Kapitel 87

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Marie

Nach dem Unterricht kehrte sie müde in ihr Zimmer zurück und ließ ihre Tasche unliebsam auf den Boden fallen. Ihre Mitbewohnerin saß an ihrem Schreibtisch und sah genervt aus.

„Was ist los?", fragte Marie daher und ließ sich auf ihr Bett fallen.

„Dein Diener war eben hier."

„Theo?" Ist seine Schicht in der Wäscherei bereits vorbei? „Was wollte er?"

„Papier, um einen Brief zu schreiben und wissen, wann du kommst. Du solltest deinen Diener nicht einfach hier hereinkommen lassen, Marie! Er ist ein Diener! Er wollte sogar hier auf dich warten! Also wirklich. Ich habe ihn fortgeschickt."

„Fortgeschickt? Warum? Er hätte hier gerne auf mich warten können." Marie umarmte ihr Kissen. „Hast du etwas dagegen?"

„Allerdings, ja! Ich möchte nicht, dass ein Diener einfach so in unseren Raum kommt. Wenn er für dich etwas erledigen soll, ist das etwas anderes, aber so? Das ist unverschämt. Ich habe ihn daher an seinen Platz erinnert!"

„Du hast was?" Nun setzte Marie sich auf.

„Ich habe ihm gesagt, dass Diener sich nicht in den Zimmern ihrer Herren und Herrinnen aufhalten dürfen! Das gehört sich nicht! Und du lässt ihn einfach deine Sachen nutzen? Außerdem hat er dabei meine Privatsphäre gestört! Meine Dienerin ist nie hier, wie du weißt, außer sie bringt mir etwas, worum ich sie gebeten habe!"

Marie stand von ihrem Bett auf, schob die Tasche zur Seite, und verschränkte die Arme. „Du hättest mir das längst sagen können, anstatt meinen Diener zu behelligen! Woher sollte ich wissen, dass es dich so sehr stört? Wir sehen uns später." Grimmig verließ sie ihr Zimmer und machte sich auf den Weg zu den Zimmern der Diener, um nach Theo zu sehen. Sie musste unterwegs ein paar Diener danach fragen, wo genau sein Zimmer war. Sie bislang noch nie dort gewesen war und verlief sich auf der Suche, bis sie versehentlich in die Herrendusche lief. Mit rotem Köpf und sich entschuldigend rannte sie hinaus. Ein Herr hatte gerade geduscht. Der Zustand des Raumes erschütterte sie. Die Fliesen waren kaputt, die Duschen alt und es gab keinerlei Privatsphäre...

Schließlich fand sie Theos Zimmer.

Als Theo ihr die Tür öffnete sah er traurig aus. Sehr traurig. „Ist alles in Ordnung?", fragte Marie daher.

„Komm erst mal rein, Marie." Er machte ihr Platz und Marie betrat den kleinen, kühlen Raum. Das Zimmer war spärlich eingerichtet. Es gab ein schmales Bett, einen einfachen, ebenso schmalen Schrank, einen kleinen Tisch und einen Stuhl. Marie setzte sich auf den Stuhl und betrachtete Theo prüfend.

„Meine Mitbewohnerin hat dich rausgeschmissen?"

Theo seufzte. „Und sie war dabei nicht besonders freundlich. Aber mir geht es gut. Ich habe Papier und einen Stift von dir genommen. Meiner ist kaputt..." Theo setzte sich auf sein Bett und zeigte auf einen Bleistift, welcher zusammen mit einem Brief auf dem Tisch lag.

„Behalte den Stift. Ist noch etwas? Du warst so still in letzter Zeit. Bedrückt dich etwas?"

„Nein. Nicht wirklich."

„Nicht wirklich?" Marie stand auf und setzte sich neben ihn. „Dann ist da doch etwas. Was ist es?"

„Nicht so wichtig..."

„Mir ist wichtig!", widersprach Marie.

„Ich bin neidisch auf jemanden, sonst nichts. Es ist alles gut." Theo sah sie nicht an. Stattdessen betrachtete er den Stuhl, auf welchem Marie gerade noch gesessen hatte. „Erst war ich auf die Prinzessin neidisch... Ich dachte, du seist verliebt in sie."

Hexe - Der AufstandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt