Kapitel 97

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Julia

Einige überlegten zum Bach zu gehen, um sich frisch zu machen. Doch der Wind war eiskalt. Die Gefahr sich zu erkälten war hoch und sie hatten keinerlei Medizin bei sich. Julia wusste nicht genug über Krankheiten, um diese heilen zu können. Jetzt, weit weg vom Schutz ihrer Heimat, verstand Julia den Nutzen von Magie. Ja. Es wäre sehr hilfreich, wenn sie bereits ihre volle Magie nutzen konnte. Aber darauf musste sie warten. Aber wie sollte sie lernen, ihre Magie passend anzuwenden? Hier gab es niemanden, der ihr dies zeigen konnte. Zum ersten Mal war sie das, was sie immer sein wollte. Ein normales Mädchen. Zumindest fühlte sie sich so und es gefiel ihr nicht. Warum nur war sie so hilflos? Ohne die Drachen wäre ihr Bruder nun tot. Sie hätte ihn beinahe verloren. Und sie hatte ein schlechtes Gewissen. Ihr Bruder wurde gerettet, doch für viele Elfen des Dorfes hatte es keine Rettung gegeben.

Ein älterer Elf mit schneeweißen Libellenflügeln war auf sie zugekommen, um sich noch einmal für ihren Einsatz zu bedanken. „Wir haben deine Freundlichkeit nicht verdient!", sagte er. „Einige von uns waren überzeugt davon, dass es richtig war, ein Kind auszunutzen. Nicht alle, nein. Aber der Älteste war Langezeit ein guter, weiser Anführer. Niemand hat es gewagt, sich ihm direkt in den Weg zu stellen... Wir hätten es tun sollen, aber wir waren feige. Unsicher. Das bedaure ich."

Julia wusste nicht, was sie ihm entgegnen sollte. Sie fühlte sich, als hätte sie das Dorf im Stich gelassen. Sie wollte sie alle retten.

„Ich bin froh, dass du jetzt bei uns bist, Kind." Der Elf lächelte. „Aber ich bedaure die Umstände. Du solltest nicht hier sein. Kinder gehören zu ihren Eltern."

„Die Königin ist keine Mutter", antwortete Julia schließlich. „Und vielen Dank. Ich wollte euch alle retten. Aber ich habe es nicht geschafft."

„Aber du hast uns gerettet, Kind." Der Elf zwinkerte ihr zu. „Mein Name ist Thilo. Und ich danke dir für mein Leben." Dann ging er und überließ Julia wieder ihren Gedanken. Julia seufzte. Hatten sie den Dank des Elfs verdient?

„Juli!", hörte sie Finn rufen. Er und Marko kamen auf sie zu. Die beiden Wölfe wirkten aufgeregt und Finn löste sich von Marko, um, so schnell ihn seine Füße trugen, zu Julia zu eilen.

„Was ist los?", fragte sie und fing Finn auf, als er drohte in ihre Arme zu stolpern. Er verzog das Gesicht schmerzerfüllt. „Ist alles gut?"

„Nein. Aber das wird wieder... Mein linker Fuß tut weh... Aber der heilt wieder." Er klammerte sich an sie und vergrub das Gesicht in dem Stoff ihrer Kleidung. Marko betrachtete ihn voller Mitleid und strich über sein Haar.

„Wir haben zwei Werwölfe gerochen. Sie sind auf dem Weg hierher", erklärte Marko.

„Hierher? Flüchtlinge?" Warum waren Wölfe hier? Ihre Mutter hatte ihnen vor wenigen Jahren das Verlassen ihrer Städte und Dörfer, außer, um zur Arbeit zu gehen, verboten. Genau wie den Elfen.

„Das wissen wir noch nicht. Aber es ist anzunehmen, ja. Sie haben Finn und mich sicher längst gerochen. Daher kommen sie hierher. Ein erwachsener und ein Kind."

„Was ist los?" Leopold, der bis eben mit der kleinen Claudia gespielt hatte, kam auf sie zu. „Ihr seht besorgt aus."

„Werwölfe. Wir bekommen Besuch", antwortete Julia. „Wir wissen nicht, was sie wollen. Vielleicht sind sie auch auf der Flucht."

Leopold nickte. „Ich informiere meine Eltern." Er gab Julia einen flüchtigen Kuss auf die Wange, dann eilte er davon.

Es dauerte nicht lange, bis zwei Wölfe auf sie zu kamen. Ein etwa vierzig Jahre alter, blasser Mann mit dunkelbraunen Wolfohren und ebenso braunen Augen und ein etwa sechs Jahre alter Junge mit braunen Ohren, hellbrauner Haut, krausen Haaren und fast schwarzen, dunklen Augen. Julia kannte den Jungen. Es war das andere Kind aus ihrer Vision. Doch sie verstand noch immer nicht, warum sie die beiden Kinder in Visionen gesehen hatte.

Hexe - Der AufstandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt