Kapitel 78

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Nervöse Herzschläge, verräterische Blickkontakte und hundert Antworten später bin ich endlich heil mit Lorx aus der Station. Er wartet nicht einmal, bis wir komplett aus der Sicht sind, da packt er mich von hinten und wirbelt mich herum, ignorierend, dass ich ängstlich Quiecke. "Du bist ein Engel!" lacht er und setzt mich ab, worauf ich ihn teilweise wütend und doch unbestimmt ansehe. "Du warst perfekt! Selbst ich hätte dir alles abkaufen können."

Er geht mit ausgebreiteten Armen die Straße entlang, als wäre er gerade von Gott persönlich gesegnet worden. "Ich hoffe, dir ist bewusst, dass das durch dich in meinen Akten stehen wird." sage ich argwöhnisch, als ich ihm folge.

Er stoppt und sieht mich mit leichter Schuld in den Augen an. "Ja, und das tut mir wirklich Leid. Du hast es nicht verdient. Aber umso dankbarer bin ich dir. Ich bin dir echt was schuldig." lächelt er schwach, bevor er sich nicht mehr davon abhalten kann, mich nochmal zu umarmen. Aber ok. An seiner Stelle wäre ich auch glücklich dem Knast entkommen zu sein. Wie kann dieser Typ nur anders zu Mitchel sein...Er ist fast auf dem selben idiotischen Level wie der...

"Aber hey!" wird er wieder heiter und löst sich von mir, "Ich wette, sobald Jordan irgendwann tatsächlich seine eigene Gang aufbaut, wird er dafür sorgen, dass deine Akte wieder so rein, wie zuvor sein wird. Hahaha. Dich als Frau zu haben, kann Jordan nur Gutes bringen. 'Du erscheinst mir, wie eine anständige junge Frau. Bringe diesen Jungen auf den rechten Weg oder halte dich fern von ihm.' Ich kann nicht mehr." lacht er über die Worte des Polizisten, die in dem Moment bei mir tiefer saßen, als sie es sollten.

Bei seinen Worten durchfährt mich ein kalter Schock. Genau. Das gibt es auch noch. Ich wusste nicht, dass Jordan so offen darüber redet. Also ist es ihm wohl ganz schön ernst diese Idee auszuleben. Alleine mir vorzustellen mein normales Leben neben seinem gefährlichen zu leben, bildet einen fetten Kloß in meinem Hals. Ist das überhaupt realistisch? Ich atme tief durch und werfe den Gedankengang schnell weg. "Das heißt, es macht dir nichts aus Jordan davon zu erzählen?" frage ich heißer.

Im gehen sieht er beklommen zu mir. "Ich sollte es tun. Ich meine, du bist seine Freundin und früher oder später würde er es eh erfahren. Außerdem will ich nicht, dass du ihn wegen mir anlügen musst. Das würde alles nur schlimmer machen." Schon fasst gerührt sehe ich sein Profil an. Ich bin erstaunt, dass er so denkt. Und doch verletzt es mich. Denn wenn selbst er meint, dass es Jordan mit mir so ernst ist, dann macht es meinen heutigen Betrugt nur schwerer. Ich kann nur hoffen, dass er nicht zu sauer sein wird. "Aber lassen wir das beiseite. Jetzt fange ich erstmal an meine Schuld bei dir mit einem fetten Essen zurück zu zahlen!"

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"Du willst an einem Donnerstag trinken gehen??" Verwirrt greife ich nach meinem Handy, dass zwischen meiner Schulter und meinem Kopf eingequetscht ist. Mit verzerrtem Gesicht, dass er nicht sehen kann, hole ich den Orangensaft aus dem Kühlschrank.

"Wieso nicht?" fragt Mitchel. Nicht glaubend, dass ich das noch aussprechen muss, lache ich.

"Weil es mitten in der Woche ist?" Kopf schüttelnd öffne ich den hartneckigen Deckel, "Da gehe ich doch nicht trinken." Mit einem großen Schluck trinke ich von der Flasche und beiße darauf in mein belegtes Toast.

"Es wäre nicht das erste Mal, dass wir das machen würden..."

"Ich weiß, aber irgendwie...Keine Ahnung." Unsicher beobachte ich mein Brot, bevor ich wieder von dem Saft trinke.

"Außerdem wird es bestimmt bei deiner Paranoia gegenüber Jordan helfen, der jeden Moment von der Sache-"

"Boah, ich glaubs nicht!" wird Mitchel unterbrochen und mir wird die Flasche unerwartet vom Mund gerissen. Dabei verschlucke ich mich nicht nur, sondern einiges davon landet sogar auf mir. Hustend halte ich das Handy weg von mir und wische mir den Mund mit meinem Ärmel ab.

"Verdammt, Nate, man." winsel ich unter der Säure und sehe zu, wie er die Flasche angepisst verschließt.

""Verdammt, Nate, man"" äfft er meine Stimme übertrieben hoch nach, "Dasselbe gilt für dich. Du hörst nicht auf, aus der Flasche zu trinken, was??"

"Sorry, aber du musst mir nicht gleich den ganzen Saft überschütten!"

Er schnauft nur und stellt die Flasche unachtsam in den Kühlschrank, bevor er sich selbst was zu essen macht. Genervt sehe ich an mir hinunter und lege das Handy wieder ans Ohr. Dabei erwische ich Mitchel beim lachen. "Lach' nicht!" keife ich beleidigt und wische über mein besudeltes Oberteil. "Uuugh, ich rufe dich gleich zurück. Ich muss mich erstmal wegen meinem blöden Bruder umziehen." murmle ich sauer.

"Das habe ich gehört!" sagt er mit vollem Mund neben mir.

"Gut! Das solltest du nämlich auch!" Ich lege auf und begebe mich in mein Zimmer. Wieso habe ich immer das ganze Pech? Aber wenigstens ist Nate wieder der Alte.

Erschöpft schmeiße ich das befleckteTop in die Ecke und stehe überlegend vor dem Kleiderschrank, mir ist sogar der Hunger vergangen. Ich könnte schwören, dass dieser Saft sogar durch meine Nase gelaufen ist. Es brennt nämlich. Solange Nate unten ist, wasche ich schnell mein Gesicht und Dekoltee ab, bevor ich zurück in mein Zimmer komme, wo mein Handy auf dem Bett klingelt.

"Mitchel? Ich bin noch nicht-"

"Haley. Alarmstufe Rot. Jordan hat mich gerade angerufen und-" In dem Moment kommt ein weiterer Anruf ein und es ist Jordan. Mit großen Augen starre ich es an, bevor ich mein Handy wieder ans Ohr lege.

"Er ruft an."

"Ja, hab ich mitbekommen." seufzt er, "Geh' ran."

"Ist es wegen Lorx?" Doch Mitchel legt auf, ohne zu antworten. Ach du heilige Scheiße..Mit wild pochendem Herzen gehe ich ran und versuche durch das laute Pochen in meinen Ohren zu hören. "Ja?" frage ich kleinlaut.

"Haley." kommt es brüsk zurück und auf die Art, wie dunkel und drohend leise es von ihm kommt, scheucht es mir die Seele aus dem Körper, "Ich habe Mitchel soeben angerufen und ihm gesagt, dass er dich abholen soll. Ich muss mit dir reden. Jetzt." betont er jedes einzelne Wort und ich schlucke schwer. Mit einem Krächzen öffne ich meinen trockenen Mund, doch kann nicht mal etwas äußern, als er schon auflegt.

Überrumpelt sehe ich mein Handy an. Scheiße.

Eine gefühlte Ewigkeit stehe ich in meinem Zimmer und kann nichts anderes tun, als mich hoch zu schaukeln. Es ist bestimmt wegen Lorx. Hat es es Jordan gestanden? Was soll ich zu meiner Verteidigung sagen? In den letzten zwei Tagen habe ich versucht nicht daran zu denken. Gehofft, dass es sich von alleine löst. Aber jetzt, wo ich seine Stimme gehört habe, bereue ich es, mich nicht vorbereitet zu haben.

Noch paralisiert schaue ich um mich und schnappe mir die erst besten Sachen. Ich kann nicht einmal daran denken, wie ich damit aussehen werde. Weshalb ich über dem Shirt nichts, als einen hellgrauen Hoodie anziehe, um mich vor der Kühle draußen zu schützen.

Es in meinem Zimmer nicht aushaltend gehe ich die Treppen hinunter und höre Nate aus der Küche rufen. "Ich habe dein Toast schon angefangen zu essen! Du warst zu lange weg, Prinzesschien!" Sein Grinsen ist herauszuhören, aber ich finde mich unfähig vor, auch nur etwas darauf zu antworten außer: "Mir egal."

Und als er zusieht, wie ich mir Vans anziehe, wird er nur verwirrter. "Wo willst du hin?"

"Nur mal raus. Ich bin Abends wieder Zuhause." Bevor er noch etwas sagen kann, husche ich mit Schlüssel und Handy in den Händen aus der Tür und gehe ziellos die Straße hinunter. Mitchel müsste jeden Moment da sein.

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