Lilly
"Hoooobi?"
Lachend stolperte Lilly in die Bibliothek der Zitadelle und schon im nächsten Moment schlossen sie Namjoons Arme von hinten in eine warme Umarmung. Der Energizer war erst mal nirgendwo zu sehen, als rief sie noch mal, während sie spielerisch versuchte, sich zu befreien. Nicht, dass sie das wirklich wollen würde, aber Namjoon ließ sich auf die Kabbelei ein und zog sie nur etwas fester und enger an sich.
"Ihr habt aber gute Laune." Die Stimme des Priest kam von oben und Lilly legte den Kopf in den Nacken um zur Empore hoch zu schauen. "Die haben wir immer", antwortete sie fröhlich und sah zu, wie Hobi über das Geländer nach unten sprang, um sich zu ihnen zu gesellen. "Daran werde ich mich nie gewöhnen...", murmelte Namjoon, "bin ich der Einzige, der Treppen nicht nur hoch geht, sondern auch runter?"
Fragend sah er die Beiden Landare an, die wenigstens so taten, als müssten sie kurz überlegen und dann beide nacheinander mit einem gespielt gleichgültigem 'Joaah' antworteten. Der hochgewachsene Mann lachte leicht. Dann folgte er mit dem Blick Hobi, der sich schon zu einem der Tische hinbewegte. "Ich hab es noch mal herausgesucht", meinte er und setzte sich an den palisanderfarbenden Tisch. Lilly folgte ihm und zog Namjoon einfach hinter sich her. Er setzte sich zu Hoseok und Lilly zögerte nicht auf dem Schoß ihres Mannes Platz zu nehmen.
"Also... dann schieß mal los", meinte sie und zog sich schon mal eines der Bücher heran, die Hobi auf dem Tisch platziert hatte. "Fangen wir an mit menschlichen Mates. Eigentlich sollte es so etwas nicht geben, aber da wir Menschen doch recht ähnlich sind kann das ab und zuvorkommen. Vor allem eben bei Weltenwechslern, wie dir, denn irgendwas bleibt immer an einem haften, wenn man den Brunnen durchquert. Ich habe jedoch herausgefunden, dass nur Landare, die einen menschlichen Counterpart haben, auch einen menschlichen Mate bekommen können."
Namjoon setzte eine grüblerische Miene auf und auch Lilly dachte erst mal darüber nach. Das hieß also, dass sie einen Counterpart hatte? "Was ist das, Hobi?", hakte sie nach und der Priest lehnte sich etwas zurück. "Einfach erklärt: Dein menschliches Gegenstück. Die Welten überlappen sich hier und da. Also kann es sein, dass eine Seele sich in beide Welten aufmacht. Ich weiß, das klingt erst mal abstrakt, aber es ist das, was ich in den Büchern gefunden habe. Übersetzt würde ich vermuten, dass es einfach einen Landare und einen Menschen gibt, die grundsätzlich aus dem selben Holz geschnitzt sind? Sie sind sich charakterlich ziemlich ähnlich."
Verwirrung zeichnete sich in dem hübschen Gesicht der Grünlilie ab. Ähnlich? "Und Namjoon ist mein Counterpart?" Hoseok schüttelte den Kopf. "Nein, irgendwer, der da drüben rumrennt. Aber weil du so jemanden hast, konnte ein Mensch dein Mate werden." Sie verstand. Dann wandte sie sich halb um zu ihrem Mate. "Das bedeutet ja dann, dass du auch einen Landarecounterpart haben müsstest...", schlussfolgerte sie und sah dann wieder fragend zu Hoseok, der das abnickte. "Jap. Denn auch anders herum ist es so, dass ein Mensch nur einen Landaremate haben kann, wenn er auch einen Landarecounterpart hat."
Das war interessant. "Aber wer...?", begann sie und ließ die Frage aber in der Luft hängen. "Es ist nicht garantiert, dass man seinen Counterpart findet, wenn man nach Vicarli kommt, schließlich könnte der auch überall rumrennen. Aber in Namjoons Fall ist es doch mehr als offensichtlich." Lilly überlegte. "Thannam."
Auf den ersten Blick hatten die schöne, kühle, introvertierte Rose und Namjoon gar nichts gemeinsam, aber wenn man beide kannte, dann wusste man, dass sie eigentlich im Kern gleich waren. Nur trugen sie eben anderen Dinge nach außen, wodurch das zunächst nicht klar auffiel. "Thannam?", fragte Namjoon und schien das anzuzweifeln. Er kannte sie eben noch nicht.
Lilly nickte. "Wenn sie lächelt, sieht sie sogar ein wenig aus, wie du." "Sie kann lächeln?" Lilly schlug ihn leicht gegen die Schulter. "Klar kann sie. Sie hat sogar Grübchen." Doch, das machte Sinn... "Hobi... kann man das nutzen?", fragte sie neugierig und der Braunhaarige wiegte den Kopf. "Nur wenn beide es wollen. Dann können sie sich irgendwie verbinden, ich hab das noch nicht ganz erlesen können. Aber es gibt immer wieder Erwähnungen darüber, das Skillset des anderen zu nutzen."
"Also könnte ich kämpfen wie Thannam?", hakte Namjoon nach und Hobi nickte. Dann lehnte er sich zurück und sah die beiden unverwandt an. "Fragt sich nur, wer Choras Counterpart ist. Erfahren wir wohl nie." "Oder Tae seiner", fügte Lilly noch mit an und die beiden Männer bedachten sie nur mit einem mehr oder weniger irritiertem Blick. "Tae?", fragte Hobi und Lilly nickte zaghaft. "Nur weil die beiden nicht mit mir reden, heißt das nicht, dass ich nicht mitkriege, wenn da irgendwas im Busch ist." Sie seufzte. Bisher war sie nur einfach so nett gewesen, ihrem Bruder nicht damit auf den Sack zu gehen.
Er war anders als zuvor. Er hatte sich verändert und Lilly wusste auch seit wann. Außerdem litt er. Sie sah es doch. Die Grünlilie war zwar kein Genie, wie irgendwie alle um sie herum, aber sie war auch nicht dumm und sie merkte sehr wohl, wenn ihr Bruder an etwas nagte, was verdächtig nach einer einseitigen Matebindung aussah. Sie hatte nicht vor Taehyung so davonkommen zu lassen, doch sie wartete noch, bis sich seine Laune wenigstens irgendwo eingepegelt hatte. Ihr war auch klar, warum er und Jimin nach Ara wollten. Jimin wollte weg von Hobi, Tae vom Brunnen. Sein Mate war also menschlich.
Hoseok und Namjoon schwiegen. Sie zogen wahrscheinlich ihre eigenen Schlüsse. "Also falls er wirklich einen menschlichen Mate hat, dann hat er auch auf jeden Fall einen Counterpart", führte Hobi zum Thema zurück und biss sich auf die Lippe. "Auch wenn ich hoffe du irrst dich, denn sonst müssen wir noch einen Menschen herholen und das ist für diesen sicher nicht leicht..."
Namjoon räusperte sich. "Ist es nicht", bestätigte er und festigte seinen Griff um Lilly etwas, "aber es lohnt sich."
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Curare Teil I
FanfictionAls der 23-jährige Koreaner Namjoon sich verliebt zweifelt er selbst ein wenig [oder eher ernsthaft] an seiner mentalen Verfassung, denn seine große Liebe ist nicht etwas eine junge, hübsche Frau oder - for gods sake - ein schnieke Typ, nein ... sei...