#138 Ich komme aus Baristhol

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Hoseok

Einatmen. Ausatmen.

Es hatte schon eine Weile niemand von ihnen mehr etwas gesagt. Aber das war auch nicht nötig. Es war ein angenehmes Schweigen. Ruhe.

Hoseok blinzelte gegen die Sonne, die immer wieder durch das Blätterwerk der Kirschbaums blitzte. Wenn er die Augen ein bisschen zusammen kniff, dann sah es auch, als würde der Baum funkeln. Das gab dem Moment etwas magisches, obwohl er an an sich nicht besonders war. Doch Hoseok genoss einfach jeden Moment mit Jimin.

Sie langen zusammen unter der Kirsche. Hoseok hätte fast gedacht, dass Jimin, auf dessen Oberkörper Hoseok mit seinem Kopf lag, eingeschlafen wäre, doch er konnte spüren, wie der Lotus ihm gemächlich und sanft durch die Haare fuhr.

Hoseok wunderte sich, wie wenig Energie das zog. Er mochte die Berührung unglaublich gerne, eigentlich müsste Energie springen ohne Ende. Doch irgendwie war es, als würde die Energie ihnen diese kleine Geste lassen, wenn schon sonst nichts ging. Zumindest nicht, wenn sie sich gegenseitig anfassten.

Hoseok betrachte weiter den Kirschbaum und seufzte. Der Baum gab ihm zu denken. Ihm haftete etwas an. Etwas Vertrautes. Das die beiden Bäume, die hier standen Nachlässe waren, dass war klar zu spüren, doch trotzdem war an der Kirsche etwas anders als an dem Birnenbaum.

"Woran denkst du?" fragte Jimin träge. Hoseok seufzt nur ein weiteres mal und wandte den Kopf so, dass er zu seinem Mate sehen konnte. "Ich glaube sie war ein Energizer", platzte seine Vermutung aus ihm raus. Jimin musterte den Baum. "Aber ... ich dachte Energizer haben keine Pflanze?", meinte er überrascht. "Ich hab davon auch noch nie was gehört", gab Hoseok zerknirscht zu, "aber es ist ein Gefühl..." Jimin fing wieder an an Hoseoks Haar zu zupfen. "Was magst du dann wohl sein?", fragte er und Hoseok zuckte mit den Schultern. "Das erfahren wir wohl erst wenn ich tot bin", erwiderte er leise.

Jimin schnaubte leicht. "Nicht schon wieder so negativ, Hobi", forderte er ihn auf. Hoseok atmete einmal tief durch und nickte.  "Wahrscheinlich bist du eine Distel", meinte Jimin und Hoseok konnte das Grinsen hören, er musste es nicht sehen. "Witzig, Jimin." Die Distel. In der Blumensprache ein Zögern. Zurückhaltung. Sie hieß so viel, wie 'die Sache ist mir zu gefährlich', ja, könnten sie nur durch Blumen kommunizieren, dann Hoseok Jimin wahrscheinlich mit Disteln tot geworfen.

"Naw, sei nicht sauer." Jimin piekst ihn in die Seite und Hoseok versuchte seine Hand abzuwehren. Hoseok zischte gespielt beleidigt, doch das Lächeln das folgte strafte ihn Lügen. "Du bist sicher etwas helles. Es was  schönes, freundliches", fing Jimin an. "Eine Sonnenblume vielleicht? Einigen wir uns auf Sonnenblume, für die nächsten 80 Jahre?" Hoseok rollte sich von Jimin runter um sich auf den Bauch neben ihn legen und ihn ansehen zu können. 

"Wieso, eine Sonnenblume?", fragte Hoseok. "Sie steht für Freundlichkeit und Fürsorge, wer ist das wenn nicht du?", erklärte Jimin leise und schenkte ihm einen liebevollen Blick. "Wenn du eine Pflanze hast, dann bist du eine Sonnenblume, da bin ich mir so sicher, wie darin, dass du mein Mate bist." Hoseok fuhr sich verlegen durch die Haare und bemerkte, wie seine Wangen rot wurden. "Theorie akzeptiert", murmelte er unsicher und ließ seinen Kopf auf seine Hände sinken. 

Eine Sonnenblume. Was wäre, wenn er an jenen Tag nicht angefangen hätte Energie zu verteilen, sondern tatsächlich einfach eine Verbindung zu Sonnenblumen bemerkt hätte? Wo wäre er wohl heute? Und hätte er Jimin? Er schob die Gedanken beiseite, denn es machte keinen Sinn darüber zugrübeln. 

Trotzdem konnte er sich nicht ganz von seinen Erinnerungen lösen, die ihn gerade einholten. Das alles war so verdammt lange her und er hatte nie jemanden davon erzählt. Er hatte alles was vor Vicarli passiert war irgendwann einfach in eine Schublade in seinem inneren gestopft und hatte sie verschlossen. Und bisher hatte auch noch nie jemand nach dem Schlüssel gefragt. 

Niemand außer Jimin. 

Wirst du mir je davon erzählen?

Sie waren Mates. Hatte Hoseok überhaupt das Recht Jimin einfach alles zu verschweigen? Und wenn ja ... war das wirklich schlau? Nein, war es nicht. Im Grunde gab es immer noch Dinge, die Jimin an ihm nicht verstand und Hoseok gab ihm auch nicht wirklich die Chance diese zu verstehen, wenn er seine Vergangenheit hinter Mauern verschanzte. Vielleicht wurde es Zeit endgültig reinen Tisch zu machen. 

Doch irgendwie war das nicht der einzige Grund, warum er plötzlich von dem Gedanken  übermannt wurde seine Vergangenheit auf den Tisch zu legen. Nein, es war viel mehr noch so, dass er es wollte. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Vorschlaghammer. Er wollte es Jimin erzählen, es mit ihm teilen, er wollte jede Mauer einreißen, die er noch hatte und ihn von Jimin irgendwie trennte und einfach nichts mehr zwischen ihnen stehen haben. 

Und wenn es darin endete, dass er in Jimins Armen heulte, weil er sich von Leichen im Keller einholen ließ, dann sei's drum. Er schämte sich noch immer für seine Vergangenheit, doch er hatte keine Angst mehr. Zumindest nicht gegenüber Jimin. Er hatte ihm so oft bewiesen, wie sehr ihn liebte und er hatte Hoseoks uneingeschränktes Vertrauen verdient. 

Wenn Hoseok nur einen Moment ehrlich war, dann hatte er schon lange das Gefühl sie hatten einander gewählt. Und die Matebindung hatte das wohl auch 'eingesehen'. Gerade Jimin war so strikt, dass jede andere andere Bindung zum scheitern verurteilt gewesen wäre. Welche Magie, Gottheit oder Fügung auch immer für die Matebindungen zuständig war hatte das erkannt.

Hoffnungsloser Fälle, alle beide.

Anders konnte sich Hoseok nicht erklären, dass Jimin mit seinen 23 noch keinen Mate gefunden hatte. Eigentlich war das völlig ausgeschlossen, grade bei Jimin, der nicht grade jemand war, der sich hinter dem Ofen versteckte. Er war längst überfällig. Im Grunde schon ein halbes Jahrzehnt.

Hoseok seufzte bei dieser Erkenntnis und senkte seinen Blick auf das filigrane Perlenarmband.

Nein, er würde den Mateblock nicht mehr beschützen. Nicht vor Jimin.

Hoseok setzte sich auf und atmete einmal tief durch. Wo sollte er nur anfangen? Und was ist, wenn Jimin es jetzt gar nicht mehr hören wollte? Was wenn-

"Worüber grübelst du schon wieder, Hoseok", wollte Jimin wissen, der ihn die ganze Zeit beobachtet hatte und Hoseok erschreckte sich fast. Herrgott, warum war er nur manchmal so ein Freak? Hoseok musterte Jimins Gesicht, auf dem sich langsam ein Hauch Sorge abzeichnete und er streckte die Hand aus und strich ihm einmal zärtlich über die Wange, bevor er ein paar der wirren orangenen Strähnen zurecht zupfte. 

"Ich liebe dich", sagte er unvermittelt. O.kay. Er war so ein Idiot. Er kam sicher auch nur ganz dezent seltsam rüber, aber das war doch schon mal ein Anfang. Jimin musterte ihn einen Augenblick mit Überraschung in Blick, doch dann breitete sich das Strahlen auf Jimins Gesicht aus, dass Hoseok so liebte. "Ich weiß", antwortete er grinste breit und beugte sich zu ihm. "Ich dich auch." 

Hoseok nickte schüchtern und biss sich auf die Lippe. "Was ist los, Hoseok?", wollte Jimin leicht amüsiert wissen und Hoseok atmete noch einmal tief durch und taxierte seinen Mate mit einem  Seitenblick. 

"Ich... Ich komme aus Baristhol."

Curare Teil IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt