#46 Not dead yet

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Jimin

Ja. Immer noch am Leben. Selbst für Jimin war das eine Überraschung.

So wie eigentlich alles, was an diesem Abend passiert war. Er hatte nicht damit gerechnet, dass dieses beschissene Viech ihn zu fassen bekam. Er hatte nicht damit gerechnet, im Maul eines Titanen zu landen und gut gekaut zu werden. Er hatte nicht damit gerechnet, dass er die Schmerzen aushalten würde, bis sie ihn ins Wasser schmeißen konnten, doch Tae hatte ihm verboten das Bewusstsein zu verlieren, also hatte er sich dran gehalten. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein bester Freund so ausrasten würde, auch nicht damit, dass sein Schuh den Energizerknopf treffen würde. Damit das Hobi zu ihm kommen würde, hatte er gerechnet, aber  nicht damit, dass er ihn küssen würde, schon gar nicht damit, dass ihm dadurch so einiges klar werden würde.

Es wäre gelogen, wenn er behaupten würde, dass er nicht bereits aufgegeben hatte. Er hatte es gespürt: Wie die Kraft aus ihm gewichen war, wie es immer schwerer geworden war, korrekte Worte zu formen, die Augen offen zu halten und den Mann zu fokussieren, den er liebte. Es wäre okay gewesen, so zu sterben, doch mit dem wissen, dass Hoseok sehr wohl sein Mate war, war sterben dann doch keine Option mehr.

Das war kein ich-rette-dich-und-das-war's-Kuss gewesen. Zumindest nicht nur. Es war so viel mehr gewesen als das. Die Art und Weise, wie er sich nach ihm verzehrt hatte sprach Bände. Warum hatte Hobi ihn nur so getäuscht? Die einseitige Matebindung musste ihn doch fertig machen. Wie konnte man nur so ein perfektes Pokerface haben? Pokerface-Hoseok war Jimins neues Hasskonzept. Er war ihm voll auf den Leim gegangen.

Doch nun wusste Jimin es besser und mit oder ohne ihn... Hobi war verloren. Jimin ging liebend gern mit ihm unter. Der Energizer war sowas von fällig, ob er wollte oder nicht. Der Lotus liebte ihn sowieso und er würde den Mateblock zerstören, früher oder später.

Zunächst hatte er jedoch etwas anderes zu erledigen. Scheiß auf die gebrochenen Rippen, scheiß auf die anderen Sachen, Jimin wusste wie schnell es einen erwischen konnte und er würde keinen Tag länger mit ansehen, wie Taehyung sich selbst zu Grunde richtete. Das Einzige was ihn gerade stoppte war die Nadel in seinem Arm und der strenge Blick von Doktor Bob. Jimin saß auf einem der Betten im Krankenflügel des Palastes und war an ihren deinen Tropf angeschlossen.

"Bob ich bin brav", sagte Jimin und sah ihn unschuldig an. Ha. War glatt gelogen. Das wusste Bob auch, deswegen gab er ihm nur einen finsteren Blick. Jimins lächeln wurde breiter. "Ich hab dir dein Geschenk noch nicht gegeben", meinte er dann nachdenklich. "Du sollst mir nichts schenken, du unnützer Bengel!", fuhr Bob ihn an, doch Jimin lächelte es weg. "Ich geb es dir morgen, Bob. Entschuldige, dass es gerade heute war." Er sah auf, als der Arzt näher trat und ihm die Haare wuschelte, als sei er immer noch 10 und nicht 23. "Du hast mir einen Schrecken eingejagt." "Das wollte ich schon immer mal." "Rotzbalg."

Jimins Grinsen wich nicht. "Ich lieb dich auch, alter Mann." Bob schnaubte . "Wenn du morgen nicht in dem Bett liegst, wenn ich wieder komme, bring ich dich eigenhändig um, Jimin!" "Yes, Sir." Bob verließ das Zimmer und kaum hatte er die Tür hinter seiner breitschultrigen Gestalt geschlossen, zog Jimin sich die Kanüle aus dem Arm. Heulen konnte er morgen. Vielleicht auch erst übermorgen.

Jetzt hatte er erst mal einen Auftrag. Er heilte noch immer. Hobis Energie jagte durch seinen Venen, doch er wusste eins sicher: Er hatte keinen Rausch. Er wusste genau, wie sich ein Rausch anfühlte, hatte er doch mal einen gehabt im zarten Alter von dreizehn Jahren*. 

Jimin musste lächeln, als er an den Kuss zurück dachte. Das war das Beste, was er je erlebt hatte. Da hatte es sich doch gelohnt, von einem Titanen angeknabbert worden zu sein.

Sein Herz flatterte immer noch ein wenig. Dennoch machte er sich Sorgen um den Energizer. Er konnte unmöglich so viel Energie los werden, ohne dass es ihm was ausmachte. Warum war er zusammengezuckt? Jimin war nicht so naiv zu glauben, dass das es nichts zu bedeuten hatte, oder Zufall gewesen war.

Er zog sich schnell an, biss die Zähne zusammen, wegen den Rippen, und machte sich dann aus dem Fenster aus dem Staub. Es ging. Er hatte immer noch genug Schmerzmittel im Blut, um gerade zu stehen und genug Energie, um weiter zu heilen. Ab in die Wanne und fertig war's. Er war ein Lotus, er konnte das ab.

Jimins Weg führte ihn direkt zum Zimmer seines besten Freundes und ohne zu klopfen trat er ein. Für Federlesen war keine zeit, also warf der Lotus auf den Flieder, der aufstöhnte und nach Luft schnappte. "Du Arschloch!" Ja, also der war wach. Taehyung drehte sich unter Jimin um und tatschte ihn ungeniert im Gesicht herum.

"Du lebst echt", nuschelte er. Ein erfreutes, dennoch leicht entrücktes Lächeln trat auf Taes Gesicht. "Jaaah, aber ich will trotzdem meinen letzten Wunsch erfüllt haben, du erinnerst dich?", antwortete Jimin. Tae blies die Backen auf und verschränkte die Arme. "Warum, Mann, du lebst doch noch?" "Ja, aber nur halb."  Der Flieder schwieg. Dann nickte er. "Ja macht Sinn."

Ooookay, was hatte Ferrys ihm gegeben? Jimin stutze. Wenn das Stunden später noch so wirkte... dann war das eine Dosis, die die Kompetenzen des Heilers deutlich überschritt. Jimin nahm sich vor den Wichser im Auge zu behalten. Für jetzt jedoch spielte es Jimin in die Karten. So bekam er Tae erst mal dazu mitzukommen, ohne groß diskutieren zu müssen.

War doch egal, letzter Wunsch war letzter Wunsch und Tae hatte es ihm geschworen: Er würde seinen Mate holen.



*Siehe Vicarli 2S 'Eine ausgerenkte Schulter mehr oder weniger' & 'Ein Rausch mehr oder weniger'

Curare Teil IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt