5.1 (Ina)

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Am nächsten Morgen schlief Ina etwas länger als üblich. Es war den Abend zuvor bis in die dunkelste Nacht hinein geplant worden. Die Zwillinge hatten ihre Betten bereits verlassen. Ina zog sich fertig an und blickte anschließend durchs Fenster nach draußen. Die Sonne schien bereits hell und der Tag war sonnig. Sie verließ das Zimmer und ging in die große Halle. Beim Frühstück war auch schon niemand mehr gewesen. Ina ging nach ihrem Besuch in der Halle raus auf den Trainingsplatz. Nur Franz und Bernd waren dort an zu treffen.
Bernd bemerkte Ina sofort und schwang sich mit seinem 3D Manöver zu ihr runter. Sein Anblick war nicht gerade appetitlich. Er war voller Schweiß, auf seiner ganzen Uniform. Scheinbar hatte er die Position, die er von Levi bekommen hatte, etwas zu ernst genommen. Selbstbewusst stand er vor Ina. "Hallo Ina, na ausgeschlafen? Bist du hier zum trainieren?"
Ina war angewidert von seinem Körperduft. "Ich glaube, das macht jetzt auch keinen Unterschied mehr. Ich werde spazieren gehen."
Bernd belächelte ihre Aussage. Franz kam langsam von hinten auf die beiden zu.
"Also, das ist natürlich deine Entscheidung. Keine Sorge, falls dich ein Titan fressen will, werde ich dir deinen süßen Hintern retten."
Franz grinste. Inas Grad an Ekel wuchs dagegen immer mehr. "Ich hoffe du gehst dich vorher nochmal waschen Bernd. Sonst ist es nicht mein süßer Hintern, der die Titanen anzieht, sondern dein Geruch."
Franz konnte sich nicht mehr halten. Er musste laut lachen.
Bernd jedoch, war sich siegessicher.
"Ich werde dich daran erinnern, wenn du in Schwierigkeiten steckst!" Er lachte und zwinkerte Ina zu.


Diese kehrte den beiden Soldaten den Rücken und ging Richtung Stall. Sie hatte am Abend von Levi erfahren, wo sich die Einsatz Pferde vom Aufklärungstrupp befanden. 5 Jahre lang war es für Ina ein Krampf gewesen, ihre Stute Mira zu besuchen. Ständig wurden die Pferde verlegt oder der Stall neu sortiert.
Es dauerte ein paar Minuten, bis sie ankam. Sie wollte durchs Tor stürmen und ihre Stute in den Arm nehmen. Es könnte das Letzte mal sein, dass sie sich sehen.
Dort angekommen bemerkte Ina, dass das Tor bereits offen stand. Ob hier wohl noch jemand drin gewesen war?
Leise ging sie an die Tür und blieb stehen. Ins Innere gucken, konnte sie nicht. Vielleicht konnte sie hören, wer sich im Stall befand. Kurz nachdem sie stehen geblieben war, hallte ihr eine bekannte, genervte Stimme nach draußen entgegen.
"Komm schon rein, sie weiß dass du da bist."
War das wirklich schon wieder er ? Wie konnte es sein, dass sie ihm in jedem ungeschickten Moment begegnete. Es war ein Fluch.
Ina zuckte zusammen. Dann öffnete sie die Tür zum Stall.
"Truppführer!" Sie legte den Gruß an. Levi nickte diesen ab und widmete sich wieder seinem Pferd. Es stand in der Box neben Mira. Ein rabenschwarzer und wunderschöner Hengst stand ihm gegenüber. Levi fütterte ihn mit Zuckerwürfeln. Denkbar schwer und teuer waren diese Teile zu den Zeiten der Titanen. Umso beeindruckender war die Menge, die der Truppführer in seinem Beutel hatte. Ina trat langsam näher.
"Woher wusstet ihr, dass ich es bin?" Levi sah Miras Box an.
"Nicht doch, sie wusste es. Du bist am Tor stehen geblieben, statt rein zu kommen. Das hat sie gespürt und ist aufgestampft. Ziemlich ungezogenes Vieh, wenn du mich fragst." Ina spürte eine kleine Wut gegenüber Levi.
"Das ist sie nicht. Man muss nur wissen, wie man mit ihr umgeht." Ungläubig schaute Levi sie an. Mira, die mit dem Schweif zum Ausgang der Box stand, machte keinerlei Anstalten, sich zu Ina zu drehen.
"Mach dir keine Mühe, selbst die hier hat sie ausgeschlagen." Levi präsentierte ihr einen Zuckerwürfel.
Ina lächelte daraufhin. Sie grub mehrere Karotten aus ihrem Stiefel, welcher an der Wand der Box hing. Verwundert über das Geschehnis sah Levi ihr schweigend zu.
"Die mag sie nicht besonders. Anders als das Zeug hier!" Ina wandt sich der zickigen Stute zu. "Hier meine Kleine, sei nicht stur, ich bin ja jetzt da. Nimm sie schon."
Wie zu erwarten, regte sich nichts in Miras Box. Nervös erhöhte Ina den Einsatz, der Karotten. Doch immer noch keine Reaktion des Tieres. Levi fühlte sich bestätigt. "Siehst du, ich sage ja, sie ist ungezogen."
Als hätte Mira den Truppführer verstanden, stampfte sie auf und wieherte laut. Danach kehrte sie um und fraß Inas Karotten mit einem Bissen.
Überrascht aber froh grinste Ina und sah Levi siegessicher an. Dieser zog eine verkrampfte Miene. Damit hatte er wohl nicht gerechnet. Ihm blieb nur noch eine Karte zu spielen. "Müsstest du nicht eigentlich beim Training sein?"
Schlagartig verging Ina das Grinsen. Sie sah zu Mira. "Ja, ich schätze schon, aber.." Levi unterbrach sie zynisch. "Was also machst du hier?"
Ina war erschrocken von seinem plötzlichen Launenwechsel.
"Nunja, ich bin wegen ihr hier. Die Kleine ist alles, was mir von meiner Familie geblieben ist. Es könnte das Letzte mal sein, dass ich sie sehe. Außerdem ist sie der Grund, wieso ich eine Soldatin werden konnte. Ich hab ihr so viel zu verdanken. Ich musste mich wenigstens verabschieden."
Levi lauschte Inas Geschichte. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich jedoch nicht. Er blieb leer und kalt.
Eine kleine Weile war es still bei den beiden. Dann machte sich Levi fertig zum gehen. Ina war in Miras Box und bürstete die Stute. Beim rausgehen blieb Levi, mit seinem Hengst, am Tor kurz stehen.
"Wenn sie der Grund ist, dass du bei uns bist. Scheint sie doch nicht so ungezogen zu sein, wie ich dachte."
Ina traute ihren Ohren nicht. Hatte er gerade dem Pferd gedankt? War das eine Art Kompliment durch die Hintertür? Ina wollte genauer nachhaken. Doch als sie mit der Bürste an Mira vorbei gewesen war und zum Tor schaute, war der Truppführer bereits weg.
Ina hielt es nach kurzer Bedenkzeit auch für sinnvoll, den Stall zu verlassen. Sie sollte sich ebenfalls bereit machen und zu den anderen stoßen.


Nachdem der Trupp das Hauptquartier verlassen hatte, sollten sie innerhalb der Mauer Rose bis zum östlichen Tor, des östlichen außen Bezirk reiten. Von dort aus ging es weiter ins Titanen Gebiet. So war der Plan.
Als Ina bei ihren Kameraden ankam, waren diese bereits in den letzten Zügen ihrer Arbeit. Alles war vorbereitet.
Ina suchte die Zwillinge. Sie füllten gerade die letzten 3D Manöver mit Gas auf.
"Ah da seid ihr!" Rief sie. Anna erhob sich. "Ach, wo kommst du denn her? Du kannst ja froh sein, wenn du keinen Ärger bekommst." Ina war verwirrt. Warum sollte sie Ärger bekommen? Hannah stand ebenfalls auf. Mit einem neuen 3D Manöver in den Händen. "Hier Ina, das soll ich dir geben. Bernd hat auch ein Neues bekommen. Wir werden eure mitnehmen, um die anderen Soldaten aus zu statten. Falls die noch kampffähig sind. Mach dir keine Sorgen. Anna ist nur aufgeregt." Sie legte Ina das Manöver an.
"Na gut, wenn du meinst. Was hab ich denn verpasst?"
Anna rollte ihre Augen. "Ach, nur die Anrede des Jahrhunderts. Der Truppführer war wie vom Erdboden verschluckt. Gerade wie die Kommandantin anfangen wollte seinen Plan zu erklären, kam er plötzlich und erklärte ihn selbst. Ziemlich einfältig, den alten Plan eines verstorbenen Kommandanten zu nehmen."
Anna war sichtlich sauer.
"Meinst du wirklich er ist so schlecht? In der Theorie klang er ziemlich plausibel. Immerhin sollen wir uns nicht in Gefahr begeben. Das ist doch vernünftig oder?" Hannah und Anna waren erstaunlich oft nicht derselben Meinung.
"Also ich finde ihr solltet eure Arbeit machen Mädels." Bernd hatte sich von hinten angeschlichen. "Übrigens Hannah, das ist ein klasse Teil. Läuft viel sauberer als das Alte. Danke!"
Ina war überrascht. Sie hatte ihn gar nicht kommen gerochen. "Herrje, sag bloß du hast dich doch noch gewaschen."
Die Zwillinge kicherten. "Ja weißt du, wenn du hättest mit kommen wollen, dann hättest du nur fragen müssen Ina."
Mit dieser Antwort schoss er sie ins aus. Ina war sprachlos.
Bernd half den 3 Mädels noch bei der Arbeit.
Alle waren amüsiert, bis Franz und Boris auf tauchten.
"Soldaten. Geht auf eure Plätze. Wir reiten los."
Franz wies die Frischlinge an. Boris nahm Ina und Bernd mit nach vorn. Von Levi fehlte jedoch jede Spur.
Boris setzte sich auf das Pferd vor Ina und Bernd. "Wo ist der Truppführer? Sollte das nicht seine Position sein?"
Bernd war wohl genau so neugierig. "Tut mir leid, ich werde wohl vorerst reichen müssen. Levi wurde aufgehalten. Ich werde euch bis zum Tor an führen. Danach wird er wieder hier sein."
Bernd und Ina bestiegen ihre Pferde. Langsam aber sicher wurde ihnen der Ernst der Lage bewusst. Sie ritten durch die Stadt, über Dörfer und weite Wiesen. Die Pferde konnten in der Stadt vor dem östlichen Tor noch einmal rasten.


Ina sah sich in der Stadt um. Sie blickte in viele ängstliche und traurige Gesichter.
Sie lief ein wenig durch die Straße. Da kam ein kleines Mädchen auf sie zugelaufen. "Tante! Hier unten!" Sie zog Ina an der Hose. Ina kniete sich hinunter zu der Kleinen. "Was ist denn mit dir?" Das Mädchen lächelte. "Du bist doch eine Heldin oder? Bitte bring mir meinen Papa zurück ja?" Ina stockte. Ein Kloß schoss ihr durch den Hals, sie konnte nicht antworten.
"Wir tun unser bestes, um alle zurück zu holen. Auch deinen Vater."
Das Mädchen blickte von der geschockten Ina nach oben. Levi stand hinter ihnen. Ina schluckte den schweren Kloß hinunter und drehte sich in der Hocke ebenfalls zu Levi. Plötzlich rannte das Mädchen an Ina vorbei und umarmte Levis Beine.
Es rührte Ina und machte sie gleichzeitig nachdenklich.
Die Mutter des Mädchens kam schreiend auf die 3 zu.
"Oh, Samira was tust du denn da? Lass die armen Soldaten ihre Arbeit machen!" Sie zog das Kind auf ihren Arm. Ina erhob sich. Levi sah die Mutter an, doch blieb stumm. Dieses mal ergriff Ina das Wort. "Wir tun unser Bestes. Hoffentlich finden wir deinen Papa." Sie legte den Soldatengruß an und verbeugte sich vor der kleinen Familie. Levi hingegen ging wortlos zurück.
Ina folgte ihm daraufhin. Sie gingen zurück zu den Pferden. Es war mittlerweile später Nachmittag.
"Wir müssen los Truppführer." Klärte Franz auf. Levi nickte dies ab und ging weiter an die Front. Ina folgte ihm. Dort angekommen besetzten sie ihre Pferde. Nun standen sie vor den Toren. Ina in der zweiten Reihe, direkt neben Bernd, dem die Situation mittlerweile auf den Magen zu schlagen begann. Der Tag von dem sie als Kind geträumt hatte, war endlich gekommen. Aber ob sie jetzt glücklich darüber war? Sie wusste es nicht.

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