Taehyung
Nach einer halben Prügelei hatte Taehyung es irgendwie hin bekommen Jimin die Autoschlüssel abzuluchsen und sich auf den Fahrersitz fallen zu lassen. Jimin hinterm Steuer war eine reine Katastrophe. Ehrlich. Er fuhr so, wie er flog, ohne darauf zu achten, dass man in der Luft sich doch ein bisschen freier bewegen konnte.
Jimin hatte sich schließlich schmollend auf dem Beifahrersitz breit gemacht - den Sitz nach hinten gefahren, die Füßen auf dem Armaturenbrett ... schön dass er sich immerhin anschnallte - und hatte Namjoon und Chora die Rückbank überlassen.
Taehyung warf einen Blick in den Rückspiegel. Sie sahen schon süß zusammen aus, dass musste er ihnen zugestehen, auch wenn sein innerer großer Bruder noch immer halb am durchdrehen war, weil die kleine Schwester einen Typen anschleppte und er sie beschützen wollte. Doch vor Namjoon?Nein, eigentlich sah auch er es. Er brauchte sie nicht vor ihrem Mate beschützen. Namjoon würde sie auf Händen tragen, dessen wurde er sich mit jedem weiteren liebevollen Blick, den der junge Mann seiner Schwester schenkte, immer bewusster. Sie hätte es wohl gar nicht besser treffen können.
Ihr Band war stark. Taehyung konnte es sehen, seit Chora ihre menschliche Form angenommen. Es kam ihm fast ungewöhnlich hell vor. Das zarte, goldene Funkeln zwischen ihnen blendete fast. Er hatte zu wenig Energie um es auszublenden.
Matebindungen zu sehen war sein pflanzengegebener Perk. Seine Fähigkeit, wenn man so wollte. Er war der Flieder. In der Blumensprache bedeutet das so viel, wie 'zarte, sich entwickelnde, beginnende Liebe', 'Frühlingsgefühle' oder auch generell 'das zarte Band zwischen zwei Herzen'. Zartes Band am Arsch. Es war golden, es glitzerte und es blendete. Darum hatte Taehyung frühzeitig gelernt Energie darin zu investieren, die Matebändern auszublenden, wenn er schon hinnehmen musste, dass er in der Regel mit bekam, wer grade mit wem - auch außerhalb von Matebindungen - anbandelte und wo sich was entwickelte. Manchmal. wollte. man. das. ehrlich. nicht. wissen.
Taehyung wäre aber auch nicht Taehyung, wenn er nicht das beste aus diesen lamen Perk machen würde. Schließlich hatte er einen Jimin zu überbieten. Jimin war als Lotus ziemlich gesegnet, wie Taehyung fand. Reinheit, Vollkommenheit und Unsterblichkeit stand in der 'Stellenbeschreibung' eines Lotus. Bei Jimin äußerte es sich darin, dass er nicht dreckig wurde. Also so gar nicht. Lotuseffekt eben: einmal durch einen Wasserstrahl gesprungen oder gar nur durch den Regen gelaufen, zack sauber. Außerdem sah er gut aus, dass musste selbst Taehyung zugeben.
Doch Taehyung hatte gelernt unter Einsatz von Energie nicht nur Matebänder zu sehen und Liebelein zu erspüren, sondern auch sämtlich andere Emotionen auffangen zu können und die entsprechenden Beziehungen zu sehen. Nicht immer waren die wirren Bänder leicht zu interpretieren, vor allem, wenn er dann Leute vor sich hatte, die sich hassten und liebten gleichzeitig - seriously, was war falsch bei denen? - doch mit dem richten Einsatz und Kraftaufwand war der Perk doch ganz nützlich. Also konnte er wohl mit Jimin mithalten.
Für Chora und Namjoon musste er jedoch keine Energie aufbringen, um sich genau vorstellen zu können, wie ihr Band wohl im Ganzen aussehen mochte. Er freute sich für die zwei. Für ihn blieb allerdings das Gefühl überflüssig zu sein. Bald würde Namjoon Chora beschützen und dann würde sie ihn nicht mehr brauchen. Das machte ihm irgendwie Angst.
Er zwang sich seinen Blick vom Spiegel zu lösen und den Gedanken zu verdrängen. Er konzentrierte sich wieder auf die Straße vor ihm und seine Gedanken wanderten in eine andere Richtung.
Und zwar zu dem jungen, hübschen Mann mit dem rabenschwarzen Haar, der keine Notiz von ihm genommen hatte, den Taehyung jedoch sehr wohl bemerkt hatte und das nicht ohne Grund.
Taehyung wusste nur eins: Er saß jetzt tierisch in der Scheiße. Doch auch diesen Gedanken verdrängte er. Das Wichtigste war, dass er jetzt Chora heimbrachte. Den Rest würde er mit sich selbst aus machen. Er wollte weder Chora noch Jimin damit belasten.
Doch als hätte Jimin den Gedanken gehört äußerte er: "Party!" und drehte das Radio ziemlich laut, was Taehyung veranlasste ihm einen bösen Blick zuzuwerfen.
Den Blick den er von Jimin erwidert bekam war forschend, fast bohrend. "Was ist los?", fragte er stumm, ohne einen Ton von sich zu geben. Taehyung drehte das Radio wieder leiser, diente die Aktion eh nur dazu seine Aufmerksamkeit auf Jimin zuziehen, ohne das Chora davon Wind bekam. Das war mal wieder typisch Jimin. Er bekam aber auch alles mit.
Taehyung schüttelte nur kam merklich den Kopf, als er sich im Rückspiegel versichert hatte, dass seine Schwester abgelenkt war und machte somit vor Jimin dicht. Chora bemerkte nichts von alle dem, doch Taehyung sah, wie Namjoons Augenbraue leicht nach oben zuckte, während er Taehyung durch den Rückspiegel betrachtete, bevor er sich wieder Chora widmete. Der Typ war viel zu aufmerksam.
Taehyung wandte den Blick wieder nach vorne. Die Autobahn war frei, dem entsprechend konnte er das Gaspedal noch ein bisschen durchtreten.
"Wo habt ihr eigentlich das Auto her?", wollte Namjoon plötzlich wissen und beugte sich ein wenig nach vorne. Viel Raum hatte er da nicht, denn Chora hatte sich in der Mitten nur mit dem Backengurt angeschnallt und lehnte an ihm. "Geklaut", meinte Jimin locker und Taehyung verdreht die Augen. "Was denn? Willst du ihn anlügen? Wir wollen doch unsere Beziehung zu Namjoon nicht auf Lügen aufbauen~?" Jimin grinste schief und wandte sich ein wenig um. "Wir lassen sie in der Regel am Durchgang stehen, wo sie gefunden werden." Er zuckte unschuldig mit den Schultern. "Gehen wir mal vom Besten aus." Das hätte man auch charmanter verpacken können. Was sollte Namjoon nur von ihnen denken?
Schließlich ist stehlen eine Straftat, genau wie Autos klauen und ohne Führerschein fahren erst recht, also macht den Scheiß nicht nach, ne? Zum Glück ist das hier eine FF, also bleibt unseren Helden die Autobahnpolizei in Zivil mit Schnurrbart, die Taehyung fragt, ob er weiß warum er angehalten wurde, erspart.
Namjoon blieb an einer ganz anderen Stelle hängen. "Durchgang?" Taehyung nickte. "Irgendwie müssen wir ja die Welten wechseln." Namjoon nickte, wenn auch irritiert. "Sorry, das mit den zwei Welten klingt immer noch so strange", meinte er, was Taehyung ein Grinsen entlockte. "Du datest eine Grünlilie, aber zwei Welten findest du abwegig?" Namjoon schnaubte amüsiert. "Wie sieht dieser Durchgang aus?", fragte er neugierig.
Taehyung nahm die nächste Autobahnausfahrt. "Das wirst du bald sehen.Es ist nicht mehr weit", verkündete er. "Ich hoffe doch du hast keine Angst vor Wasser? Es ist ein Brunnen." Namjoon wirkte unentschlossen, worauf Chora ihre zierlichen Hände um Namjoons linke Hand legte. "Keine Sorge Namjoon. Es ist nur halb so schlimm", versprach sie, "Wir helfen dir." Sie nickte zuversichtlich.
Schon bald hatte sie auch die normale Landstraße verlassen und Taehyung packte das Auto in Sichtweite von der Straße, damit es gefunden wurde und - mit etwas Glück - zu seinem Besitzer zurück kam. Sie gingen den Rest zu Fuß, immer tiefer in einen doch recht matschigen Wald. Irgendwann lichtete sich dieser um gab den Blick auf ein paar Ruinen frei.
Hier und da standen ein paar Staturen aus weißen Marmor, die zerbrochen und verletzt die Umgebung zierten, man konnte ein zerfallenes Gebäude erkenne, von dem nur noch die Grundmauern standen und hier und da zeugte umgestützte Säulen von der einstigen Schönheit dieses Platzes.
Herzstück des ganzen war ein riesiger, verfallener Springbrunnen. Er war Sternförmig und sehr flach, zumindest schien es so. Taehyung kletterte in den Brunnen und bemerkte sofort, wie der ständige Verlust von Energie stoppte. Er seufzte erleichtert. Jimin und Chora folgten ihm und auch Namjoon zögerte nicht sich mit in das Wasser zu stellen. Es reichte ihnen allen ungefähr bis zum den Knöcheln.
"Okay, Namjoon. Die Sache ist im Grunde ganz einfach. Lass sich einfach fallen. Und wenn du drüben bist, einfach aufstehen~", meinte Taehyung locker. "Ich versteh kein Wort", meinte Namjoon eben so locker und Taehyung lachte leise. "Ich zeigs dir", versicherte er und ging zu der Mitte des Brunnen. Er dreht sich zu den anderen um. "Wir sehen uns auf der anderen Seite", sagte er und ließ sich ungebremst nach hinten in den Brunnen fallen. Doch anstatt auf den Boden des Flachen Brunnen aufzuschlagen tauchte er in tiefes, kaltes Wasser ein.
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Curare Teil I
FanfictionAls der 23-jährige Koreaner Namjoon sich verliebt zweifelt er selbst ein wenig [oder eher ernsthaft] an seiner mentalen Verfassung, denn seine große Liebe ist nicht etwas eine junge, hübsche Frau oder - for gods sake - ein schnieke Typ, nein ... sei...