Lilly
Okay okay. So konnte das tatsächlich nicht ewig weiter gehen, auch wenn ihr Mann Recht hatte. Sie durften sich nicht rein hängen, aber sie konnten doch auch nicht nichts tun. Konnte sie nicht wenigstens irgendwas subtiles machen?
Nicht, dass subtil sonst so ihr Stil war, aber man konnte es ja mal versuchen. Sie suchte also Jin auf. Zumindest hatte sie das vor. Sie wollte mit ihm über Thannam reden, denn sie war der Meinung, dass er wissen sollte, was sie vermuteten. Er hatte die Wahrheit verdient und da konnte sich Nami auf den Kopf stellen. Früher oder später musste sie sich dem stellen und da sollte er es wissen.
Wie sich herausstellte, hatte Jin aber eine ähnliche Idee, denn als sie gerade auf dem Weg in die Küche war, in der Jin einfach angefangen hatte mitzuarbeiten, machte er aus einer dunklen Nische mit einem "Pssssssst, Lilly." auf sich aufmerksam. Lilly kicherte und versteckte sich mit in der Nische. Wenn das mal nicht subtil war. Lilly war doch ein Genie.
"Jin, ich habe schon nach dir gesucht", stieg sie drauf ein und flüsterte die Worte also in einem verschwörerischen Ton. "Trifft sich gut, ich wollte dich sprechen", murmelte er und sah sich überflüssigerweise um, als wollte er sicher gehen, nicht beobachtet zu werden. Lilly lachte und dadurch fiel auch Jin aus der Rolle. Sie gingen beide wieder raus aus der Nische.
"Aber ernsthaft, ich wollte mit dir über deine Freundin reden", begann er dann und sie gingen beiden locker los. Ob einer von beiden wusste, wohin sie eigentlich spazierten war dabei eher fraglich. Lilly nickte nur. "Was willst du wissen?"
Jin schwieg kurz, dann sah er Lilly fragend an. "Warum... Nein, anders... Ist sie meine Mate? Wenn ja, warum rennt sie weg?" Lilly blieb stehen und lehnte sich gehen die Wand. Er stellte die richtigen Fragen. "Das ist es, was Namjoon und ich vermuten, ja", antwortete sie. Dann machte sie eine ausholende Handbewegung. "Sie kann Menschen jedoch überhaupt nicht leiden, denn Menschen waren verantwortlich für den Tod ihres Bruders. Sie haben ihn einfach aus und mit Dummheit und Ignoranz ermordet."
Trauer schwang in Lillys Stimme mit. Tarjaes Verlust schmerzte auch so viele Jahre später noch. "Das ist heftig", meinte Jin und nickte verstehend. Dann setzten sie ihren Weg fort. "Also läuft sie deswegen weg?" Lilly zuckte mit den Schultern. "Gerade das ist der Grund, warum Namjoon und ich das denken. Sie wird eine Bindung aufgebaut haben und wehrt sich jetzt dagegen, dass diese zweiseitig wird." Lilly verzog ihr hübsches Gesicht besorgt und neigte den Kopf. Sie machte sich Sorgen. Sie machte sich Sorgen um sie alle im Moment. Jungkook und Tae haben Startschwierigkeiten, Hoseok und Jimin hatten irgendwie wieder Rückschritte gemacht, Thannam versuchte ihre Matebindung zu verleugnen.
War sie denn die Einzige, bei der das klappte? Sie pustete sich eine der langen, grünen Strähnen aus dem Gesicht. So viele Baustellen.
"Wenn sie nicht will, dann will sie nicht?", fragte Jin unsicher, auch wenn es augenscheinlich seinen Stolz zu kratzen schien, dass sie ihn abwehrte, wo sie doch irgendwie zusammen gehörten. Lilly rieb sich den Hinterkopf. "Eine einseitige Matebindung ist nicht tragbar, sie muss das früher oder später einsehen."
"Wenn das so ist...", begann er langsam, dann setzte er einen entschlossenen Blick auf. "Dann jage ich jetzt meine Ehefrau!" "Das wollte ich hören!" "Ohja, ich bin so bereit!" "Dann lass uns los legen!" Jin stiefelte wieder los, aber nur ein paar Schritte. "Wo suchen wir am besten nach ihr?", fragte er ratlos und Lilly lachte leise.
"Ich weiß es auch nicht", antwortete sie, "wenn Thannam sich verstecken will, dann kann sie echt verschwinden. Sie ist gut daran." Jin lächelte leise. "Erzähl mir einfach noch mehr von ihr", bat er und auch Lilly übte sich in einem Lächeln.
"Komm mit!", forderte sie und schnappte sich den hochgewachsenen Mann an der Hand. Dann rannte sie los. Jin gab sich Mühe ihr zu folgen und nicht auf dem Weg durch das Schloss abhanden zu kommen. Lilly brachte ihn hoch in eines der Obergeschosse, wo sich Wohnräume befanden, ganz in der Nähe hatten sie auch fast alle ihre Zimmer.
Sie öffnete die Tür zu einem kleineren Raum, in dem ein Kamin war, Sofas standen und in einer Ecke eine riesige Liegewiese war, neben der ein Regal mit Gesellschaftsspielen stand. Der Raum war auffällig bunt tapeziert und sah aus, als würde er schon eine Weile nicht mehr wirklich genutzt werden. "Was ist das hier, Lilly?", fragte Jin interessiert und sah sich um. Er hatte sich dem Bücherregal zugewendet und studierte die Titel.
"Das war mal das Kinderzimmer... Nur sind wir Kinder in zwischen alle ziemlich groß und kaum noch hier. Komm hier rüber zu mir und schau dir das an." Jin kam ihrer Aufforderung nach und stellte sich neben sie.
Lilly stand vor einem Gemälde.
Es zeigte zwei Mädchen im Alter von vielleicht zwölf Jahren, die beide ihren Blick nach vorn wandten. Die eine war dabei super fröhlich. Ihre Augen strahlten, sie hing am Arm der zweiten und ihre grünen Haare leuchteten fast grell.
Das zweite Mädchen schaute einfach nur ernst. Sie schien sich nicht daran zu stören, dass das Gewicht der anderen an ihr hing. Sie hatte ein wirklich hübsches Gesicht. Nicht auf die puppenhafte Art und Wiese wie das zweite Mädchen. Sie hatte leicht mandelförmige rotbraune Augen mit langen, dichte, lange Wimpern. Das rote Haar fiel ihr in sanften Wellen über die Schultern und rahmte ihr Gesicht ein. Ihre rosigen Wangen sahen aus, als sei frisch hinein gekniffen worden - was auch stimmte, denn Lilly hatte es nicht lassen können - und ihre hohen Wangenknochen und ebenmäßigen Gesichtszüge verliehen ihr was royales. Abgerundet wurde das alles von ihren roten, vollen Lippen, die sie zu einem minimalen Lächeln verzogen hatte.
Auch Lilly ließ ihren Blick über das Bild schweifen. Thannam war seit dem nur noch schöner geworden.
"Das bin ich", erklärte sie überflüssigerweise und deutete auf die Grünhaarige, dann zeigte sie auf Thannam, "und daaaaas ist Thannam."
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Curare Teil I
FanfictionAls der 23-jährige Koreaner Namjoon sich verliebt zweifelt er selbst ein wenig [oder eher ernsthaft] an seiner mentalen Verfassung, denn seine große Liebe ist nicht etwas eine junge, hübsche Frau oder - for gods sake - ein schnieke Typ, nein ... sei...