Chapter 70

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Jisung POV

Kurz bevor ich los mache, ziehe ich mich um und krame eine halbwegs ordentlich Jeans aus dem untersten Fach meines Schranks hervor. Als ich aufstehe wird mir wieder schwindelig.
Alles wird schwarz und meine Knie weich. Obwohl ich gegen die Dunkelheit ankämpfe, die sich anbahnt, bin ich zu schwach.
Ich falle und schlage mit dem Kopf gegen einen offen stehenden Schieber.
Schmerz durchfährt mich von meinem Kopf aus und ich zische auf.
Erst als ich auf dem Hintern sitze und keuchend atme, beruhigt sich alles. Mein Blick wird wieder klarer und ich bekomme das Gefühl in meinen Körper zurück. Mein Herz beruhigt sich langsam und ich atme langsamer.
Ich fasse mir an die pochende Stelle an meinem Kopf und spüre eine kleine Wunde.
Ich ziehe meine Finger zurück und sehe ein kleines bisschen Blut an diesen.
Wow wie erbärmlich.
Ich bin so blöd gefallen, dass ich mir den Kopf aufgeschlagen habe?
So ein Mist aber auch.
Mit wackligen Beinen kämpfe ich mich hoch und halte mich an meiner Schrankwand fest.
Der Schwindel legt sich und ich kann ins Bad gehen.
Im Spiegel betrachte ich die kleine Wunde an meiner Stirn.
Es ist nur ein kleiner Kratzer, der schon aufgehört hat zu bluten, aber es sieht trotzdem scheiße aus und wird einige Zeit zum abheilen brauchen.
Ich wasche die Wunde aus und trockne die Stelle ab. Das Wasser brennt, doch ich beiße die Zähne zusammen.
Ich sollte jetzt wirklich gehen.
Ich ziehe mich fertig an und gehe zum Auto.

Beim Supermarkt checke ich wie hoch meine Maske sitzt und ob meine Kapuze und meine Cap meine Wunde verdeckt.
Sitzt alles.
Dann mal los.
Ich steige aus und laufe in den Laden. Schnell suche ich mir alles zusammen, was ich die nächsten Tage essen kann.
Gurke, Erdbeeren, Käse, Aufstrich, Ramen, Nudeln, Tomatensoße, Salami, Brot.
Das sollte reichen.
Auch wenn ich gerade kaum Hunger habe und mir eher wieder schlecht wird bei dem Gedanken an Essen und vor allem nachdem ich gestern alles wieder heraus gebracht habe, kaufe ich trotzdem so viel, da sich der Hunger bald schon zeigen wird.
Während ich an den Regalen vorbei laufe, versuche ich so viele Blickkontakte wie möglich zu vermeiden. Das funktioniert auch, weil kaum Leute einkaufen sind, an der Kasse treffe ich allerdings auf eine bekannte Person.
Als ich hoch schaue begegne ich Changbins Blick.
"Jisung...?", sprachlos starrt er mich an.
"Hey", meine ich mit kraftloser Stimme.
"Scheiße wie siehst du denn aus? Was ist passiert?" Er kommt auf mich zu und zieht mich in eine Umarmung. Seine muskulösen Arme schließen sich fest im mich und ich lehne mich an ihn.
Meine Kraft verlässt mich und mein Kopf sinkt auf seine Schulter. Kleine Tränen laufen ungewollt über meine Wange und brennen auf der schon total gereizten Haut.
Als er sich von mir löst, wischt er mir erschrocken die Tränen von den Wangen.
"Jisung rede mit mir." Seine Stimme ist ganz sanft.
"Mir geht es nicht so gut", meine ich bloß und sehe betreten auf den Boden.
"Scheiße das seh ich. Kann ich dir helfen?", fragt er und ich sehe überrascht auf. Er fragt nicht nach was wirklich los ist, sondern nimmt es einfach hin. Ich lächle leicht.
"Kannst du mir beim tragen helfen?", frage ich und sehe auf meinen Einkauf.
Er lacht leise und nickt.
"Klar kein Problem."
Er nimmt mir die schwere Tasche von den Schultern. Schnell bezahlt er sein Zeug und nimmt es in die andere Hand.
Ohne meinen Beutel laufe ich hinter ihm lang und fühle mich gleich viel leichter.
Wir laufen zu meinem Auto und er stellt alles in den Kofferraum.
"Soll ich mit dir nach Hause fahren?", fragt er und ich überlege kurz. Naja dann könnte er mir wieder beim Tragen helfen. Das ist gar nicht mal so schlecht.
"Ja okay."
Wir steigen jeweils in unsere Autos und er fährt mir hinterher.
Vor meiner Wohnung halten wir und trägt mir wieder meinen Einkauf.
Im Fahrstuhl ziehe ich die Kapuze und Cap vom Kopf und lehne mich an das kalte Stahl.
"Was ist mit deiner Stirn?", fragt er und kommt näher. Besorgt schaut er auf den Kratzer an meiner Stirn und fährt mit seinen Fingerspitzen darüber.
Mein Gesicht zuckt vor Schreck und Schmerz, was ihm nicht verborgen bleibt.
"Jisung was ist passiert?", fragt er nochmal besorgt.
"Ich...i-ich bin gestürzt", murmle ich beschämt. Irgendwie ist es mir peinlich, dass ich ohnmächtig geworden bin und dann so blöd gegen meinen Schrank gestürzt bin.
"Gestürzt?", fragt er ungläubig.
"War das jemand?" Seine Stimme ist scharf und er verzieht die Augen zu Schlitzen.
"Nein nein. Ich bin so halb ohnmächtig geworden und dann mit dem Kopf gegen eine Kante geknallt. Hat schon weh getan, aber es ist ja nur ein kleiner Kratzer."
Er starrt mich an.
"Warum bist du umgekippt? Bist du krank?" Er fasst an meine Stirn und passt dabei auf, diesmal nicht meine kleine Wunde zu berühren.
"Ich hab zu wenig gegessen. Deswegen war ich einkaufen."
Er nickt verstehend und in diesem Moment öffnet sich der Fahrstuhl. Wir laufen zu meiner Tür und ich schließe sie auf.
Gemeinsam gehen wir in die Küche und er legt den Einkauf auf dem Tisch ab.
"Jisung was ist hier los? Sei ehrlich. Alles ist ganz dunkel."
Er sieht sich um und mustert die heruntergelassenen Rolladen.
Ich antworte ihm nicht, sondern zucke nur mit den Schultern.
"War Felix deshalb so panisch am Wochenende? Er hat sich total Sorgen gemacht und das hat sich erst heute beruhigt, als du ihm geschrieben hast."
"Tut mir leid das er sich Sorgen gemacht hat. Ich wollte ihm keine Angst machen. Mir ging es nicht so gut am Wochenende", rede ich mich um die Antwort etwas herum.
Ich weiß nicht ob ich Changbin erzählen soll, was wirklich los ist. Das ich total Liebeskummer habe und gerade einen wichtigen Menschen verloren habe.
Verdammt ich liebe ihn. Ich liebe Minho. Doch ich habe ihn verloren.
Mir treten wieder Tränen in die Augen, doch ich wische sie sofort wütend weg.
Er kommt auf mich zu und zieht mich eine Umarmung. Seine kräftigen Arme legen sich um meinen Brustkorb. Ich lege meine Arme um seinen Hals und kuschle meinen Kopf in seine Halsbeuge. Sein leichter Parfumduft steigt mir in die Nase.
Er ist nicht so toll wie Minhos, aber irgendwie angenehm. Ein Duft der mich an Felix erinnert.
Ich schluchze leise und er drückt mich fester an ihn.
"Hey ganz ruhig", er streichelt mir über den Rücken.
"Ich bin ja da", flüstert er, als ich wieder schluchze.
Langsam löse ich mich von ihm und muss plötzlich gähnen. Gleichzeitig knurrt mein Magen laut.
"Soll ich dir etwas zu essen machen und du legst dich derweilen hin?", fragt er und streicht mir die Haare aus dem Gesicht.
Ich zucke mit den Schultern und nicke dann. Ich bin viel zu erschöpft um dagegen zu protestieren.
Soll er doch machen. Ich werde nichts dagegen einwenden.
Also schlürfe ich in mein Zimmer und ziehe meine Hose und meine Jacke aus.
Schnell schlüpfe ich unter die Decke und sobald ich das Kopfkissen berühre, schlafe ich ein.

Changbin POV

Als ich Jisungs Zimmer Tür ins Schloss fallen höre, seufze ich laut auf und stütze mich mit beiden Händen auf die Theke.
Mein Kopf hängt zwischen meinen Schultern und ich kann kaum glauben, was da gerade passiert ist.
Jisung sieht aus wie der Tod höchst persönlich. Seine Augen sind rot und blutunterlaufen. Seine Wangen ganz leicht schmaler und eingefallen. Er ist ganz blass und sieht total müde und geschafft aus.
Seine Haut ist rissig und seine Lippen kaputt.
Er muss das ganze Wochenende geweint haben. Mein Herz verzieht sich bei diesem Gedanken unangenehm.
Jisung ist Felix bester Freund und somit ist er wichtig. Selbst wenn sie nicht beste Freunde wären, würde ich mich um ihn sorgen.
Er ist ein so kleiner und zierlicher Junge. Seine ganze Statur ist schmal und fragil. Wie bei Felix.
Vermutlich fühle ich mich auch deshalb so unwohl, bei dem Gedanken, dass es ihm schlecht geht und er verletzt ist.
Ich weiß das Felix genauso verweint aussehen würde und das, würde mir das Herz wirklich brechen.
Also muss ich Jisung helfen. Ich bin kein begabter Koch, aber ich bin auch nicht gänzlich verblödet. Ich packe seinen Einkauf aus und bereite ihm damit etwas zu essen.
Es ist nur Ramen, aber Felix hat mir ein paar Tricks gezeigt, wie man es noch leckerer machen kann.
Während ich darauf warte das alles fertig wird, nehme ich mein Handy und sehe auf die Uhrzeit.
15.26 Uhr
Es ist schon eine Stunde her, das ich zum Einkaufen los gefahren bin. Felix wird sich sicher fragen wo ich bleibe. Also rufe ich ihn besser an.
Es klingelt zwei mal, dann nimmt er den Anruf entgegen.
"Binnie? Alles okay? Wo bleibst du?", fragt er mit leichter Sorge in der Stimme.
Mein armer kleiner Lixie.
"Keine Sorgen baby, mir geht es gut. Ich hab Jisung beim Einkaufen getroffen und ihn dann nach Hause gebracht."
"Oh je. Ihm geht es nicht gut oder?", er klingt total nervös.
Ich lasse meine Hand über meine Augen gleiten und seufze leicht.
Nicht gut gehen ist definitiv untertrieben. Jisung sah so fertig aus. So hab ich ihn noch nie gesehen, da muss etwas passiert sein. Vermutlich weiß Felix auch was, aber ich will nicht nachfragen. Wenn Jisung mir genug vertraut, wird er es mir verraten.
"Changbin?", fragt Felix nach.
"Ja Lixie. Es geht ihm nicht gut. Er ist total fertig. Ich bin bei ihm und mache ihm gerade etwas zu essen. Er hat sich wieder schlafen gelegt."
"Bitte pass gut auf ihn auf. Er..da ist etwas vorgefallen, aber ich weiß nicht-", er stockt.
"Du musst es mir nicht sagen Baby. Wenn er bereit dazu ist, kann er es mir selbst sagen. Alles okay."
Ich höre Felix beruhigt seufzen. Aber ehrlich. Ich bin ihm doch nicht böse, wenn er das Geheimnis seines besten Freundes für sich behält.
"Willst du nicht lieber vorbei kommen Felix? Ich denke das wird ihm helfen."
Kurz ist Stille am anderen Ende.
"Na gut, aber ich habe kein Auto. Dann dauert es ein bisschen, weil ich noch auf die Bahn warte."
"Tut mir leid das ich dich nicht abholen kann."
"Ach keine Sorge. Bleib lieber bei ihm und pass auf. Ich bin so schnell wie möglich da."
"Okay dann bis gleich baby."
"Bis gleich." Er legt auf und ich kümmere mich weiter um das Essen.
Ich schalte über mein Handy leise Musik an und ziehe währenddessen die Vorhänge etwas auf. Dann schalte ich ein paar Lichter an, drehe die Heizungen höher und mache es etwas kuschliger.
In dieser Eishöhle kann Jisung nicht weiter leben.
Vielleicht sollten wir ihn mit zu uns nehmen. Ober wir bleiben erstmal hier. Ich muss das Felix vorschlagen. Wir müssen dem Kleinen helfen.

Etwa eine halbe Stunde später ruft mich Felix an und ich öffne ihm die Tür. Er fällt mir in die Arme und legt seine Lippen auf meine.
Ein wildes Feuerwerk explodiert in mir. So wie jedes Mal, wenn er mich küsst. Es ist berauschend.
"Hey baby", flüstere ich und ziehe ihn an meine Brust.
"Wo ist er?", fragt er flüsternd nach Jisung.
"In seinem Schlafzimmer, er schläft immer noch. Aber das Essen ist fertig. Ich hab eine Portion für dich mitgemacht und auf dich gewartet, bevor ich ihn wecke."
"Danke Binnie. Dann geh ich ihn mal wecken."
Er zieht seine Jacke und Schuhe aus und verschwindet in Jisungs Schlafzimmer. Ich höre nur wie er leise die Tür schließt.
Ich gehe zurück in die Küche, stelle das Essen hin und decke den Tisch.
Hoffentlich kann Felix ihn beruhigen.

I Can't take my eyes off you || Minsung ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt