Kapitel 95

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Julia

Sie gingen nun seit Stunden. Langsam dämmerte es. Kinder jammerten. Sie waren müde und hungrig. Die Gruppe suchte nach einem Platz, wo sie über Nacht verweilen konnten. Es würde bald zu dunkel sein, um weiterzuziehen. Hanno stritt mit einem Elfen. Julia hörte nicht zu.

Neben ihr gähnte Josefine. „Ich wünschte, wir wären schon da."

„Das stimmt. Und ich hoffe, eines der Dörfer nimmt uns auf. Wir haben nichts, um uns ein eignes Dorf aufzubauen." Julia seufzte und sah zu Leopold. „Es tut mir leid. Ich hatte gehofft, dein Dorf retten zu können."

Leopold schüttelte den Kopf. „Du hast getan, was du konntest. Wer weiß, ob wir ohne dich noch leben würden. Wenn sich jemand entschuldigen muss, dann ich. Ich kann mich nicht oft genug bei dir entschuldigen."

Julia drückte seine Hand. „Ich verstehe, warum du es getan hast. Aber Leo? Ich weiß nicht, ob ich dir noch vertrauen kann... Ich weiß es wirklich nicht. Nicht, dass ich eine Wahl hätte. Wir sind aufeinander angewiesen. Wir alle. Aber..."

„Ich habe vieles kaputt gemacht." Leopold drückte ihr einen Kuss auf die Hand. „Es tut mir unendlich leid, Juli."

„Wofür denn?", fragte Josefine neugierig. „Wofür musst du dich entschuldigen?"

Leopold lächelte sie zerknirscht an. „Ich war sehr dumm. Dafür."

„Oh. Ach so." Josefine runzelte die Stirn. „Meint ihr, die Steppe hat Platz für zwei Drachen? Mein Onkel hofft darauf, aber ich weiß nicht... Was ist, wenn kein Dorf uns aufnehmen will? Ich will nicht von euch getrennt werden."

„Das wird schon nicht passieren." Julia sah zu ihrem Bruder. Peter sah unzufrieden aus. Würde er die Drachen begleiten müssen, wenn kein Dorf sie akzeptierte? „Josefine? Wie funktioniert diese Drachenhochzeit? Das Teilen des Lebens?"

„Es verbindet die beiden Drachen. Sie teilen ihr Leben. Peter lebt jetzt genau so lange wie mein Onkel. Und wir Drachen können ewig leben... Nur ich nicht. Ich habe Mamas Krankheit geerbt. Ich werde nicht ewig leben."

„Krankheit?" Leopold sah beunruhigt zu ihr. „Was für eine Krankheit?"

„Eine Erbkrankheit. Sie schwächt uns Drachen immer mehr, bis wir sterben. Meine Mama ist dreihundert geworden. Aber mein Onkel hat die Krankheit nicht. Er riecht gesund! Peter hat nichts zu befürchten!"

„Du bist krank?", fragte nun Finn, der bislang still gewesen war. Marko schnaubte träge.

„Ja. Warum reitest du auf dem anderen Wolf?" Josefine hatte die beiden immer wieder interessiert betrachtet.

Finn lächelte mitleidig. „Weil ich auch krank bin. Der Waldboden ist zu uneben für mich."

„Dann haben wir wohl was gemeinsam!" Josefine schmunzelte.

„Wir übernachten hier!", hörten sie Flora rufen. Um sie herum standen hohe Bäume und Hecken. An einigen Büschen hingen noch Beeren, über welche sich Claudia freute. Ihre Mutter ermahnte sie, nicht alles allein zu essen, da andere auch Hunger hatten.

Marko rollte sich auf dem moosbewachsenen Waldboden ein und Finn setzte sich gähnend neben ihn, während Flora und Hanno sich zu ihnen setzten und Proviant verteilten. Julia und Leopold setzten sich zu den zwei Wölfen und Josefine kuschelte sich neben Julia und Marko. Bald gesellten sich auch Fiete und Peter zu ihnen, der den Drachen noch immer unsicher betrachtete. Fiete schien dies nicht zu stören. Während die Gruppe sich unterhielt, kam die kleine Elfe, Maleen, auf sie zu und setzte sich, ohne zu zögern auf Leopolds Schoß.

„Ich will auch Brot!", verkündete sie und zeigte auf die Brötchen.

Lächelnd reichte Hanno ihr ein Stück. Leopold betrachtete das Mädchen amüsiert. „Hast du es bequem?", fragte er.

Hexe - Der AufstandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt