Kapitel 10

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Marie

Mia weinte. Maries Schwester verstand noch nicht, was vor sich ging, doch sie war von dem Trubel alarmiert. Maries Vater versuchte sie zu trösten... Nichts half.

Eine große, dunkle Kutsche stand vor ihrem Wohnhaus. Sie war ein starker Kontrast zu der hellen Fassade des Hauses. Theo lud grade Maries Koffer auf und unterhielt sich mit dem Kutscher. Einem jungen Mann mit langem Bart und einer langen Narbe auf der linken Wange. Theos Schwester streichelte eines der Kutschpferde und fragte ihre Mutter, ob sie auch ein Pferd haben könnte. Ihre Mutter verneinte leise. Ina protestierte sofort und zählte alle Gründe auf, warum sie dringend ein eigenes Pferd brauchte. Theos Vater brachte den kleineren Koffer seines Sohnes aus dem Haus und lachte, als Ina versprach auch alleine das Pferd zu füttern.

Marie war aufgeregt. Endlich ging es los. Endlich begann ihre Zeit an der Akademie.

„Hast du auch alles was du brauchst?", fragte ihre Mutter ebenso aufgeregt. „Deine Bürste? Seife? Handtücher?"

„Ja, Mama. Ich habe nichts vergessen. Und wenn doch, kann ich mir alles was mir fehlt in der Stadt kaufen."

„Ich werde dich vermissen." Maries Mutter wischte sich eine Träne aus den Augen. „15 Jahre alt. Meine Tochter geht zur Akademie. Ich bin sehr stolz auf dich. Du findest sicher viele Freunde. Ja? Und schreib uns jede Woche."

„Mach ich Mama." Marie beobachtete, wie sich Theo von seiner Familie verabschiedete. „Ich schreibe dir jede Woche."

„Und mir nicht?" Ihr Vater drückte sie mit nur einem arm, da er die schreiende Mia mit dem anderen Arm trug.

„Euch beiden."

„Gut." Ihre Mutter nickte. „Du solltest jetzt in die Kutsche steigen. Du hast eine lange Fahrt vor dir. In der Kutsche findest du einen Picknickkorb mit Essen und Wasser für dich und Theo. Und jetzt los. Die Akademie wartet auf dich."

Ich kann es kaum erwarten!

Julia

„Waren das alle Koffer Eure Hoheit?", fragte Leopold höflich.

„Ja, mehr habe ich nicht. Musst du noch deine Koffer holen?" Julia beobachtete, wie seine Flügel bei der Frage leicht zitterten. Ist er aufgeregt?

„Meine Tasche befindet sich bereits im Gepäckraum der Kutsche."

„Aber meine noch nicht!" Marko rannte an ihnen vorbei. Er trug eine große braune Tasche und eilte damit zu ihrer Kutsche.

Hinter der hellbraunen Kutsche stand noch ein Gepäckwagen, da Julias Koffer und weiteres Gepäck nicht in den Stauraum der Kutsche passten.

„Er hat vorhin erst angefangen zu packen", erzählte Leopold ihr. „Es war das reinste Chaos."

„So schlimm?"

„Dramatisch!" Er lachte leise. Leopold hatte ein schönes Lachen.

Julia lachte. Also sehr schlimm... Was hat Marko denn gemacht? „Wo sind Sophie und Finn? Packen sie auch noch?"

„Nein. Ihre Taschen sind schon in der Kutsche." Leopold beobachtete, wie Marko ungeschickt seine Tasche auflud und schmunzelte amüsiert. „Ich weiß nicht, wo sie sind, aber sie müssten bald kommen."

„Meinetwegen können sie ewig brauchen...", murmelte Julia.

Leopold zog die Augenbrauen hoch. „Ewig? Wollt Ihr nicht zur Akademie?"

„Nicht wirklich, nein." Obwohl die drei Diener nun ein paar Tage im Schloss arbeiteten und Julia begleiten würden, waren sie ihr noch fremd. In den vergangenen Tagen hatte sie nur sehr wenig mit ihnen gesprochen. Sophie hatte die drei außerdem mit verschiedenen Aufgaben auf Trab gehalten.

Leopold sah überrascht aus. Warum ist er überrascht? „Ich schaue mal nach wie Sophie und Finn sind. Ich bin gleich wieder da Prinzessin", verkündete er leise und eilte in das Schloss.

Ihre Mutter und Peter kamen nun auf sie zu. Lea und Fritz waren bereits abgereist. Peter trug noch immer Julias Kette um den Hals.

Die Königin umarmte Julia und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Du wirst eine schöne Zeit haben. Ich weiß, dass du mich stolz machen wirst. Lerne fleißig, ja?"

„Und keine Partys in den Zimmern der Jungen!", verkündete Peter und ahmte dabei den Tonfall ihrer Mutter nach. „Zieh jeden Tag einen frischen Schlüpfer an, wasch dir die Füße und tanz morgens um drei im Nachthemd um den Springbrunnen."

„Peter!", zischte die Königin.

„Springbrunnen?", fragte Julia.

„Irgendwo wird es schon einen geben." Peter zwinkerte ihr zu. Dann machte er die Kette ab und hielt sie ihr hin. „Die Hätte ich dir längst zurückgeben sollen, Schwesterchen."

„Behalte die Kette. Sie steht dir besser als mir." Julia zwinkerte ebenfalls. „Babette liebt Ketten."

„Ins besonders an mir."

„Ihr zwei redet Unsinn", tadelte ihre Mutter. „Babette ist ein liebes Mädchen. Sie hat euren Spott nicht verdient."

„Wir spotten doch nicht!" Peter tat so, als sei er zutiefst verletzt und legte sich eine Hand aufs Herz. „Mutter, du kränkst mich! Das trifft mich zutiefst. Meine eigene Mutter wirft mir vor, zu spotten. Julia? Wie soll ich das ertragen?" Julia lachte.

„Du bist unmöglich Peter." Die Königin verschränkte die Arme. „Lass diese Albernheiten."

Aus dem Schloss kam nun Leopold mit Sophie und dem wie immer verängstigt wirkenden Finn. Julia beobachtete, wie Sophie ihm beim Gehen über den Rücken strich und etwas zu ihm sagte. Was, konnte sie nicht hören.

„Wir wären dann abfahrbereit, Eure Hoheit", wand sich Sophie an Julia als sie in Hörweite war mit einer leichten Verbeugung.

Marie

Theo war eingeschlafen. Marie sah aus dem Fenster zu wie Landstriche, Städte und Dörfer an ihr vorbeizogen. Sie hielt ein Marmeladenbrot in der Hand und bemerkte nicht, wie ihr Marmelade auf den gelben Rock tropfte. In ihren Gedanken war sie längst an der Akademie. Sie bis von ihrem Brot ab. Kirschmarmelade. Ihre Lieblingsmarmelade.

Inzwischen fuhr die Kutsche durch die Straßen der Hauptstadt des Hexenterretoriums. Die Häuser waren bunt bemalt. Menschen eilten die Straßen entlang. Es war laut und bunt und wunderbar. Bis zur Akademie konnte es nicht mehr weit sein. Sie lag etwas außerhalb der Stadt.

Und von hier aus ist es nicht mehr weit bis nach Schlossstadt und bis zum Schloss. Schlossstadt liegt nur etwas mehr als zwei Stunden von der Hauptstadt entfernt. Vielleicht kann ich mir die Stadt an einem Wochenende ansehen... Wenn meine Eltern mir genügend Geld für die Kutschfahrt schicken... Warum liegt das Schloss eigentlich nicht in der Hauptstadt? Das Schloss würde ich gerne sehen. Schlossstadt soll auch sehr schön sein. Klein und edel.

Die dunkle Kutsche fuhr aus der Stadt hinaus, einen schmalen Weg entlang und durch ein großes, goldenes Tor hindurch und Marie sah die blauen Dächer und weißen Wände der Gebäude der Akademie.

Sie war angekommen.


(c: sasi)

Hexe - Der AufstandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt