Kapitel 98

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Mit einem rotierenden Bauch klopfe ich laut an Jordans Haustür und warte unwohl fühlend. Zwar sind laut ihm seine Eltern nicht Zuhause, aber mich beschäftigt eher immer noch die Sache von Mitchel. Und von Eric. Ihr Verhalten war nicht nur fragwürdig, sonder hat mich letzte Nacht kaum ein Auge zu kriegen lassen, weil ich einfach so viel darüber nachdenken musste. Alles ist so durcheinander.

Und obwohl wir uns heute extra Zeit genommen haben, bevor wir zu meinen Großeltern fahren, weiß ich immer noch nicht, wann ich die Sache ansprechen soll. Ich will ihn nicht verärgern.

Die dünne Tür wird schwungvoll geöffnet, doch Jordan sieht kaum so kraftvoll aus. Eher aufgewühlt und angespannt. Es funkt in seinen Augen, als sie mich sehen und er lässt mich eintreten. Dabei hat sich der Innenraum seit meinem letzten Besuch kaum verändert. Nur der Müll. Und sobald ich wenige leere Fläschchen sehe, die sicherlich mal die Schlaftabletten seiner Mutter aufbewart haben, zuckt ein kleiner Schauer über meinen Rücken. Ein weiter Punkt auf meiner Schuldsliste: Nie seine Eltern kennengelernt zu haben und ihnen mit meinem schon beschämend vielen Vermögen nicht zu helfen.
Wortlos nimmt er mich bei der Hand und zieht mich in sein Zimmer, um sich dort aufs Bett zu setzen. Und komischerweise ist die Atmosphäre zwischen uns unangenehm. "Wie geht es deinem Bein?" frage ich kleinlaut.
"Gut. Es ist nichts." Ich möchte seinem Leichtsinn widersprechen, doch beiße mir den Blick abwendend auf die Unterlippe. Wenigstens ist er wie versprochen Zuhause geblieben, um sich zu schonen.

Es bleibt still, bis er leise brummend fragt, ob ich ihn meinen Großeltern wirklich vorstellen will.  Sein Blick sieht dabei so verletzt aus, dass ich in meinem Schneidersitz den Rücken straffe und ihn erschrocken ansehe. "Natürlich will ich das. Wieso nicht?" Einen Moment verzieht er den Mundwinkel doch zuckt nur die Schultern und sieht auf seine Knie, die über dem Bettrand ragen.

Ich versuche etwas in seinem Gesicht zu erkennen, doch ich schaffe es nicht. Es sieht einfach nur leer aus. Er presst irgendwann die Lippen aufeinander und ich überlege schon die Fragen der Nacht zu äußern, doch er kommt mir zuvor. "Du...hattest mal etwas von einem Typen erzählt, der dir bei den Versammlungen deiner Großeltern immer auf die Pelle rückt und dich letztens mit nach Hause nehmen wollte.."
Mit schnellem Puls krümme ich die Brauen. "Ja, wieso?" hauche ich und bin nervös, was jetzt kommen mag.

Wieder lässt er sich Zeit, bis sein lodernder Blick mit gesenktem Kopf zu mir sieht. Ohne etwas zu sagen steht er auf und geht zu seinem Bücherregal auf der anderen Seite, um etwas davon zu entnehmen und sich wieder zu mir zu setzen, bevor seine kräftigen Finger es mir geduldig reichen.
Verwirrt nehme ich es an, aber kann nicht sehen, was in seinen Augen umherspuckt. Es ist ein Bild und als ich es umdrehe, halte ich den Atem an, als ich Edwin auf einer Straße gehend erkenne. Anscheinend wurde das Bild von ihm geschossen, ohne, dass er es gemerkt hatte.

"Ist er das?" brummt seine Stimme zu mir und ich schlucke nervös.
"J-..Ja." krächze ich.
"Ein Mitglied der Rander hat mir das heute gegeben. Sie meinen, sie sehen ihn manchmal in deiner Nähe." Entsetzt sehe ich zu seinem strengen Gesicht auf. "Er stalkt dich, Haley." brummt er. So, wie seine Verbündeten? Doch ich bin zu sprachlos, als dass es meine Lippen verlässt.
Es nicht fassend lasse ich das Bild auf die Laken fallen und gehe mir überfordert durchs Haar. Also hat er mich wirklich beobachtet, ohne, dass ich es gemerkt habe.

Er gibt mir einen Moment mit meinen Gedanken und beobachtet mich genau, bevor er weiter spricht. "Ich wollte mich nur bei dir vergewissern lassen, dass er ist, bevor ich dagegen vorgehe."
Zu seiner gefährlich dunklen Stimme sehe ich entgeistert auf.
"Was hast du vor?"
Momentan spannt er sich an und ich weiß, jetzt wars das mit dem Großteil seiner Geduld. "Das weiß ich noch nicht, aber sobald ich ihn in die Finger bekomme wird sich schon was ergeben, glaub mir."
"Jordan, nein. Tue ihm nichts."
Seine Gesichtszüge verhärten sich und ich kann schon die Adern auf seinem Hals sehen. "Wie kannst du sowas sagen? Dieser Mistkerl macht sich an dich ran und ich soll nichts dagegen machen?? Ich reiße ihm den Kopf ab." knurrt er.

Beruhigend hebe ich die Hände. "Es wäre keine gute Idee, weil seine Eltern wirklich gut mit meinen Großeltern befreundet sind und es einen größeren Schaden verursachen würde, als du denkst. Außerdem-"  "Was schert es mich! Dann soll er keinen solchen Scheiß abziehen und meine Freundin bedrängen!" presst er hervor, "Dieser Hurensohn wird bluten." presst er hervor und steht aufegwühlt auf um zu tigern, während er versucht seine Wut zu kontrollieren.
Ich befeuchte angespannt meine Lippen bevor ich mich gefasst zu ihm drehe. "Außerdem hat er eine viel größere Macht als wir Jordan. Er würde dich nicht einfach davonkommen lassen und wir könnten von Glück reden, wenn er seine besten Anwälte gegen dich los sendet, statt jemand anderes..." Zornig sieht er mich an.
"Dann bringe ich diesen Geld verfressenen Bastard einfach um! Dann wird er nichts mehr machen können."  "Jordan!" rufe ich geschockt aus. "Wäre nicht mein erstes Mal und ich würde es ihn spüren lassen." knurrt er tief, was mich mit offenen Mund da lässt.
Ich möchte fragen, ob das die Wahrheit ist, doch kann keinen Mucks von mir geben, während ich seinen angespannten Rücken anstarre. Dafür bilden sich Tränen in meinen Augen, die nicht rauskommen, weil ich es nicht wahr haben will.

Es vergeht eine lange Zeit, in der einfach nur hin und her geht, sich aufgebracht durch die Haare geht und Schwierigkeiten hat nicht aggressiv auszuschnaufen. Er merkt nicht einmal, wie ich schockiert dasitze, weshalb ich den Mund schließe und alles, was gerade in mir rumort runterschlucke, um ihn beherrscht anzusehen. "Jordan." sage ich geschwollen, doch er hört es nicht. Erst beim zweiten, deutlich lauteren Mal widmet er sich mit wütendem Blick wieder mir zu.

Wortlos tappe ich neben mich aufs Bett und unterdrücke das Zittern, das mit meinem schweren Herzen aufkommt. Erst nach einer kurzen Pause kommt er wieder zu mir und lässt sich grob auf das Bett fallen. Kurz betrachte ich seinen gesenkten Blick wehmütig, bevor ich mich aufrapple und ihn von der Seite, so gut es geht, umarme. Und auch wenn er es nicht erwidert halte ich es einfach und starre auf einen Punkt.

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