Kapitel 16

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Perfekt zu dem Gespräch mit den Mädels hat sich Mr Kornell dazu entschieden mich in diesem Unterricht wieder bloßzustellen, indem er Kommentare auf meine Kosten macht und andere noch kichern. "Sie müssen schon aufstehen." Entgeistert sehe ich zu ihm, wo ich auf sein selbstgefälliges Grinsen treffe. Wieder untedrücken sich einige ihr Lachen, während er mit einer Handbewegung zu verstehen gibt, dass ich aufstehen soll. Seufzend gehorche ich und spüre, wie zittrig meine Beine sind. Hört doch auf mich anzustarren. Jetzt schon keinen Bock darauf, das zu machen, nehme ich ungeschickt das fette Deutschbuch in die Hände und lege die Augen auf die erste Zeile des langen Gedichtes. "Oh, süße Frucht des-" "Faalsch." unterbricht mich der Lehrer und schüttelt enttäuscht den Kopf. "Sie beginnen mit Titel und Autor, Preston." Wieder nur meinen Familienname zur Ansprache. Das sagt schon aus, dass er mich immer noch mit meinem Bruder vergleicht. Mit zuckenden Muskeln wird mein Griff um das Buch härter, aber ich versuche ihn nicht zu mir durchdringen zu lassen. Aufgewühlt sehe ich zu ihm auf, doch versuche gelassen zu bleiben. Dieser Lehrer kann mich mal. Genervt gehe ich dem nach und lese weiter, bis er mich wieder unterbricht. "Was ist das denn bitte? Wollen sie, dass wir gleich vor Langeweile hier einschlafen? Mehr Leben bitte!"

Mit zusammengezogenen Brauen versuche ich es spannender zu machen, dafür ignoriere ich seine ganzen darauffolgenden Kommentare oder sein absichtlich lautes Gähnen. Doch als er mich kurz vor dem Ende unterbricht und meint, ich bin genauso unfähig, wie mein Bruder, droht mir der Kragen zu platzen. "Setzen sie sich wieder, Preston." winkt er ab und steht zur Tafel auf.

Kurz fällt mein Blick zu Jocelyn, die mich mit einem schiefen Lächeln bemitleidenswert ansieht und die Schultern zuckt. Ich verdrehe nur die Augen und lasse mich auf meinen Platz fallen. Ich hasse es hier.

"Dieser Lehrer hasst dich, was?" murmelt mein Banknachbar, der mit verkreuzten Armen auf dem Tisch lehnt. Es umspielt ein sachtes Lächeln seine Lippen und er sieht nur stückelweise zu mir.

"Ach, was. Das hätte ich jetzt nicht gedacht. Nach all diesen Monaten, dachte ich, er macht es nur, weil er mich bevorzugt." spotte ich.

"Monate? Gott, mein Beileid." entgegnet er nur.

"Danke." antworte ich nur mürrisch. Anthony hat nie wirklich etwas zu sagen, außer still etwas zu kommentieren oder dem Unterricht etwas beizutragen. Am Anfang des Jahres war ich noch glücklich und gespannt neben einem lockeren und zurückhaltenden Typen zu sitzen, der nicht einmal schlecht aussieht, aber ich habe schnell gemerkt, dass sich keine Freundschaft daraus entwickeln würde. Wenigstens lachen wir manchmal über seine Kommentare, die er nur leise vor sich hin oder zu mir murmelt. Das und die Interpretationen zu Werken ist das einzige, dass mich noch in diesem Unterricht hält.

Schon bevor der Gong zum Unterrichtsende ertönt, habe ich meine Sachen eingepackt und kann nun endlich aus diesem Raum flüchten und ignoriere Mr Kornells siegreiches Grinsen, als er mir nachsieht. Ich brauche heute definitv Ablenkung. Sonst platze ich am  Ende des Tages noch. Keine Lust meine Pause auf dem Hof zu verbringen gehe ich mit festen Schritten durch die vollen Gänge und versuche so wenig Augenkontakt zu schaffen, wie nur möglich. Mr Kornell hat mir definitv mal wieder den Tag versaut. Na, warte Nate. Das ist nur deine Schuld!

Doch plötzlich werde ich am Arm gepackt und wache verwirrt aus meinen Gedanken auf, nur um zu merken, wie ich zur Seite in einen anderen Raum gezogen werde. Verdattert sehe ich die Person an, die mich zu sich gezogen hat und merke, wie mein schwarzer Rucksack durch den starken Schwung von meiner Schulter fährt.

"Wieso so mürrisch?" lächelt Jordan amüsiert und lässt meinen Arm nicht los. Überrascht sehe ich ihn an, doch entspanne mich darauf.

"Scheiß Lehrer." maule ich und sehe, wie der letzte Schüler, der den Raum verlässt, sich mit einem schokierten Blick an uns vorbei quetscht. Jordan sieht ihm noch kurz hinterher, bevor seine Augen wieder auf mir landen und sein Lächeln sich minimal vertieft.

"Sind das nicht alle Lehrer?"

Ich lege den Kopf schief und gucke überlegend auf den Boden, bevor ich mit wankenden Kopf meine Unschlüssigkeit darüber verdeutliche. "Was wolltest du eigentlich? Ich hoffe, dir ist bewusst, dass jeglicher Kontakt innerhalb der Schule ganz schön schlimm enden kann."

Er grinst wieder los und sieht mich fest an. "Ja, das stimmt. Dein Bruder darf ja nichts erfahren. Schon klar." zieht er es ins lächerliche. Trotzdem zieht er mich am Arm etwas mehr zur Seite, damit wir hinter dem Schrank etwas vor der Tür versteckt werden. Dabei kommen wir uns noch näher und ich verliere nichts von der Wärme seiner ablassenden Hand, da sein Oberkörper vor mir genug davon ausstrahlt. Etwas verunsichert starre ich einen Punkt auf seinem Oberteil an und habe die Hände abweisend vor mir.  "Ich wollte nur nach dir sehen und fragen, ob du Lust hast morgen mit meinen Freunden aus der Schule abzuhängen."

Sein Blick liegt abwartend auf mir und ich sehe stockend zu ihm auf. "Was?" rutscht mir mein ach so schönes Lieblingswort heraus.

"Du weißt schon, einfach so zum Spaß. Wird bestimmt witzig." meint er noch, aber ich weiß nicht so genau, was ich davon halten soll. Immer, wenn ich ihn mit seinen Freunden auf dem Hof sehe, machen sie irgendeinen Blödsinn oder starren anderen Mädels hinterher. Aber ich bin eher verwirrt, dass er mich überhaupt einlädt. Die kennen mich doch gar nicht. Zusätzlich sind die meisten davon die gutausehenden Typen unserer Schule, die mehr Beachtung bekommen, als sie sollten.

"Ich dachte, das sind nicht deine wahren Freunde?" rutscht es mir wieder aus. Er hebt die Braue, doch zuckt die Schultern.

"Irgendwie schon. Vielleicht nicht die besten, aber wir sind trotzdem ein Team und machen alles zusammen. Egal was. Also? Dabei?"

Kurz sehe ich ihm noch prüfend in die Augen bis ich nervös ausatme. "In Ordnung. Wenn du denkst, es ist ok, würde ich kommen." Wieder entblöst sich sein Grinsen und selbst leichte Andeutungen von Grübchen kann ich erkennen.

"Super. Dann bis morgen nach der Schule, Haley. Ich schreib dir, wenns soweit ist." sagt er noch bevor er an mir vorbei schlendert und verschwindet. Oh gott, was habe ich nur getan.

Für einige Sekunden stehe ich noch paralysiert da und versuche zu begreifen, was passiert ist, bevor ich mit schnellen Schritten in den leeren Flur trete zur Richtung der Kunsträume. Eigentlich bin ich immer noch vom Samstag verwirrt. Wie kann ich mich da normal verhalten. Und dann noch vor seinen Freunden?

Toll. Jetzt kann ich mich auch noch in meinem langersehnten Kunstunterricht nicht konzentrieren. Frustiert lege ich mich über die Zeichnung. Ich bin nicht unzufrieden. Ich freue mich sogar, dass endlich etwas in meinem Leben passiert. Aber ich bin verzweifelt. Es ist so unerwartet und mit grottigen Sozialfähigkeiten ist es schwer sich richtig zu verhalten. Ich kann nur hoffen, dass alles gut wird.

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