber in Wirklichkeit weiß ich es nicht. Ich hoffe es nur. Tief durchatmend komme ich wieder zu mir und hole mein Handy hervor, dass ich ausgeschalten habe. Sobald ich es wieder aktiviere kommen mehrere Nachrichten ein. Verdammt viele sind von Nate und zwei sogar von Dad. Nichts von Jordan. Aber was habe ich auch erwartet?

Mit tauben Beinen gehe ich los zur Station, dessen Bus mich nach Hause bringt und rufe meinen Bruder an.

"Haley??? Wo verdammt nochmal bist du?!!" kommt es laut. Kurz erhöht sich mein Puls, aber beruhigt sich schnell wieder.

"Ich..war spazieren und bin gerade aus dem Kino raus." antworte ich monoton, als der Bus auch schon anfährt.

"Im Kino??? Wieso hast du nichts gesagt? Wir machen uns schon den ganzen verdammten Tag Sorgen! Und dann konnten wir dich auch noch nicht erreichen!" wirft er mir vor und ich verspüre tatsächlich ein leichtes Schuldgefühl.

"Sorry, hab nicht daran gedacht. Bin auch schon auf dem Heimweg." In dem relativ leeren Bus setze ich mich ans Fenster und sehe desinteressiert aus diesem.

"Nicht daran gedacht...natürlich.." haucht er erschöpft und redet darauf mit jemand anderen. Bestimmt mit Mom und Dad. Das gibt wohl Ärger...Aber ich realisiere es nicht wirklich. Oder eher gesagt: Es ist mir anscheinend egal. "Okay, dann komm erstmal nach Hause. Dann reden wir weiter." sagt er ruhiger. Er legt auf und ich senke meine Hand mit dem Handy im Griff auf meinen Schoß, während ich meinen Kopf erschöpft ans Glas lehne. Ich bin viel zu erschöpft für das alles.

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