Kapitel 9

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Marie

„Müssen wir wirklich morgen schon abreisen?", fragte Theo verärgert und steckte sich zwei von Maries Pinseln hinter seine spitzen Elfenohren. „Und müssen wir wirklich bis zu den Ferien dortbleiben? Das sind Monate! Ina hat übermorgen Geburtstag! Ich verpasse den Geburtstag meiner kleinen Schwester!"

Marie stellte eine kleine Leinwand auf ihre Staffelei. „Der Unterricht beginnt übermorgen und bis in die Hauptstadt ist es ein langer Weg. Mehrere Stunden mit der Kutsche. Wir kaufen Ina ein schönes Geschenk in der Hauptstadt und schicken es ihr, ja? Etwas Besonderes."

„Das ist nicht dasselbe", maulte er und kramte durch ihre Ölfarben. „Ich war noch nie von hier fort."

„Möchtest du nicht die Hauptstadt sehen? Ich kann es kaum erwarten."

„Doch schon..."

Marie begann einen hellblauen Himmel auf ihre Leinwand zu malen. Es sollte ein Landschaftsbild werden. „Ich verspreche dir, dass wir ihr ein tolles Geschenk kaufen und du kannst ihr Briefe schreiben. Es wird sicher toll! Papa sagte, die Prinzessin würde auch zur Akademie gehen."

„Die Prinzessin? Fängt sie auch an?"

„Ja, es wurde auf ihrem Geburtstagsball verkündet... Ich wäre gern dort gewesen, aber Mama sagte ich sei mit 15 Jahren noch zu jung. Aber man wird nicht jeden Tag auf einen Ball in das Schloss eingeladen!" Marie schnaubte. Ihre Eltern hatten als einflussreiche Kaufleute eine Einladung erhalten. „Vielleicht hätte ich die Prinzessin schon kennengelernt. Ich hoffe, wir werden Freunde!"

„Vielleicht ist sie ganz schrecklich?", entgegnete Theo. „Vielleicht will sie gar nicht mit normalen Leuten reden."

„Schrecklich? Mama sagte, sie sei sehr höflich gewesen. Und willst du wissen, was sie noch erzählt hat?" Marie malte nun hellgrünen Rasen. „Prinz Peter ist am Anfang des Balls im Schlafanzug erschienen! Und später war er so bunt wie ein Papagei. Das hätte ich gern gesehen!"

„Theoooooo! Spiel mit mir!" Die Tür von Maries Zimmer wurde schwungvoll aufgerissen und die Kleine Ina kam hereingelaufen. „Lass uns fangen spielen! Marie muss uns fangen!" Und schon sauste Ina davon und Theo hinterher. Er spielte gerne Fangen. „Fang uns Marie!", rief er lachend.

„Im Haus wird nicht gerannt!", hörte Marie ihren Vater schimpfen, während sie ihren Pinsel zu Seite legte und dann hinter Theo und Ina hinterhereilte.

Sie spielten eine ganze Stunde zusammen, bis es für Marie an der Zeit war ihren Koffer zu packen. Sie würde ihr Zuhause und die kleine Ina vermissen, das wurde ihr nun schrecklich bewusst. Aber sie konnte es auch kaum erwarten, ihre Schulzeit an der Akademie zu beginnen.

Ich kann die Prinzessin kennenlernen und andere Hexen und Zauberer. Es wird sicher fantastisch!

Julia

Vögel zwitscherten unbekümmert. Irgendwo zirpte eine Grille. Die Luft roch nach den Rosenbüschen des Schlossgartens. Julia saß auf einer der weiß gestrichenen Bänke und beobachtete die große Fontäne des Springbrunnens. Das Wasser schoss wie ein Blitz in die Höhe. Ihre Koffer waren längst gepackt.

„Ruhst du dich aus?" Ihre Mutter kam auf sie zu und setzte sich neben ihre Tochter. „Morgen geht es los. Jetzt da deine Abreise bevorsteht will ich dich kaum ziehen lassen."

„Ich würde auch lieber hierbleiben." Julia sah zu ihrer Mutter. Hör auf Feige zu sein, Julia. Lea und Peter hast du ja auch erzählt, dass du nicht zur Akademie möchtest... „Kann ich keinen Privatunterricht bekommen?"

Die Königin schüttelte den Kopf. „Du hattest bislang nur Privatunterricht. Du musst raus in die Welt und Magie lernt man am besten mit anderen Hexen und Zauberern zusammen. Ich habe damals nicht unüberlegt den Besuch der Akademie zur Pflicht für alle jungen Hexen und Zauberer erklärt."

„Du selbst warst nicht an der Akademie."

„Als ich so alt war wie du, gab es die Akademie noch nicht. Und glaub mir, das war nicht von Vorteil. Es gab nur wenige Lehrer und Lehrerinnen die Magie unterrichteten, daher gab es einige Unfälle durch schief gelaufene Zauber. Durch die Akademie gibt es heute viel weniger Unfälle. Deinen Geschwistern hat die Akademie gefallen und sie haben dort viel gelernt. Außerdem bist du kaum unter Gleichaltrigen. Du solltest die Zeit nutzen, um Freunde zu finden. Ein paar der Hexen und Zauberer kennst du ja auch schon. Philip, der Sohn von der Baronin von Blumental und Helga, die Tochter von Gräfin von Kleinberg beginnen auch ihr erstes Jahr an der Akademie. Mit den beiden hast du früher ab und zu gespielt und sie waren ja auch beide auf deinem Geburtstagsball."

„Ich habe nicht viel mit ihnen gesprochen." Helga war eine schüchterne Hexe mit roten Haaren und Philip hatte eine Vorliebe für Sahnetorte und hatte die auf Julias Geburtstagsball angebotene Erdbeersahnetorte beinahe komplett allein verspeist.

Julia beobachtete wie einer der Gärtner Leopold und Marko zeigte, wie die Rosenbüsche zu stutzen waren. Leopolds blaugrüne Libellenflügel schimmerten im Sonnenlicht.

Hübsch... Blaugrün... Wie in meiner Vision.

Die beiden hatten sich für die kurze Zeit gut eingeblebt. Marko war sehr höflich und hatte keine Hemmungen Julia anzusprechen und Fragen zu stellen. Leopold war distanziert, aber freundlich. Die beiden erledigten gewissenhaft die Aufgaben, die ihnen zugetragen wurden. Dabei waren sie teilweise noch etwas unbeholfen, aber sie waren ja noch nicht lange da.

Sorgen machte sie sich um Finn. Der Werwolf schien sich vor den anderen Dienern zu fürchten und sprach kaum ein Wort. Sophie hatte sich seiner Angenommen und er folgte ihr wie ein stiller Schatten.

„Wir werden morgen, bevor du abreist, feierlich frühstücken. Leider wird dein Vater noch nicht zurück sein. Deine Koffer werden nachher schon auf die Kutsche geladen." Die Königin lächelte. „Ich werde dann mal zurück an meinen Schreibtisch gehen. Es wartet ein Berg an Papieren auf mich, die alle unterzeichnet werden wollen."

„Bis später dann." Julia lächelte, während ihre Mutter sie in den Arm nahm. Dann eilte die Königin davon. Morgen geht es schon los... Blöde Magie!

Sie beobachtete, wie Marko etwas erzählte, anscheinend einen Witz, da Leopold lachte. Der Gärtner schüttelte den Kopf und wies auf die Rosen. Herzlich Willkommen im Schloss. Für Bedienstete ist Spaß verboten. Julia stand von der Bank auf und machte sich auf den Weg in ihr Zimmer.

Peter

Die Köchin sah ihn böse an. „Finger weg von den Törtchen!", tadelte sie. Kurz darauf verbrannte er sich die Finger an einem frisch gebackenen Stück Kuchen. Die Creme fehlte noch, aber das war ihm egal.

„Die sind für morgen früh, Peter! Kühl deine Finger unter dem Wasserhahn." Luise nahm ihm den heißen Kuchen mit einem sauberen Geschirrtuch wieder ab. Peter eilte zum Wasserhahn und ließ kaltes Wasser über seine armen Finger laufen.

Er schätzte es sehr, dass Luise ihn einfach nur mit dem Namen ansprach. Das taten nur sehr wenige.

„Kuchen ist zum Essen da!", protestierte er.

„Wenn ich dich ein Stück essen lasse, ist kurz darauf alles weg. Ich kenne dich Peter!" Sie warf ein Küchentuch nach ihm. Peter wich lachend aus.

„Du bist genau wie dein Bruder Paul. Er hat auch immer versucht mir Kuchen zu stehlen. Ingried war die bravste von euch drein. Sie hat vorher gefragt! Ich vermisse die beiden. Hast du von ihnen gehört? Ingrieds 35. Geburtstag war doch auch vor kurzem, richtig?"

„Ja, sie hatte Geburtstag. Ich habe ihr eine Karte geschickt."

„Wie nett." Die Köchin begann Erdbeeren zu waschen. „Ist deine kleine Schwester aufgeregt? Morgen verlässt sie das Schloss."

„Sie möchte nicht zur Akademie. Ich würde sofort mit ihr tauschen... Obwohl... Babette wünsche ich ihr nicht."

„Babette? Die Tochter vom Baron?"

„Genau die."


(c: sasi)

Hexe - Der AufstandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt