Kapitel 88

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Ich stöhne innerlich laut auf, als ich seine fast aus dem Kopf fallenden Augen betrachte. "Sicher, dass wir hier richtig sind?" gurgelt er.
Tief durchatmend schnalle ich mich ab. "Ihr Haus ist gleich dahinten."

Plötzlich stumm folgt er mir an den ganzen schicken Grünflächen der Nachbarn vorbei zur weißen Villa meiner Großeltern. "Ich wollte niemanden davon erzählen, weil ich nicht will, dass sich andere dann komisch verhalten. Außerdem wurde ich nie in eine Situation gesteckt, wo meine Oma Freunde von mir kennengelernt hat. Also musste ich nie etwas erzählen." beantworte ich die Frage, die sich auf seinem Gesicht gebildet hat, während er das Gebäude ehrfürchtig betrachtet, dem wir uns nähern. Nicht einmal Jordan kennt sie. Dabei ist er der wichtigste.
Unwohl lege ich die Arme um mich und steige die riesige Veranda rauf, bevor ich klingel. "Bleib einfach locker. Sie sind entspannter als meine Mutter." sage ich ihm und werde darauf von seinem verlorenen Blick erfasst. Doch seine verunsicherte Blässe ebbt ab und man sieht, wie er sich entspannt.

Natürlich schwingt die Tür schneller, als normalerweise, auf und die alte Dame grinst breit. Augenblicklich funkeln, wie bei Mom, auch ihre Augen auf, sobald sie sein gutes Aussehen sieht. Dad hat recht: Meine Mutter hat zu viel von meiner Oma abgeguckt. Sie ähneln sich in so vielen Dingen und das blamieren der Jüngeren Generationen gehört wohl dazu. "Da seid ihr ja. Kommt rein!"
Mit gesenktem Kopf behalte ich Mitchel so gut es geht im Auge. Er sieht sich sofort um. "Dein Opa wird gleich mit dem Kuchen da sein." lächelt sie und winkt uns zu sich, als sie tiefer ins Haus geht.
Anscheinend ein erweckender Ruf für Miti, denn er räuspert sich und lächelt charmant auf. Auch wenn ich ihm anmerke, dass er sich immer noch zurechtfinden muss. Und ich nehme ihm das nicht übel. "Schön, sie kennenzulernen. Es war wirklich freundlich von ihnen, mich mit Haley einzuladen."
Überrascht dreht sie sich grinsend im gehen zu uns. "Wieso so formell? Hat dir Haley auf dem Weg gedroht oder was?" Prüfend fällt ihr Blick auf mich und ich hebe beleidigt die Arme.

Sie führt uns in den Chillbereich, wo wir uns auf die zierliche Couch setzen, die zur rechten einen Ausblick auf den Garten gibt, und sie auf den teuren ebenso pastelrosanen Sessel auf der anderen Seite des runden Kaffeetisches aus Glas. Mir ist gerade gar nicht zum reden zumute. "Also. Du gehst auf dieselbe Schule, wie Haley, habe ich gehört. Seid ihr in einer Klasse?"
Kopfschüttelnd hält er sein charmantes Lächeln aufrecht, dass zu brökeln scheint. "Nein, aber wir sind im gleichen Jahrgang und haben Musik zusammen."

"Ach so." sagt sie nur und lehnt sich zurück. "Gott, du siehst aus, wie eine Maus im Kafig! Ist das Haus so überwältigend?" lacht sie plötzlich auf und Mitchel nickt geknickt.
"Schon. Es ist sehr...groß. Und kostbar. Haley hatte davon nie erzählt, deshalb haut es mich gerade ein wenig um."
Wieder fällt ihr stechender Blick auf mich. "Ja, unsere Haley hält so einige Dinge lieber geheim." unangenehm rutsche ich auf meinem Platz, bevor sie ihn wieder anstrahlt, "So wie dich. Bis jetzt. Habt ihr euch durch Nate kennengelernt? Oder durch deine Freundin?" Ausgebrannt starre ich sie nieder, doch sie ignoriert mich gekonnt. Das ist nicht nur meine Oma auf dem Sessel. Sondern auch eine gierige Eule, die hinterlistig an ihr Mahl kommen möchte. Sie versucht ihn mit leuchtenden Augen regelrecht zu bannen. Sowas sehe ich nur, wenn sie Menschen zu größeren Spendern machen möchte oder sich auf einer After-Show- Party mit sehr einflussreichen Leuten unterhält. Ohne auf die Manieren zu achten, die ich in ihrer Nähe normalerweise hege, lüge ich schnell an seiner Stelle. "Teilweise! Durch einen Freund von Nate. Aber die Beiden verstehen sich auch relativ gut durch mich."
Ich merke, wie Mitchel die Worte, die sich schon auf seine Zunge gelegt haben, runterschluckt. Dafür sieht mich unsere verhörende Person spitz an und ich presse die Lippen aufeinander, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihm zuwendet. "Also keine Freundin?"

Erwartungsvoll sehe ich ihn an, auch wenn er sich gerade vollends auf Oma konzentriert. Und etwas in seinen Zügen entspannt sich beim Lächeln. Zu sehr, wenn man mich fragt und ich werde ehrfürchtig. "Nein." Du Idiot! "So jemanden habe ich nicht."
Ich will ihm den Hals umdrehen. Er hält sich aber auch nie an irgendwas, dass man ihm sagt, oder? Dementsprechend vertieft sich Omas Lächeln zu den erhobenen Brauen, die ihr beim schminken wieder perfekt gelungen sind. Sie setzt schon zum sprechen an, doch da fällt die Haustür zu und wir hören Opas "Bin wieder da!" durch das Haus. Jedoch vernehme ich zu seinem hecheln auch das Geklapper von Holz. "Oh, wartet hier." sagt sie hastig und geht zu ihm.

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