#95 Curare ist scheiße

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Estelle

Die Hitze stresst Estelle. Dabei ging es heute eigentlich, doch wenn man sein Leben lang ewiges Eis, klirrende Kälte  und tobende Schneestürme gewöhnt war, dann gewöhnte man sich nicht einfach so an das schwülheiße Klima in Curare.

Wenn das so weiter ging würde sie hier nur noch nackt herum laufen, jawohl. Die junge Prinzessin seufzte.

Wie gern würde sie einfach mal wieder Schlittschuh laufen. Da war sie tatsächlich gut drin. Sie war eine der Besten im Eiskunstlauf. Angesichts der Tollpatschigkeit, die sie hier in der Hitze aber an den Tag legte, würde ihr das wohl kaum einer glauben.

Estelle zog die schmalen Beine an und schaute weiter aus dem Fenster. Die Langeweile war kaum auszuhalten. Die meiste Zeit war sie allein und sie wünschte wirklich, sie hätte eine Aufgabe. Ein bisschen Urlaub war ja schön und gut, aber so langsam machte sie das Nichtstun ganz depressiv.

Sie traute sich aber auch nicht runter in die Stadt, denn sie wollte nicht, dass schon wieder jemand sie einsammeln musste, weil sie sich verlief. Yoongi hasste sie so schon genug. Apropos Yoongi. Dieser kam griesgrämig wie immer den Gang entlang geschossen, flankiert von zwei anderen Landaren. 

Sie diskutierten hitzig und als Yoongi etwas abnickte, machten sie sich auf den Weg... aus dem Fenster. Wieso sprangen hier immer alle aus dem Fenster? Landare. Warum stellten sie sich gerade vor dem Fenster an, indem Estelle saß und ihren trüben Gedanken nachhing? Da waren noch zwei weitere Fenster im Flur, die paar Meter konnten sie doch locker gehen oder sah die junge Prinzessin das falsch?

"Aus dem Weg, Kleines, wir wollen wir raus", der Warrior grinste unverschämt. Sein Ton und seine ganze Art triggerte die junge Butterfly, die sowieso schon gestresst war. "Dann geh zehn Meter weiter, ich sitze jetzt hier", antwortete sie schnippisch. "Ich will aber aus diesem Fenster, Süße." Bis zehn zählen. Einfach bis zehn zählen, damit sie ihm nicht eine Ohrfeige verpasste.

"Estelle, schwing deinen Arsch da weg. Warum sitzt du eigentlich immer im Weg?", es war Yoongi, der sie von der Seite anfuhr und sich natürlich auf die Seite seiner Warrior stellte. "Ich sitze wohl kaum im Weg, wenn es hier noch zwei verdammte Fenster gibt, aus denen ihr raushüpfen könnt, weil ihr Landare seit", schnappte sie zurück und sein Blick wurde deutlich dunkler. "Wenn ich sage du sitzt im Weg, dann sitzt du im Weg."

Wut flammte in der jungen Frau auf. "Du kannst mich mal, nehmt ein anderes Fenster! Ich bin es Leid mir sowas geben zu müssen", sie deutete auf den Warrior, der sie inzwischen unverhohlen mit den Blicken auszuziehen schien. Wenigsten hielt er die Klappe, wenn Yoongi sprach. "Und du bist dann immer noch die Krönung oben drauf." "Ich bin ja auch der König", meinte er trocken. Hm, ja. Der größte Depp ist immer der Anführer. Estelle schüttelte nur den Kopf.

"Fenster", sie zeigte auf das eine Fenster, "Fenster", sie deutete auf das zweite. "Oh und da hinten ist eine Tür, die man benutzen könnte, wie zivilisierte Persönlichkeiten", stellte sie dann auch noch gespielt überrascht fest. Yoongi schien wütend. Er knirschte mit den Zähnen. "Landare sind es gewöhnt den kürzesten Weg zu nehmen!", brauste er auf, "Des weiteren: Wenn du nicht gestört werden willst, dann setz dich nicht in die Fenster, die aufgehen, sondern in die anderen beiden, die ganz offensichtlich keinen Griff haben, weil es nur Glasscheiben sind!! Und jetzt aus dem Weg. Du kannst auch wo anders unnütz rumsitzen."

Estelles Wut flammte nur noch mehr auf. Sie stand zwar auf, aber sie warf dem König einen Todesblick zu. Zum Glück war das nicht ihre Psi-Fähigkeit, denn sonst sähe Yoongi alt aus. "Und das kann man nicht von Anfang an in einem Vernünftigen Ton sagen?", erwiderte sie und schnaubte frustriert. "Ich muss mich hier mit Frechheiten bedienen lassen, ist deinen Werten Warriorn eigentlich klar, dass sie es immer noch mit einer Prinzessin zu tun haben?" 

Sie strich sich die indigofarbenden Locken zurück und wandte sich jetzt dem ersten Schwachmaten zu. "Ich meine dich! Du unverschämter Vollidiot. Mein Name ist Estelle und nicht Süße oder Kleines!! Ist ja schön und gut, wenn sich in Curare alle duzen, aber wenn du mir kein Mindestmaß an Respekt entgegen bringst, dann sorge ich dafür, dass du mich nur noch mit allen von meinen siebzehn Titeln ansprechen darfst!" Eigentlich wäre es Yoongis Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sie zumindest nicht so angesprochen wurde. Dieser Typ war ja nicht der Einzige, der das niedliche, zierliche Aussehen der nicht mal einen Meter sechzig großen Prinzessin als Anlass nahm sie mit einem Kind gleich zusetzen oder ihr hübsches Äußeres auf unverschämte Art und Weise kommentierte.

"Ferner", fuhr sie fort, "was wäre so schlimm gewesen, zu sagen: Guten Morgen Estelle, entschuldige, dass wir dich stören, aber wir können nur aus diesem scheiß Fenster raus. Kannst du kurz aufstehen, damit wir raus können? Das nennt man Höflichkeit. Aber nein, ich darf mir anhören, dass ich unnütz rum sitze. Vielen Dank, das weiß ich selbst. Ich hätte auch gern eine Aufgabe, denn ich langweile mich zu Tode, ich bin frustriert, die Hitze macht mich fertig und ich habe schreckliches Heimweh!"

Sie hatte sich in Rage geredet und ihr war nach heulen, doch das bisschen Würde, was übrig war, verbot ihr in Tränen auszubrechen. "Schönen Tag noch. Viel Spaß beim aus dem Fenster springen. Lass deinen Scheiß nicht immer an mir aus und krieg deine Garde in den Griff!" Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und ging. Egal wohin, Hauptsache weg. Sie wollte ihre Ruhe haben. Vor allem aber wollte sie nach Hause.

Curare war scheiße. Hitze: Scheiße. Warrior: Scheiße. König: Scheiße.

Okay, okay. Es war nicht alles scheiße, aber die Hitze und der König auf jeden Fall und dieser eine Warrior, dessen Namen sie nicht bestimmt nicht merken würde, denn er merkte sich ihren auch nicht. Aber gleich ganz Curare verteufeln konnte sie dann doch nicht mehr. Sie hatte auch andere Seiten des Landes und vor allem der Landare kennen gelernt. Dennoch war sie kein Blitzableiter und es war doch sicher nicht zu viel verlangt, anders mit ihr umzugehen?

Die junge Frau seufzte. Was würde sie dafür tun, jetzt ein paar Runden auf dem Eis zu drehen und alles zu vergessen?

Curare Teil IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt