Chapter 112

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Jisung POV

Mein Vater sitzt mit dem Rücken zu mir auf der Treppe die von der Terrasse in den Garten führt.
Die Ellebogen auf den Knie und seinen Kopf mit seinen Händen gestützt. Er scheint in Gedanken versunken zu sein, da er in die Ferne schaut, obwohl da nichts zu sehen ist. Nur der blaue Himmel und davor der endlose Wald in einiger Entfernung.
Zaghaft laufe ich näher und setze mich dann neben ihn. Mit einem ausreichendem Sicherheitsabstand, der mich sicher fühlen lässt.
"Hey", sage ich leise und sehe ihn von der Seite her an.
Erst denke ich, dass er mich ignorieren wird, doch nach einigen Momenten dreht er seinen Kopf. Doch er antwortet nicht, sondern mustert nur mein Gesicht, ehe er wieder in Gedanken versinkt und seine Augen unscharf werden.
Ich bleibe deshalb still und sehe selbst in die Ferne.
Ich weiß nicht, ob mein Vater jetzt überhaupt mit mir reden will oder ob er mich jetzt verachtet, aber ich bei einer Sache bin ich mir sicher.
Egal was er zu mir sagen wird, ich werde mich niemals von Minho trennen. Ich werde niemals anders über ihn denke, als jetzt, egal was mein Vater gleich zu mir sagen wird.
Minho liebt mich und ich liebe ihn und das werde ich so lange, bis Minho mich nicht mehr will. Wobei, vermutlich würde ich ihn auch darüber hinaus noch lieben.
"Seit wann weißt du es?", fragt er irgendwann und unterbricht meine Gedanken.
"Was genau?"
"Das du auf Männer stehst? Könnte es nicht passieren, dass du plötzlich auf deinen Bruder stehst? Der sieht auch gut aus."
Verständnislos sehe ich meinen Vater an und fühle mich, mit seinen Worten, mehr als nur ein bisschen von ihm angegriffen.
"Was zum Teufel..? Er ist mein Bruder!?", protestiere ich und sehe ihn wütend an. Wenn mein Vater mir so dumm kommt, kann ich das Gespräch auch sofort beenden. Schließlich biete ich ihm gerade die Möglichkeit sich bei mir zu entschuldigen. Ich habe nichts falsch gemacht!
"Ja aber er ist auch ein hübscher junger Mann und du stehst doch auf Männer."
"Papa bist du verrückt?", rufe ich laut und jetzt sieht er zum ersten Mal zu mir auf. Er sieht etwas erschrocken aus und doch steigt noch mehr Wut in mir auf.
"Nur weil ich mit einem Jungen zusammen bin, heißt das nicht, dass ich mich jedem Mann gleich aufdrängen will. Oder stehst du etwa auch auf Mamas Mutter, weil du stehst ja auf Frauen stehst!?"
Jetzt runzelt er die Stirn und denkt nach.
"Nein tu ich nicht. Du hast Recht, verzeih, das war ein dummer Gedanke."
"Sehr dumm", murmle ich und entspanne mich wieder ein wenig. Seine komische Nachfrage bringt mir ganz durcheinander. Aber warum zum Teufel sollte ich auch plötzlich etwas für meinen Bruder übrig hätte. Das ist eklig.
"Weißt du, ich bin etwas sehr überfordert mit deinem Geständnis. Erst erzählst du gestern Abend, dass Felix jetzt plötzlich schwul ist und heute sagst du, dass du auch schwul bist. Das hätte ich niemals von dir erwartet."
Obwohl mein Vater ruhig und besonnen redet, klingen seine Worte wie eine Anschuldigung und ich fühle mich wieder angegriffen.
"Papa ich habe mir nicht ausgesucht Gefühle für einen Jungen zu entwickeln, Es ist einfach passiert und jetzt bin ich damit trotzdem sehr glücklich."
"Aber du standest doch immer auf Frauen. Ich dachte immer du wärst total der Mädchenschwarm." Seine Stimme klingt traurig, als ob ein Teil seiner Fantasie und sein Stolz für mich nun mit meinen Worten vergangen sind.
"Bin ich auch, aber die Jungs stehen halt auch auf mich."
"Aber müssen denn jetzt alle plötzlich schwul sein!? Ist das so ein neuer Trend bei euch?"
Schockiert starre ich ihn an und springe dann wütend auf.
"WIE KANNST DU SOWAS BEHAUPTEN? Das ist kein bescheuerter Trend, ich hab dir schon gesagt, ICH HAB ES MIR NICHT AUSGESUCHT, ES IST EINFACH PASSIERT! Und ich bin nicht einfach schwul. Ich liebe Minho für seine Persönlichkeit und für die Gefühle die er in mir auslöst. Mir ist völlig egal, welches Geschlecht er hat, solange er mich liebt und mir das Gefühl gibt, dass Wertvollste in seiner ganzen verdammten Welt zu sein. Also hör jetzt auf damit!!", fahre ich ihn an und balle meine Hände zu Fäusten, während ich versuche meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen. Mein Blut rauscht laut in meinen Ohren und ich spüre wie ich kurz davor bin, noch mehr zu explodieren.
Wenn mein Vater Minho nicht akzeptiert, werde ich ihn nie wieder Papa oder sowas nennen und er wird für mich gestorben sein. Er soll mich und meine Rntscheidungen akzeptieren und mich bei allem unterstützen.
"Aber, denkst du nicht, dass kommt daher, dass Felix auch-"
"Wenn du nicht sofort damit Schluss machst, fahre ich in den nächsten 10 Minuten wieder nach Hause und du siehst mich nie wieder. Ich hab mein eigenes Leben und ich werde es auch schaffen, ohne euer Geld zu überleben", sage ich mit eisiger Stimme und kneife meine Augen zusammen um mein eben Gesagtes zu unterstreichen.
Als er allerdings nichts erwidert und nur auf den Boden starrt, werde ich wieder wütend und will an ihm vorbei stürmen um meine Worte wahr werden zu lassen.
"Nein warte, Jisung", sagt er und hält mich an meinem Handgelenk zurück.
"Geh nicht. Deine Mutter bringt mich um."
"Schön, dass du dich wenigstens um sie kümmerst, aber nicht um mich, obwohl du mich hier gerade verletzt. Aber anscheinend bin ich dir ja sowieso total egal, bei Felix akzeptierst du es. Ich hab dich nämlich gestern Abend noch mit ihr reden hören, aber bei mir? Deineme igenen Sohn? Wieso akzeptierst du mich nicht so wie ich bin? Bedeute ich dir so wenig?", frage ich leise und sehe auf den Boden, als kleine Tränen in meinen Augen aufsteigen. Schon das zweite Mal heute. So hab ich mir meinen Aufenthalt hier sicher nicht vorgestellt.
Der Kopf meines Vaters schnellt hoch und er sieht mich erschrocken an.
"Aber nein Jisung, denk nicht sowas. Ich liebe dich mit meinem ganzen Herzen. Du bist mein Sohn und wirst immer ein Teil von mir sein. Ich muss nur an all die Dinge denken, die du verpassen wirst in deinem Leben, wenn du dich entscheidest, einen Mann an deiner Seite zu haben. Du wirst niemals bei der Geburt eines eigenen Kindes dabei sein. Noch könnt ihr nicht heiraten und einfach all das, was ein Familienleben ausmacht, wirst du verpassen."
"Aber Papa, wir können noch immer Kinder adoptieren oder über eine Leihmutter Kinder bekommen. Wieso denkst du denn so schwarz? Ich werde später auch eine Familie haben und ich werde Minho heiraten und wir werden ein genauso erfülltes Leben haben, wie alle heterosexuellen Paare. Vielleicht bist du es eher, der etwas verpasst mit einem gleichgeschlechtlichen Partner zusammen zu leben."
Er denkt nach und nickt dann zögerlich.
"Du wirst Recht haben. Ich sollte mir nicht solche Sorgen machen. Ihr werdet euren Weg schon gehen."
Er dreht seinen Kopf und sieht mich lächelnd an. Unsicher lächle ich zurück und ergreife dann seine ausgestreckte Hand.
"Kannst du mir mein ungeschicktes Benehmen verzeihen? Ich wollte dich nicht verletzen. Ich bin einfach ein wenig durcheinander. Ich freue mich, wenn du eine Person gefunden hast, die dir ein neues Zuhause bietet und bei der du dich so wohl und geborgen fühlst. Und ich hoffe, ich kann diesen jungen Mann auch irgendwann nochmal kennenlernen und mir selbst ein Bild über den Jungen machen, der meinem kleinen Sohn den Kopf verdreht hat."
Er strubbbelt mit bei seinen Worten durch die Haare und ich kichere leise. Vorsichtig rutsche ich an ihn heran und kuschle mich dann an seine Seite. Er legt einen Arm um meine Schultern und gibt mir einen Kuss auf den Kopf.
"Mein kleiner Sohn. So klein bist du gar nicht mehr. Du bist so groß und erwachsen. Als ich dich aus dem Zug steigen sehen hab, sahst du wieder aus wie 10. Mit deinem großen Grinsen, dem Funkeln in den Augen. Doch du sprichst so viel erwachsener und deine Haltung ist so aufrecht und stolz. Aber egal wie erwachsen und reif du bist, du wirst für mich immer mein Kleiner bleiben. Ist das okay?", fragt er und ich höre aus seiner belegten Stimme heraus, wie sehr ihn diese Worte berühren und wie schwer es für ihn sein muss, mich plötzlich ganz anders zu erleben.
Ich meine, ich bin immer noch derselbe Jisung, der vor einigen Monaten zu Besuch war. Aber es ist viel passiert und ich bin ein Stück weiter mit dem Leben gewachsen.
"Natürlich ist das okay, Papa. Ich hab dich lieb", flüstere ich und schließe meine Augen kurz.
"Ich hab dich auch so unendlich doll lieb."

I Can't take my eyes off you || Minsung ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt