Jungkook
Der Schwarzhaarige machte nicht den Fehler der Faust auszuweichen, die auf ihn zu schnellte. Das würde alles nur noch schlimmer machen. Wenn man ihn vorführte, indem man schneller und wendiger war, dann schlug Jongdae nur noch härter zu beim nächsten Versuch.
Jungkook hätte versuchen können ihn mit Gegengewalt zum verstummen zu bringen. Doch dazu war er dann doch nicht in der Lage. Jungkook war kein Kämpfer. Er war Stratege. Er würde Jongdae früher oder später an anderer Stelle los werden, die Saat dazu war schon gesät.
Nur noch ein paar Gespräche hier, ein paar Gerüchte da, ein, zwei falsche Hinweise und Beweise, die keine waren, aber welche sein konnten, sobalr nur der Richtige die falschen Schlüsse zog - auf Grund dessen, was er 'wusste'. Auf diese Weise war es Jungkook gelungen die Jahre über zu überleben.
Es war nicht so, als würde Jungkook sich Betonschuhe für den gedrungenen Mann wünschen, doch wenn er ihn weiter jede Woche windelweich prügelte, weil er doch zeigen musste, wie hart er war, würde Jungkook irgendwann nicht mehr mit gebrochenen Rippen davon kommen. Das war gefährlich für ihn. Also musste er ihn subtil loswerden. Ihm Sachen anhängen, das Ding allein laufen lassen und tschüss.
Sorry Jongdae. Mit dem Falschen angelegt.
Ein Keuchen verließ Jungkooks Mund, als er einen Schlag in die Magengrube bekam. Er krümmte sich, betete, dass der Schmerz bald nachlassen würden und ignorierte die Tränen, die sich in seinen Augen sammelten. Wenn er Glück hatte, dann musste er es nur noch dieses eine Mal aushalten.
Jongdae zog ihn an den Haaren wieder in eine stehende Position und überdehnte Jungkooks Nacken ein wenig. "Ich hoffe, du hast es jetzt endlich verstanden, du kleine Schlampe. Wenn ich sage, ich will den Stoff Vormittag, dann ist das nicht um elf." Die Logik hinkte. Wie bei so vielen, was den eher spärlich bezahnten Mund des Größeren verließ. Sein fauler Atem schlug Jungkook entgegen und dem jungen Mann wurde leicht übel. Er hätte ihm ja gern einen Gang zum Dentisten empfohlen, doch ihm war klar, dass er diesen selber aufsuchen konnte, wenn er seine Klappe nicht hielt, als nickte er nur.
"Wie war das?" Wieder ein Schlag, der den Schmerz explodieren ließ. "Ja, Jongdae, ich habe verstanden", presste der Schwarzhaarige hervor und spürte erleichtert, wie seine Haare losgelassen wurden. Er sackte ein wenig zusammen, um in eine Schonhaltung zu gelangen. Dann sah er auf. Du wirst schon morgen tot sein, du Pisser. Scheinbar war der Gedanke an seinen Augen abzulesen, denn der andere wich Jungkooks intensiven Blick fast überrumpelt aus. "Na schön", murmelte er und nahm das Päckchen, dass Jungkook ihm hatte bringen müssen an sich. "Verpiss dich, du Hure, ich will dich hier nicht sehen."
Jungkook verließ eilig das Hinterzimmer, doch er konnte noch nicht ganz gehen. Er ignorierte die wahrscheinlich angebrochene Rippe und sah sich unauffällig in der bereits völlig überfüllten Bar um. Er verließ sie, schmiss am Ausgang noch 'aus Versehen' eine Pflanze fast um - sie sollten sehen, dass er raus ging - und schlich sich dann von hinten wieder an, um durch das Fenster der Männertoilette einzusteigen, dass er vorher simpel geöffnet hatte.
Er zog sich das Fenster hinauf und ließ sich nach drinnen abrollen, nachdem er gecheckt hatte, ob die Luft rein war. Es tat weh. Mit der Rippe tat es höllisch weh, doch er riss sich zusammen. Über die Jahre war sein Verhältnis zu Schmerz sowieso unnormal geworden. Was bei anderen eine zehn war, war bei ihm vielleicht eine drei. Jungkook musste selber schnauben bei dem Gedanken. Diese bescheuerte Frage von Ärzten... Auf einer Skala von eins bis zehn... Was für Bullshit, sie gaben einem ja doch irgendeine Dosis Schmerzmittel, die einen im schlimmsten Fall voll wegdröhnte.
Das war jedes Mal gefährlich. Wenn man zugedröhnt war, konnte man sich nicht wehren. Diese Scheiße kam dem Schwarzhaarigen nicht in die Tüte.
Jungkook kletterte auf den Spülenkasten, dann von dort in die Zwischendecke. Er nahm eine kleine Taschenlampe aus der Tasche und leuchtete kurz umher, um zu sehen, wo die Streben lagen, die sein Gewicht halten würden. Ohne weiter zu zögern machte er hinter sich wieder dicht und krabbelte los.
Sein Ziel war das Zimmer nebenan, in das er auch ohne weitere Probleme einstieg, nachdem er die Kamera mit einem kleinen Sender versehen hatte, der das Bild für etwa sieben Minuten stören und sich dann selbst zerstören würde, nur für den Fall. Unauffällig natürlich, die Kamera wackelte nicht, sie zeigte keine Schleier, sie nahm nur simpel keine neuen Bilder auf.
Er kletterte in das Büro hinein, öffnete die oberste Schublade des Schreibtisches mit einem Dietrich und Platzierte ein kleines Päckchen in ihr, nur um die Schublade dann wieder sorgfältig zu verschließen. So schnell wie er rein geklettert war, war der junge Mann auch wieder draußen.
In dem Päckchen befand sich Schmuck, den Hyungmin erbeutet hatte und um den er sich mit Jongdae gestritten hatte, wie praktisch. Ihm einen Diebstahl anzuhängen, war also mehr als einfach, da Hyungmin das sowieso so vermuten würde - vor allem nach einem kleinen Tipp.
Der Rest würde ein Selbstläufer werden und schon bald hatte Jungkook ein Prügelndes Problem weniger. Er war nicht stolz darauf, im Gegenteil, doch er musste sich auf irgendeine Weise verteidigen, wenn er leben wollte.
Vorsichtig bahnte sich der Schwarzhaarige seinen Weg nach draußen und verschwand ungesehen im Schneegestöber, dass inzwischen losgegangen war. Fröstelnd zog sich der junge Mann die Kapuze seines Hoodies auf, auf der die weißen Flocken liegen blieben. Er zitterte. Es wurde wirklich mal Zeit, sich eine Winterjacke zu besorgen... Vielleicht vom nächsten Geld. Das was er jetzt in den Taschen hatte, war nicht für ihn.
Von allein trugen ihn seine Füße durch die dicker werdende Schneedecke, die unter seinen Füßen knirschte und er atmete bibbernd aus, was weiße Wölkchen vor seinem Mund erscheinen ließ. Jin würde sauer werden, wenn er erfuhr, dass Jungkook so angezogen in diese Witterung ging. Er regte sich ja ohnehin über die Hose auf, die an den Knien mehr als nur löchrig war... aber da war eben modern, okay? Modern und arschkalt.
Jungkooks Weg führte ihn in die Slums. Er hatte keinen Schlüssel mehr zu der Wohnung, in der seine Mutter wohnte, denn sie hatte das Schloss schon vor langer Zeit tauschen lassen. Mehrmals sogar, bis sie endlich kapierte, dass das nicht reichte, um ihren jüngsten Sohn los zu werden.
Wieder mal ein Schloss das so aufgemacht werden musste. Es hatte bereits zahlreiche Kratzer von den ganze vorangegangen Besuchen. Leise betrat Jungkook die Wohnung. "Mom?", rief er, doch obwohl der Fernseher lief, bekam er keine Antwort. Seine Hände wurden feucht vor Aufregung, als er durch die Tür zum Wohnzimmer trat.
"Ich... ich bin wieder da." Keine Antwort. Der Blick der dünnen, langhaarigen Frau blieb auf die Matschscheibe gerichtet. Sie würdigte ihn keines Blickes. "Ich... Mama, können wir endlich reden?" Sie sagte keinen Ton. So ging das schon seit Jahren. So ging das schon seit Jonghuns Tod. Ihm war nicht klar, ob sie tatsächlich ihm die Schuld an allem gab, oder ob sie einfach gleich beide Söhne aufgegeben hatte, die noch übrig gewesen waren.
Zwei waren im Knast, der Dritte tot und den Kleinsten ignorierte sie dann also völlig. Die Logik erschloss sich ihm nicht, doch er hatte immer noch die Hoffnung, dass sie sich eines Tages zu ihm umdrehen würde. Ihr verhalten tat weh. Mehr als alle Schläge, die er erdulden musste. Ihr Schweigen war verletzender als all die bösen Wörter dieser Welt... und doch kam er immer wieder zu ihr zurück, denn auch wenn sie ihn allein gelassen hatte, er hatte sie nicht vergessen. Irgendwer musste sich um sie kümmern und er tat es so gut es ging.
Nervös stand er im Raum und wartete, ob heute vielleicht der Tag gekommen war, doch die schaltete nur um und legte die Fernbedienung dann wieder weg. Tränen brannten in seinen Augenwinkeln, doch er schluckte sie hinunter. Er wusste aus Erfahrung, dass sie aufstehen und weggehen würde, sobald sie bemerkte, dass er weinte.
Er schluckte und trat einen Schritt zurück. Das Einzige, was in ihm die Hoffnung schürte, war, dass sie immer noch nicht weggezogen war, um ihn los zu werden. Vielleicht, weil sie doch in ihrem Inneren wusste, dass sie noch einen Sohn hatte. Vielleicht wollte sie ihn ja doch sehen, auch wenn sie es nicht Zeigen konnte...
Vielleicht lag es aber auch einfach nur an dem Geld, dass er jedes Mal auf dem Küchentisch ablegt, bevor er wieder verschwand.
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Curare Teil I
FanfictionAls der 23-jährige Koreaner Namjoon sich verliebt zweifelt er selbst ein wenig [oder eher ernsthaft] an seiner mentalen Verfassung, denn seine große Liebe ist nicht etwas eine junge, hübsche Frau oder - for gods sake - ein schnieke Typ, nein ... sei...