Kapitel 40

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Agathe

Fritz hatte seiner Mutter einen Brief geschickt. Vor lauter Arbeit war sie noch nicht dazu gekommen, ihn zu lesen. Die Königin saß in ihrem Büro und öffnete den Umschlag nun eifrig. Sie zog den Brief aus dem teuren Briefumschlag und begann zu lesen. Fritz erzählte von dem Trubel, der in den Krankenhäusern ausgebrochen war. In einigen Städten klagten Bürger über einen juckenden Ausschlag, der sich schnell verbreitete und hoch ansteckend war und von Fieber begleitet wurde. Eine Hexe war sogar daran gestorben, da kein Heiler rechtzeitig zu ihr kam. Dennoch war Fritz davon überzeugt, die Situation in den Griff zu bekommen. Die Ursache des Ausschlags war noch unbekannt.

Der zweite Teil seines Briefes war wesentlich erfreulicher. Fritz hatte sich verlobt und wollte seine Verlobte bald seiner Familie vorstellen. Paula, so hieß seine Verlobte, hatte vor kurzen in einem der Krankenhäuser eine Stelle angenommen und dort hatten sie sich getroffen.

Agathe lächelte. Es war also kein Gerücht. Fritz hatte jemanden gefunden. Er schrieb nicht, ob sie eine Hexe war und welche Tätigkeiten sie im Krankenhaus übernahm, doch Agathe ging davon aus. In den Krankenhäusern arbeiteten nur wenige Sterbliche. Fritz hatte sicher weise gewählt. Er wollte am Ende der Woche mit seiner Verlobten zum Abendessen kommen.

Zufrieden legte sie den Brief beiseite. Auf ihrem Schreibtisch lag die Tageszeitung, die sie jeden Nachmittag las. Sie nahm sich die Zeitung und blätterte darin. Eine Schlagzeile machte sie stutzig:

‚Unehelicher Sohn einer Dienerin behauptet, der Sohn des Königs zu sein.'

Irritiert las sie den Artikel.

Die Zeitung berichtete von einem Gespräch des Königs mit dem jungen Mann, dass im geheimen stattgefunden haben sollte und wovon die Zeitung durch einen geheimen Informanten erfahren hatte. Empört stand sie auf und suchte mit der Zeitung in den Händen ihren Mann.

Friedrich saß in der Bibliothek und las.

„Was hat das zu bedeuten?" Vorwurfsvoll hielt sie ihm den Artikel entgegen.

Friedrich zog die Augenbrauen hoch. „Was hat was zu bedeuten?"

„Lies! Und dann erklär es mit bitte!" Sie war wütend. So wütend wie schon lange nicht mehr.

Ihr Mann nahm die Zeitung entgegen und las den skandalösen Artikel. „Nun, vor einigen Tagen kam ein junger Mann zu mir, der behauptete mein Sohn zu sein... Er wollte, dass ich ihn offiziell anerkenne. Ein Betrug natürlich."

„Und wie konnte er auf diese Idee kommen?"

„Nun... Er ist anscheinend der Sohn einer Dienerin, die vor wenigen Wochen ihre Stelle verloren hat. Sie wurde beim Stehlen erwischt. Vermutlich wollte sie sich rächen."

Agathe wusste genau, wann ihr Mann sie anlog. Er hatte sie kein einziges Mal angesehen. Das tat er immer, wenn er ihr etwas verheimlichte oder log. „In dem Artikel steht, der junge Mann ist fünfundzwanzig."

„Ist das von Bedeutung? Es ist nur ein Schwindel... Vermutlich hat er sich selbst an die Zeitung gewandt, als ich ihn abgewiesen habe. Ich wollte dich nicht beunruhigen, daher habe ich dir nichts erzählt?"

„Sicher? Vor fünfundzwanzig Jahren..." Sie erinnerte sich daran, ihren Mann einige Male die Personaltreppe hochkommen gesehen zu haben... Wie lange war das her? Etwa fünfundzwanzig Jahre? An seine Ausrede diesbezüglich konnte sie sich nicht mehr erinnern. Es gab für sie kaum einen Grund, die Personalräume aufzusuchen. „Ich möchte den jungen Mann kennen lernen."

„Warum?" Nun sah Friedrich sie an. „Das ist doch Unsinn."

„Wir werden ihn zum Abendessen einladen. Ich möchte mir selbst ein Bild davon machen!"

„Damit die Zeitung noch mehr zum Tratschen hat? Peter heiratet bald. Dann hat die Zeitung diese Kleinigkeit vergessen."

„Wir werden ihn einladen." Sie wollte die Wahrheit mit eigenen Augen sehen. „Ach ja... Fritz ist verlobt. Er wird Ende der Woche mit seiner Verlobten zum Abendessen kommen." Wütend verließ sie die Bibliothek.

Es war eine Katastrophe.

Julia

Finn war krank. Kleine rötliche Punkte verzierten seinen linken Arm und er kämpfte mit einem hohen Fieber. Sophie hatte bereits nach einem Heiler gerufen, da die Krankenschwester der Akademie außer Haus war, doch noch war er nicht da. Marko wich nicht von Finns Seite. Der kranke Wolf lag in seinem Bett und schlief.

Wo er sich angesteckt hatte, wussten sie nicht.

Leopold hatte einige Flecken auf der Hand, aber noch kein Fieber. Er saß im Wohnzimmer und trank Tee. Julia saß in der Küche und versuchte ihre Hausaufgaben zu machen, während Sophie nach den beiden kranken sah. „Marko hat auch Flecken", informierte sie Julia. „Er hat sie eben an seinen Unterarmen entdeckt. Was auch immer es ist, ich hoffe, wir haben uns nicht angesteckt."

„Woher kann der Ausschlag nur kommen?", fragte Julia.

„Ich weiß es nicht. Aber in den letzten Wochen war auffällig viel Personal krank, für das Leopold und Marko einspringen mussten. Vielleicht war es dieser Ausschlag?"

„Ja, vielleicht." Julia legte ihre Hausaufgaben zur Seite. „Wie fühlst du dich?"

„Mir geht es gut. So schnell haut mich nichts um!"

Es klopfte an der Tür zu ihrer Wohnung und Sophie öffnete einem jungen Mann die Tür. Julia beobachtete das Gespräch von der Küchentür aus. „Sie brauchen einen Heiler?", fragte der Mann. „Ich bin so schnell wie möglich gekommen."

„Das ist gut." Sophie lächelte erleichtert. „Die drei Diener der Prinzessin haben Ausschlag. Mir und ihrer Hoheit geht es gut..."

„Ausschlag?" Der Heiler runzelte die Stirn. „Das sehe ich mir besser gleich an. In letzter Zeit tritt das häufig auf..."

Der Heiler behandelte Julias kranke Diener und auch Sophie und sie selbst, da er davon ausging, dass sie sich ebenfalls angesteckt hatten, es nur noch nicht zu erkennen war. Als er ging, waren bei Finn, Marko und Leopold keine Punkte mehr zu sehen. Der Heiler würde am nächsten Tag wiederkommen und die Behandlung wiederholen, damit sie wirklich gesund waren. Dieser Ausschlag galt als besonders resistent und aggressive. Bis dahin sollte Julia dem Unterricht fernbleiben.

Leopold

Finn und Marko schliefen. Marko hatte sich als Wolf vor Finns Bett zusammengerollt. Sie alle waren erschöpft von der Aufregung. Er beobachtete, wie Finn sich im Schlaf umdrehte und etwas murmelte.

Er ließ die beiden Schlafenden in Ruhe und ging in die Küche, um sich einen Tee zu kochen.

Die Prinzessin hatte ihn geküsst.

Er hatte die Prinzessin geküsst.

Er hatte ihr von seinen Gefühlen erzählen wollen, damit sie diese Abweisen konnte und er sich ohne ein schlechtes Gewissen auf seine Aufgabe konzentrieren konnte. Er wollte dadurch von seinem Plan ablenken. Ihr Vertrauen hatte er bereits gewonnen. Jetzt sollte sie ihn als bemitleidenswerten, armen, verliebten Diener sehen...

Aber es war anders gekommen...

Er lächelte.

Es war zu war nicht nach Plan gelaufen, doch das sollte seinem Vorhaben nicht im Wege stehen. Er würde die Gefühle der Prinzessin für sich nutzen, damit sie keinen Verdacht schöpfte. Damit sie ihm vertraute. Damit sein Plan Erfolg hatte. Sie sollte glauben, dass er sie liebte. Sie sollte glauben, er sei ehrlich. Er konnte diese neue Situation zu seinen Gunsten nutzen.

Es gab nur ein kleines Problem.

Er war wirklich in sie verliebt.

Aber der Plan hatte Priorität.

Sein Volk hatte Priorität.

Die Zukunft hatte Priorität.

(c: sasi)

Hexe - Der AufstandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt