#98 Ich brauche dich nicht

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Jimin

Natürlich war sein erster Weg der in die Bibliothek. Es galt, aus Hobi herauszuquetschen, warum er ihn tagelang nicht besuchen kommt. Hobi hatte viel zu viel Zeit zum Grübeln gehabt. Wenn man bedachte, dass er nie schlief, dann war es sogar noch mehr Zeit.

Jimin fragte sich, welchen Plan er dieses Mal hatte.

Er machte leise die Tür zur Bibliothek auf und warf einen kurzen Blick hinein, ehe er die Tür leise wieder schloss und sich dann rein schlich, denn er wollte nicht, dass Hoseok direkt gewarnt war. Jimins Blick glitt über die Bibliothek und der Pathfinder in ihm bemerkte mal wieder viel zu viele Dinge auf einmal.

Hobi musste frustriert gewesen sein zwischendurch, denn eines der Bücher in der Schundromanecke hatte eine Delle im Buchrücken und schien geknickt worden zu sein, fast als hätte Hobi es durch die Kante geworfen. Wow. Das sah ihm eigentlich nicht ähnlich.

Als nächstes bemerkte er, dass Thannam hier gewesen sein musste, denn sie hatte die komische Angewohnheit die Bücher nach hinten zu schieben, wenn sie mit Hobi sprach. Einfach nebenbei. Sie bemerkte es sicherlich selbst nicht mal, aber wenn eine ganze Reihe nach hinten geschoben war und das auch noch auf Augen- oder Brusthöhe der Rose, dann war sie ziemlich sicher hier gewesen. Vor nicht mehr als einer Stunde, denn für gewöhnlich zog Hoseok die Bücher schon sehr bald wieder nach vorn, damit alles hübsch aussah, es sei denn natürlich er hatte gerade Wichtigeres zu tun. 

Lilly musste auch nach Hoseok geschaut haben, denn niemand sonst war so drauf, dass er dem Priest, der kaum was aß, Kekse brachte. In seine heilige Bibliothek. Wo man nicht essen sollte. Nicht dass die Grünlilie das interessieren würde. Beides nicht. Kekse gehen immer, auch wenn man selbst genug Energie hat. Die Keksdose stand auf dem Tisch, das war also keine große Leistung gewesen.

Nur... wo war Hoseok? Sollte er rechts oder links nach ihm suchen. Jimin hatte noch keinen Anhaltspunkt, außer vielleicht die Bücher auf dem Tisch, die ihm verrieten, wie nervös der Energizer war. Normalerweise stapelte er sie ordentlich, wenn er sie schon auf dem Tisch abgelegt hatte. Doch der Stapel, der jetzt dort lag, lag nicht ganz gerade, sondern eher wie ein schiefer Turm. Er war also in Eile. Was suchte er nur so verzweifelt?

Hoffentlich eine Lösung und nicht einen Weg ihn loszuwerden, damit er ja glücklich einen anderen Mate finden konnte. Denn das war Bullshit. Wenn er fähig wäre, einen anderen Mate zu finden, hätte er ihn längst gefunden. Jimin. Wollte. Nicht. Und er würde auch nicht. Im Gegenteil er konnte es kaum erwarten, dass auch sein Strang an Hobis Mateblock das zeitliche segnete.

Jimin lauschte und das Rascheln von Papier lockte ihn nach links. Er spähte in den Gang. Als er Hoseok sah musste er einfach automatisch lächeln, auch wenn er eigentlich ziemlich angepisst war, dass Hoseok ihn mied. Klar, hatte er das auch versucht, aber das war etwas anderes gewesen. Er versuchte immerhin nicht eine Matebindung zu unterdrücken, die ganz offensichtlich da war.

Leise näherte sich der Lotus dem Energizer, der mit dem Rücken zu ihm stand und sein Herz machte einen freudigen Hüpfer. Ihn endlich zu sehen war alles, was Jimin im Moment brauchte. Ohne Vorwarnung legte er seine Hände an die Hüfte des Älteren und legte seinen Kopf auf der Schulter des Priests ab, an die er sich auch ein wenig ankuschelte.

Hobi wandte sich erstaunt um und sah dem Lotus in die Augen. Er sagte jedoch nichts. "Hi", ergriff also Jimin das Wort und lächelte leicht. "Jimin..." für einen Moment sah es aus, als würde er schwach werden, doch dann zog er die Augenbrauen zusammen und drehte sich um, wodurch sich Jimins Griff löste.

"Was suchst du schon wieder hier?", fragte er und gab sich kühl. Jimin atmete durch. Autsch. Warum versuchte er das noch immer. Erst ließ er sich nicht blicken, dann schickte er ihn wieder weg. Er legte es darauf an, ihn zu verletzen und so langsam zog es auch, denn auch Jimin war nicht unendlich geduldig. Der Lotus musterte die verschlossene Miene seines Mates und bohrte seinen Blick in die braunen Augen des Energizers.

"Hör auf damit, Hoseok", forderte er. "Womit?", fragte dieser nur und entfernte nicht. "Ich weiß nicht, wie oft ich es dir noch erklären muss. Du solltest es endlich aufgeben, denn alles, von dem du glaubst es zu wissen, wird uns und vor allem dich kein Stück weiter bringen. Du solltest das endlich einsehen." Hoseok stapelte wieder Bücher. Jimins neues Hasskonzept war nicht nur Pokerfacehobi sondern auch, wenn er völlig unsinnig irgendwelche beschissenen Bücher stapelte, um ihn nicht ansehen zu müssen.

"Und was?", fragte Jimin, "Dich allein lassen mit deiner einseitigen Matebindung? Meinen besten Freund hängen lassen? Mein Herz betrügen, was so oder so dir gehört?" Das waren alles keine Optionen. Hoseok schwieg. Sein Kiefer verspannte sich. "Es geht mir deutlich besser, als du denkst." Jimin schnaubte und schüttelte den Kopf. Er konnte nicht mal behaupten, zu wissen, was Hoseok durch den Kopf ging. Was? hatte er sich hierauf schon seit Tagen vorbereitet, oder was?

"Dir geht es beschissen..."

"Jimin."

"... eine einseitige Matebindung hält niemand einfach so aus..."

"Jimin."

"...ich lass dich mit der Scheiße doch nicht allein, das kannst du vergessen..."

"Jimin!"

Hoseok war immer lauter geworden und Jimin sah ihn nur mit einem wütenden Blick an. Es tat zu weh, immer wieder abgewiesen zu werden, obwohl sie beide wussten, dass niemand im Raum einseitige Gefühle hatte. Einen Moment sagte keiner was.

"Ich brauche dich nicht."

Ein abfälliges Geräusch verließ die vollen Lippen des Pathfinders. Er verwarf die Hände und sah hilfesuchend und deutlich beleidigt nach oben, als würde er da eine Antwort finden können. "Wem willst du das erzählen?"

Hoseok sah ihn nicht mal mehr an. Er nestelte nur an einem Lesezeichen rum. Doch er war kühl und beherrscht wie eh und je. "Ich werde dir nicht geben was du willst. Ich bin nicht der Richtige für dich. Du solltest dir endlich einen Mate suchen. Du bist nicht mein Mate. Ich wäre froh, wenn du endlich jemanden finden würdest."

Jimin schluckte die aufkommenden Tränen hinunter. "Na schön", sagte er. "Dann geh ich eben feiern. Vielleicht finde ich ja gleich drei Mates, wer weiß das schon?!", sagte er sarkastisch und  versuchte den kalten Zorn, der ihm durch die Adern schoss zu kontrollieren, bevor er was sagte, dass er eh nur bereuen würde.

"Es gibt tolle Clubs in Ara, da kann ich mir ja wen aufreißen, dich stört das dann ja nicht!", meinte er nur und verließ die Bibliothek. Er hatte Lust was zu zerstören. So wütend war er schon seit seiner Jugend nicht mehr gewesen. Zum Glück hatte er sich besser im Griff als damals, denn sonst hätte er sicherlich einen Tisch geflippt oder was ähnlich dramatisches. So stieß er die Flügeltüren der Bibliothek nur etwas kräftiger als nötig auf und als sie krachend hinter ihm ins Schloss fielen, zuckte er nicht mal zusammen.

Es gab wirklich einen tollen Club in  Aramera. Vielleicht sollte er sich ablenken.


Curare Teil IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt