Chapter 98

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Jisung POV

"Hey Chan, kann ich dich mal was fragen?"
Der Ältere nickt und setzt sich zu mir an den Tisch. Schnell trinke ich noch einen Schluck und sehe dann zu ihm auf.
"Gerade eben, da...", ich stoppe kurz, da ich gar nicht genau weiß, wie ich es ihm sagen soll.
"Hattet ihr lautstark Sex. Schon wieder", sagt dann Chan unverblümt und ich lache etwas verlegen.
"Ja das auch. Aber danach ist etwas seltsames passiert. Also Minho, er...also ich hab gerade getoppt und nach dem Sex ist Minho irgendwie komisch gewesen", sage ich dann einfach.
Da Chan ja schon bestens über unser Sexleben Bescheid weiß, kann ich ihm das jetzt auch erzählen, beschließe ich. Schließlich hab ich eine wichtige Frage und er kann mir da vielleicht helfen.
"Also Minho er...er hatte einen kleinen 'Aussetzer'", sage ich und male Strichchen in die Luft.
"Meinst du, er war nicht mehr er selbst?", fragt Chan und ich nicke daraufhin. Er seufzt laut und fährt sich durch die Haare. Sein Blick ist plötzlich sehr traurig.
"Was ist denn?", frage ich besorgt.
"Du weißt doch von Minhos ersten Mal oder? Also sowohl das mit mir, als auch das mit diesem Typen, richtig?"
Ich nicke.
"Ich vermute dieser Typ ist weitaus gröber gewesen, als Minho zugeben möchte und ich glaube-"
"Du meinst, er wurde vergewaltigt!?", fragt ich bestürzt und reiße meine Augen auf.
Schmerzen machen sich in meiner Brust breit. Mein armer Minho, was musste er bloß erleiden?
"Nicht unbedingt. Minhos Aussage nach, wollte er es, aber ich glaube, es kommt an eine Vergewaltigung ran. Er hatte solche Schmerzen und an seinen Hüften waren schon blaue Flecke. Ich hab damals nichts zu ihm gesagt, weil ich ihm keine Angst machen wollte. Er war so stolz von seiner Mutter los gekommen zu sein und so froh mit mir zu leben, dass ich ihm diese Freude nicht kaputt machen wollte. Deshalb hab ich mich dazu entschieden, eine bessere Erinnerung zu machen und ihm vielleicht so helfen konnte. Ich hab versucht so vorsichtig wie möglich zu sein. Er hatte solche Angst, selbst mit mir. Wir kennen uns schon ewig und er weiß, wie sehr ich ihn liebe. Also wie einen Bruder, versteht sich. Und doch hatte er solche Angst..."
Nachdenklich sieht Chan aus dem Fenster und in weite Ferne.
Meine eigenen Gedanken rasen. Minhos Vergangenheit ist so beschmutzt von unschönen Erinnerungen. Wie gern ich diese einfach mit neuen ersetzen wollte. Ihm all diese Sorgen und schlechten Erfahrungen nehmen. Hätten wir uns doch bloß schon eher kennen und lieben gelernt...
Ich lege eine Hand auf Chans und streichle ihn langsam.
"Danke Chan. Du hast das Richtige gemacht. Vermutlich wäre er in noch mehr Panik verfallen. Und doch konntest du ihm zeigen, dass es nicht normal ist, so grob mit jemandem umzugehen. All die Sanftheit die du ihm gezeigt hast, schenkt er jetzt mir. Du hast ihn zu einem liebevollen und sanften Menschen gemacht. Danke dafür und danke, dass du dich so gut um ihn gekümmert hast. So einen guten und umsichtigen Freund findet man selten. Ich danke dir von ganzem Herzen."
Er lächelt mich schwach an und dreht seine Hand, so dass er seine Finger mit meinen verbindet.
"Wir müssen beide für ihn da sein. Ich werde euch in jeder Krise beistehen. In jeder Situation in der ihr um meine Hilfe bittet, werde ich da sein, okay? Versprich mir nur, dass du ihn immer aufrichtig lieben wirst, ja? Ich habe mir immer eine Person wie dich an Minhos Seite gewünscht."
Ich nicke und wische mir die Tränen aus den Augenwinkeln.
"Ich verspreche, dass ich gut auf ihn aufpassen werde. Und ich liebe ihn und ich habe nicht vor, damit aufzuhören." Chan nickt schniefend und wischt sich ebenfalls ein paar Tränen aus den Augenwinkeln.
"Nochmal zu deiner Frage. Diesen Aussetzer hatte er damals auch. Ich glaube es ist einfach eine Art Schutzmechanismus, welcher sein Gehirn betreibt. Er bekommt es selbst gar nicht mit. Damals dachte ich, dass es völlig normal nach so einer Erfahrung ist, aber wenn er es immer noch hat..."
"Sollten wir es ihm sagen?", frage ich und sehe ihn ratlos an.
"Ich weiß nicht. Denkst du nicht, es wird ihn unnötig beunruhigen?"
"Möglich wäre das. Vielleicht sollte ich es ihm nicht gerade jetzt sagen. Wegen euren Prüfungen, dann denkt er vielleicht daran und kann sich nicht konzentrieren", gebe ich zu bedenken.
"Das ist möglich. Dann lieber danach oder?"
"Ich denke schon. Ich denke ich werde es ihm danach erzählen. Vielleicht wird es bis dahin auch besser. Bis jetzt war er allein. Jetzt kann er lernen sich völlig auf mich einzulassen, vielleicht hilft das."
Chan nickt. "Mach das so."
Noch eine Weile sitzen wir gemeinsam in der Küche und reden über dies und das. Ich bin froh, dass ich mit Chan darüber reden kann und er mich versteht. Obwohl es mich ein wenig schmerzt, dass Chan meinem Liebsten schon einmal so nahe war, bin ich doch froh, dass Minho ihn an seiner Seite hatte. Wie ich schon sagte, Chan hat ihn zu dem  Menschen gemacht, welcher er heute ist.
"Na ihr beiden worüber redet ihr?", fragt Minho, als er in die Küche kommt. Er hat eine dunkle kurze Hose und ein graues Shirt an. Seine Haare sind noch feucht vom Duschen und tropfen auf sein Oberteil. Er steht an der Theke und setzt den Wasserkocher an.
Bewundernd sehe ich ihn an. Minhos Anblick allein, lässt mich all die Liebe und Wärme spüren, welche er immer in mir auslöst. Ich stehe auf und schlinge von hinten meine Arme um seine Mitte.
"Wie geht es dir?", frage ich leise und küsse seinen Nacken. Minho seufzt leise und lehnt sich in die Berührung.
"Erstaunlich gut. Mein Po tut kaum weh. Du warst sehr vorsichtig. Dankeschön", fügt er hinzu, als er sich zu mir umdreht und mir einen Kuss gibt. Sein Atem schmeckt nach Zahnpasta und ich muss leicht lächeln.
"Das freut mich. Ich wollte dir auch nicht weh tun. Nur ein wenig Spaß haben", meine ich und zwinkere ihm zu.
"Na den hatten wir ja", sagt er und zwinkert ebenfalls. Wir lachen leise und lehnen uns aneinander.
"Ich bin auch noch da, aber lasst euch nicht stören", sagt Chan, ohne von seinem Handy auf zusehen und trinkt einen Schluck seines Kaffees. Wir kichern leise und werden dann vom klickenden Geräusch, des Wasserkochers unterbrochen. Minho füllt eine Kanne mit dem heißen Wasser und hängt zwei Teebeutel hinein.
"Lass uns einen Tag im Bett machen, okay? Ab morgen muss ich mich auf die Schule konzentrieren."
Ich nicke und werde fast schon traurig, bei dem Gedanken, ab morgen weniger Zeit mit Minho verbringen zu können. Es fühlt sich so selbstverständlich an, ihn jeden Tag und jede Minute für mich zu haben.

Den ganzen Tag liegen wir zusammen auf der Couch, trinken zusammen Tee, essen Kekse und schauen die verrücktesten Filme und Serien.
Minho hält mich dabei die ganze Zeit im Arm und krault immer wieder meinen Kopf oder streichelt über meine Hand.
Ich versuche Minho mindestens genauso viel Zuneigung zukommen zu lassen und ihn genauso geliebt fühlen zu lassen. Sein Aussetzer ist nach wie vor präsent in meinem Kopf und ich grüble wie ich Minho das Gefühl geben kann, nicht mehr in Panik zu verfallen, wenn er jemanden an seinen Körper ran lässt.
Irgendwie werde ich es ja schaffen müssen. Vielleicht sollte ich darauf achten, ihn mehr zu loben und sanfter zu sein. So oft wird es jedoch sowieso nicht vorkommen. Schließlich liebe es genauso, wenn Minho die volle Kontrolle über mich hat.
"Worüber hast du den ganzen Tag lang nachgedacht?", fragt mich Minho, als wir uns Abends gemeinsam in sein Bett legen.
"Was meinst du?"
"Naja, also du wirkst die ganze Zeit ein wenig abwesend. Was nicht schlimm ist, ich frag mich bloß, was dich so sehr beschäftigt."
Er sieht mich aufmerksam an und streichelt mir über die Wange.
"Ach über viele Sachen", winke ich ab und gebe ihm einen Kuss zur Beruhigung.
"Lenk nicht ab. Sag mir was dich beschäftigt. Was geht in deinem hübschen Kopf vor?", fragt er und gibt mir noch einen Kuss. Ich lächle ihn an und streichle ihm die weichen Strähnen seines dunklen Haares aus der Stirn.
"Ich hab mich gefragt, wie wohl die Zukunft für uns beide aussehen wird. Weißt du, nächste Woche wirst du sehr beschäftigt sein mit Lernen und ich werde versuchen, dir so viel Freiraum wie möglich zu geben , obwohl ich eigentlich nicht auf dich verzichten möchte. Dann habe ich überlegt, ob ich vielleicht mal wieder meine Eltern besuchen fahre."
"Deine Eltern?", fragt mich Minho verwundert und legt den Kopf ein wenig schief.
"Ja meine Eltern. Sie wohnen außerhalb von Seoul und ich sehe sie immer nur in den Ferien, oder wenn sie mal für ein Wochenende her kommen, was zugegeben, sehr selten ist, deshalb hab ich sie schon sehr lang nicht mehr gesehen."
"Und verstehst du dich gut mit ihnen?" Ich nicke.
"Ich hab noch einen großen Bruder, aber der ist auch schon ausgezogen. Deshalb freuen sich meine Eltern bestimmt über Besuch."
Er nickt verstehend und legt seinen Kopf auf meinem Oberkörper ab. Seine Hand legt sich an meine Taille und er malt kleine Muster auf meine Haut.
"Und möchtest du ihnen von mir erzählen? Denkst du sie verstehen es?"
"Du meinst, ob sie mich dann immer noch lieb haben und dich akzeptieren?" Er nickt schwach.
"Ich glaube meine Eltern werden mich trotzdem lieben. Sie haben uns nie vorgegeben, wen wir lieben sollen oder das es nur Liebe zwischen Jungen und Mädchen gibt. Sie werden es verstehen. Trotzdem bin ich aufgeregt. Du bist die wirklich erste ernsthafte Beziehung die ich habe und das will ich ihnen natürlich nicht vorenthalten." Er nickt wieder und küsst meine Brust.
"Ich hoffe sie freuen sich darüber." Seine Stimme ist leise und irgendwie traurig.
Schnell hebe ich seinen Kopf an und sehe in seine trostlosen Augen.
"Hey...was bedrückt dich denn? Wegen meinen Eltern? Sie werden dich ganz sicher akzeptieren. Du brauchst dir da keine Sorgen machen. Wenn sie sehen oder von mir hören, wie toll du bist, dann werden sie dich mögen."
"Das ist es nicht..."
"Was dann? Sprich mit mir Lino", sage ich und ziehe seinen Kopf für einen Kuss zu mir. Als wir uns lösen, sieht er schon ein wenig glücklicher aus.
"Es ist eigentlich albern, weißt du..."
"Sag es mir trotzdem."
"Na schön. Also ich freue mich, wie tolerant du deine Eltern einschätzt, aber ich bin vielleicht...ein wenig n-neidisch. Meine Mutter weiß schon, dass ich schwul bin, aber sie hat es nie wirklich ernst genommen und sollte so ein Thema mal auftauchen, war sie immer total abwertend und hat sich darüber lustig gemacht. Ihr ist es total egal, wie gut es mir mit dir geht oder dass du mir hilfst, mit allem klar zu kommen und das du eine emotionale Stütze für mich bist. Ihr ist es einfach egal, was aus mir wird. Würde ich auf der Straße landen, würde sie trotzdem nicht anrufen oder mir einen Aufenthalt anbieten", er seufzt leise und legt seinen Kopf wieder auf meiner Brust ab.
"Ach baby...lass dich davon nicht runterziehen. Ich hab es dir schon mal gesagt. Wenn deine Mutter nicht sieht oder erkennen will, was für ein großartiger Mensch du bist, dann sollte sie sich schlecht fühlen. Sie verpasst schließlich alles und das sie deine Sexualität nicht ernst nimmt, ist sowas von verblödet. Ich meine in welchem Jahrhundert leben wir denn? Mach dich deswegen nicht fertig. Ich weiß es ist ein schwacher Trost, aber ich bin mir sicher, dass meine Familie dich gern aufnimmt und selbst wenn nicht, dann machen wir unsere eigene Familie ja? Eigentlich sind wir das auch schon. Zusammen mit den drei anderen Idioten." Jetzt lächelt er wieder und drückt seine Hand auf meine Haut.
"Danke Jisung", flüstert er und haucht mir einen Kuss auf die Wange.
"Nichts zu danken. Wie du sagtest, ich bin deine emotionale Stütze und ich habe die Aufgabe, deine düsteren Gedanken zu verjagen." Übertrieben selbstlos strecke ich meine Brust raus und werfe meine imaginären langen Haare zurück. Er fängt an zu kichern und stürzt sich auf mich drauf, um mich in eine chaotische Knutscherei zu verwickeln.
Wie sehr ich diese Momente liebe.

I Can't take my eyes off you || Minsung ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt