Als Ingried noch sehr jung war traf sie einen Jungen, den sie gerne mochte. Sie war gerade acht Jahre alt, als sie ihn das erste Mal traf. Florian von Grünwies. Er war mit seinen Eltern und seiner älteren Schwester Anette zu Besuch im Schloss und Ingried verstand sich gut mit ihm. Florian war drei Jahre älter als sie und seine Magie hatte sich vor wenigen Tagen gezeigt. Manipulierende Magie. Er saß im Schlossgarten und ließ kleine Figuren aus feuchter Erde mit Schwertern aus kleinen Ästen kämpfen. Ingried war fasziniert und beobachtete den gespielten Schwertkampf mit großen Augen. Ihr jüngerer Bruder Paul spielte in der Nähe mit einem Ball und war beleidigt, da Ingried nicht mit ihm spielen wollte.
Als sie achtzehn war, waren sie und Florian ein festes Paar. Ihre Mutter beobachtete ihre junge Liebe wohlwollend und lud Florian und seine Familie oft zum Kaffee ein. Zu den Kaffeekränzchen lud sie auch die von Schmalbergs ein und machte den nun dreizehn Jahre alten Paul mit der vierzehn Jahre alten Tochter der Familie bekannt. Adelheit war ein hübsches Mädchen, deren magische Begabung sich an ihrem Geburtstag gezeigt hatte. Sie war eine Heilerin. Paul verstand sich gut mit ihr und die beiden wurden schnell Freunde.
Ingried und Florian verkündeten ihre Verlobung bei einem von diesen Kaffeekränzchen. Die Königin strahlte wie ein Honigkuchenpferd. „Wie wunderbar Ingried! Herzlichen Glückwunsch! Wann möchtet ihr heiraten?"
Florian schüttelte amüsiert den Kopf. „Damit wollen wir uns Zeit lassen. In ein paar Jahren, wenn wir uns alt genug dafür finden. Immerhin ist Ingried erst neunzehn."
Der kleine Peter, stolze vier Jahre alt, stieß aufgeregt seinen Früchtetee um. „Heißt das Florian wohnt dann bei uns?"
„Nein, natürlich nicht." Ihr Vater lächelte, während er neben dem Kaffeetisch auf und ab ging, damit die wenige Monate alte Julia schlief.
„Das heißt, dass Ingried in ein paar Jahren auszieht!", verkündete Paul nicht besonders hilfreich.
Peter wurde blass.
„Was? Du ziehst aus?" Tränen kullerten aus seinen Augen und er sah hilflos zu der Königin. „Darf sie das Mama?"
Die von Grünwieses lachten amüsiert, während Agathe ihrem jüngsten Sohn erklärte, dass es ganz normal war, dass seine Geschwister irgendwann ausziehen würden und das das noch ein paar Jahre dauern würde, da Ingried und Florian mit der Hochzeit noch warten wollten.
Ingried war glücklich. Sie war nervös gewesen, da sie sich nicht sicher war, wie ihre Mutter reagieren würde... Sie hatte nie Einwände gegen Ingrieds Beziehung mit Florian geäußert, aber eine Hochzeit war schließlich ein anderes Thema. Doch alles war gut. Alles war perfekt...
Bis Florian neun Jahre später schwer krank wurde und innerhalb weniger Wochen starb. Die nun 28 Jahre alte Ingried war am Boden zerstört und weinte Tage lang. Sie hatten im Sommer heiraten wollen. Ihre Mutter versuchte sie zu trösten, doch nichts schien zu helfen...
An einem Abend kam der nun 23 Jahre alte Paul verbittert in ihr Zimmer.
„Mama möchte, dass ich Adelheit heirate", sagte er und setzte sich neben Ingried, die den Kopf in ihrem Kopfkissen vergraben hatte.
„Adelheit?" Ingried sah mit geröteten Augen ihren Bruder an. Ein paar Tränen schimmerten unter ihren Augen. „Möchtest du denn Adelheit heiraten?"
Paul schüttelte den Kopf. „Nein, sie ist wie eine Schwester für mich. Außerdem..."
„Außerdem?"
„Ich war doch vor einigen Wochen in Schlossstadt..."
Jetzt setzte Ingried sich auf. „Du bist seit einigen Wochen regelmäßig in Schlossstadt."
„Naja..." Paul wurde rot. „Ich habe dort ein Mädchen kennengelernt. Valentina. Ihr Vater ist Bäcker... Er hat seine eigene Bäckerei... Und ich mag sie wirklich gerne. Mama weiß noch nichts davon. Aber ich kann Adelheit nicht heiraten!"
Ingried lächelte. Sie lächelte zum ersten Mal seit Tagen. „Und du möchtest dieses Mädchen gerne heiraten?"
„Nicht sofort..." Paul strich sich nervös ein paar störrische Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Aber irgendwann?"
„Das freut mich für dich!"
„KISSENSCHLAAAAAAAACHT!" Die Tür wurde aufgerissen und die neun Jahre alte Julia stürmte in den Raum und warf sich mit einem Kissen auf ihre ältere Schwester. Peter stand ebenfalls mit einem Kissen in der Tür und lachte schallend. Julia hatte Ingried umgerissen. In Peters Haaren waren ein paar Federn, die ganz offensichtlich aus einem Federkissen stammten und er trug noch immer seinen Schlafanzug, obwohl es längst Mittag war. Seine Mittellangen Haare waren mit Schleifenbändern zu zwei kurzen Zöpfen geflochten worden aus denen sich ein paar Haarsträhnen gelöst hatten.
„Schicke Zöpfe." Paul schmunzelte.
„Julia hat Frisör gespielt." Peter streckte ihm die Zunge raus.
„Und ihr habt euch fleißig mit Kissen geprügelt?" Paul schüttelte lachend den Kopf. „Und warum trägst du noch deinen Schlafanzug?"
„Ich mag meinen Schlafanzug!" Peter warf sein Kissen nach ihm. „Und ich ziehe an, was ich will!"
Inzwischen hatte Ingried sich wieder aufgesetzt und sich ein Kissen geschnappt. Sie warf ein weiteres Kissen Peter zu, da Paul nun seins hatte. Er sah Peter vorwurfsvoll ansah. Doch dann traf ihn Ingrieds Kissen am Kopf.
Kurz darauf brach unter den Geschwistern eine grandiose Kissenschlacht aus.
Am Ende lagen alle vier erschöpft in Ingrieds Bett. Peters Zöpfe hatten sich gelöst und die Schleifenbänder lagen auf dem Boden.
„Ich habe gewonnen!", verkündete Julia.
„Gar nicht wahr!", protestierte Peter keuchend. „Ich habe dich ganz oft mit dem Kissen getroffen! Und wenn, dann hat niemand gewonnen!"
„Dann heiße ich halt Niemand. Ich, Niemand, verkünde feierlich, dass ich gewonnen habe! Was ist mein Preis?" Julia drückte ihr Kissen fest an sich.
„Ingried und Paul warfen sich einen verschmitzten Blick zu, dann begannen sie Julia durchzukitzeln. Julia quietschte und versuchte erfolglos sie abzuwehren.
„Das scheint wohl dein Preis zu sein", rief Peter lachend, der vom Bett geflohen war, bevor er auch durchgekitzelt werden konnte. Doch Paul ließ ihm dies nicht durchgehen. Er sprang vom Sofa auf und versuchte Peter zu kitzeln, der nun lachend davonrannte.
„Bist du noch traurig?", fragte Julia, als Ingried aufhörte sie zu kitzeln. „Ich will nicht, dass du traurig bist. Und Peter will das auch nicht!"
Ingried nahm ihre kleine Schwester in den Arm. „Jetzt geht es mir besser."
„Das ist gut!" Julia vergrub ihr Gesicht in Ingrieds langen Haaren.
(c: sasi)

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Hexe - Der Aufstand
FantasyJulia möchte ein normaler, sterblicher Mensch sein. Ihre ältesten Geschwister sind Hexen, Zauberer. Julia möchte nichts davon. Sie möchte alles hinter sich lassen. Doch das Schicksal hat anderes mit ihr vor: Kurz vor ihrem 16. Geburtstag zeigt sich...