10.2 (Ina)

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In diesem Büro standen viele Artefakte von Hange. Sie sammelte alles, was sie von den Titanen in die Hände bekommen konnte.
Auf Hanges Schreibtisch entdeckte Ina auch ihre abgeschnittenen Finger.
Ein wenig gruselig war es schon. Doch so konnte Ina zur Zeit am besten helfen.
Hange legte die Verhärtungen von Inas Armen auf den Tisch neben die abgetrennten Finger. “Komm her Ina. Zeig mir wie die Dinger an dir wachsen.” Hange richtete ihre Brille und setzte sich.
Ina trat näher an den Tisch heran und legte eine Hand darauf. Sie begann sich zu konzentrieren. Langsam verhärteten ihre Fingerspitzen. Dann brachen die Knochen des ganzen Arms in sich ein und hüllten sich in eine Verhärtung, die bis zu Inas Schulter wuchs.
Hange sah dem ganzen interessiert zu. Die Verhärtung ging einmal rund um Inas Arm. Nachdem sie fertig war, schrieb sich Hange dazu Notizen auf.
“Hmm, interessant.” Hange streckte eine Hand nach Inas Arm aus. Diese beobachtete die Kommandantin aufs genaueste. “Warm werden sie also auch. Wie fühlt sich dein Arm jetzt an?” Hange sah zu Ina auf.
“Normal, schätze ich. Ich spüre das nicht und fühlen kann ich damit auch nichts mehr.”
Hange hatte eine Kerze auf dem Tisch. Sie zündete diese an und hielt sie unter Inas Ellenbogen. Nach einigen Minuten nahm sie sie wieder weg und schrieb das Ergebnis auf.
“Kommandantin?” Hange sah sie nicht an, war jedoch freundlich.
“Ja Ina?” Ina fuhr fort. “Was genau meintet ihr vorhin damit, als ihr zum Truppführer sagtet, er könne die Verantwortung für beide haben?” Hange blickte nun doch zu ihr hinauf und richtete ihre Brille. Dann zeigte sich ein leichtes Lächeln in ihrem Gesicht.
“Nun, weißt du, als Eren sich zum ersten mal verwandelt hat, da haben die Garnisonen um ihn gekämpft. Letzten Endes hat Levi bewiesen, dass nur er wirklich dafür sorgen konnte, dass Eren gehorchte.”
Hange sah in der Zwischenzeit ihre Ergebnisse an und holte ein Glas mit eiskaltem Wasser. Sie schüttete es einfach über Inas Arm und erwartete eine Reaktion. Die blieb jedoch aus.
“Es war ähnlich wie bei dir, nachdem dich Levi gerettet hatte, dachten die Garnisonen du könntest eine Gefahr darstellen und wollten erneut streiten. Deine Geschichte war aber ziemlich gut. Sie scheint alle getäuscht zu haben. Außer uns natürlich.” Hange lächelte stolz. “Ich habe dem Rat und den anderen Garnisonen versprochen, für alle deine Handlungen die Verantwortung zu übernehmen. So wie Levi es bei Eren tat. Sollte etwas passieren, dann landet ihr beide bei der Militärpolizei auf einem Seziertisch. Was meiner Meinung nach, totale Verschwendung wäre!” Hange lachte kurz.
“Meinst du, du bekommst deinen Arm da raus, ohne es zu zerstören?”
Ina nickte einfach und begann ihren Arm langsam von innen zu lösen.
“Naja und jetzt, da wir wissen, dass du ein Titan bist und mit uns kämpfen kannst, wollte Levi wohl testen, ob du für seine Truppe geeignet bist.”
Ina stutzte kurz. “Was ich? Für seine Elite?”
Hange grinste. “Natürlich du. Sonst hätte er mich ja wohl kaum so genervt vorhin.” Ina sah nachdenklich aus. Hange sah es ihr an.
“Das was er vorhin tat, war nicht, weil er dich nicht mag Ina, es ist eher im Gegenteil. Er wollte dich mitnehmen und wissen, wie weit du gegen ihn gehen würdest. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Verletzt hat ihn selten jemand, weißt du. Er hat jetzt die Verantwortung über dich und Eren, also wird er dich, so wie auch Eren, nicht mehr aus den Augen lassen. Das wichtigste ist, dass ihr keine Dummheiten anstellt.” Hange war konzentriert auf Ina, wie sie ihren Arm immer noch versuchte zu lösen, ohne dass die Verhärtung kaputt ging.
 
 
Es klopfte an der Tür. Hange und Ina sahen auf. “Ja bitte! Komm rein.” Erwartete sie etwa noch jemanden?
Die Tür öffnete sich langsam. Ein Tablett war zu sehen. Auf ihm stand eine Teekanne und 2 Tassen. Außerdem eine kleine Schale Zuckerwürfel und Kekse.
Das Tablett öffnete die Tür sanft. Levi trug es vorsichtig am Rahmen vorbei in das Büro der Kommandantin. Offenbar hatte er seine Uniform abgelegt und trug nun eine Art Anzug, es sah beinahe edel aus. Die schwarze Jacke hatte er offen gelassen und trug wie immer ein weißes Tuch um seinen Hals. Er sah Ina und seine Aura wurde wieder kalt und grau. Ina sah erst nur aufs Tablett, danach auf zu Levi.
“Was, du hast sie mitgenommen?” Levi wirkte genervt, wie immer.
Hange lächelte. Ina schaffte es endlich, ihren Arm mit einem kleinen Ruck aus der Verhärtung zu ziehen. Sie legte den verhärteten Arm auf Hanges Tisch zu den anderen Teilen. Levi schloss die Tür hinter sich und kam zum Schreibtisch. Hange ging beiseite und holte eine kleine Holzkiste. Sie sammelte erst Inas Finger ein, dann wollte sie den Rest auch in die Kiste packen, damit Levi Platz hatte für das Tablett mit Tee.
Er blickte auf die Verhärtungen und verzog sein Gesicht angewidert.
“Was hast du denn damit vor?” Fragte er Hange. Die sich sehr über Inas Vollständigen Arm freute. In Ina wuchsen die Knochen wieder zusammen. Es schmerzte, doch sie wollte stark bleiben. Levi stellte zwei Stühle an den Schreibtisch. Hange ordnete die Kiste, nicht weit vom Schreibtisch, auf ein Regal.
“Entschuldigt, ich wusste nicht, dass wir zu dritt sind.” Levi senkte den Kopf und verließ genervt das Büro. Hange sah ihm überrascht hinterher. “Nanu, wo geht er jetzt hin?”
Ina errötete leicht. “Ich glaube, er holt noch eine Tasse, Kommandantin.”
Hange sah auf das Tablett. “Achso?” Dann setzte sie sich und räumte das Tablett leer. Sie deckte den Tisch ein wenig ein. Es sah einladend aus.
“Ina bitte setz dich. Wir müssen besprechen, wie es weiter geht. Ich dachte es macht Sinn, wenn du auch dabei bist. Eren kann man zu sowas nicht einladen, er ist so schrecklich aufgedreht weißt du.” Ina schmunzelte, das Rot in ihrem Gesicht war bereits verschwunden. Sie nahm einen Stuhl und setzte sich gegenüber von Hange. Es klopfte erneut an der Tür. Levi trat diesmal einfach ein, ohne auf eine Antwort zu warten. Er schloss die Tür hinter sich und trat neben Hange hinter den Schreibtisch. Bevor sich Levi setzte verteilte er die Tassen und goss den Tee ein. Ina fühlte sich ein wenig unwohl in der Gesellschaft der beiden. Levi lehnte sich mit seinem Tee zurück. Erstaunlicherweise nahm er die Tasse nicht am Henkel, sondern griff sie von oben mit den Fingerspitzen. Es sah merkwürdig aus.
“Also, was denkst du, wie weit können wir vorrücken? Die Titanen beim Baumriesen Wald haben wir doch letztes mal erwischt.”
Levi nippte kurz an seinem Tee. “Hast du die Herde vergessen?” Er sah Hange an. Diese erinnerte sich, dann blickte sie zu Ina, die sich gerade einen Keks aussuchte. “Was sagst du Ina? Hast du in deiner Zeit draußen eine Art Herde von Titanen gesehen? Sie schienen alle abnorm zu sein!” Ina zuckte ihre Hand zurück und sah zur Kommandantin. “Nein Kommandantin. Ich habe viel beobachtet, aber eine solche Herde ist mir nicht aufgefallen. Ehrlich gesagt bewegten sich die meisten Titanen immer im Süden. Je weiter nördlich ich gewesen bin, desto weniger Titanen habe ich gesehen.”
Hange und Levi tranken beide. Dann redete Hange weiter. “Vielleicht müssen wir unsere Route überdenken.” Sie stellte ihre Tasse beiseite. “Wir sollten die Nördlichen Truppen anweisen, die Titanen nur Richtung Süden zu locken. Dann wäre der Norden schon sauber und die Titanen bewegen sich alle hier runter. Wir müssten nur warten und sie vernichten. Das würde bedeuten kein Jagen oder Treiben mehr!”
Anfangs klang Hanges Idee sehr gut. Dennoch gab es dabei viel zu bedenken. Die nördlichen Truppen hatten so gut wie keine Erfahrung mit Titanen. Aus irgendeinem Grund begegneten sie dort oben bei Außeneinsätzen nie so vielen Titanen wie die Südlichen Truppen.
“Das ist ein Himmelfahrts Kommando.” Stellte Levi fest.
Ina überlegte mit. Dennoch hing ihr Blick an der Schale Kekse, die niemand an rührte. “Was sagst du dazu Ina?” Hange sah sie an. Auch Levi richtete seine Aufmerksamkeit auf Ina.
“Ich finde das an sich nicht schlecht, aber..” Hange dachte selbst darüber nach und unterbrach sie. “..aber unsere Soldaten würden überrannt werden. Genauso wie die Soldaten aus dem Norden. Wer weiß wie viele Titanen sie zusammenpferchen und wenn man die hier im Süden noch mitzählt, hätten die Reiter keine Chance.” Hange lehnte sich enttäuscht zurück.
“Vielleicht könnte uns Eren helfen.” warf Ina ein. Die Kommandantin war interessiert an dem Einfall. “Wie was? Wie sollte er uns helfen?”
“Als ich ein Titan war, da machten die anderen keinen Bogen um mich. Sie sahen mich trotzdem als Menschen an und wollte mich fressen. Aber..” Wieder wurde Ina von der mitdenkenden Kommandantin unterbrochen. “..aber als Titan kann man die anderen einfach beiseite schieben! Das ist eine gute Idee! Wir könnten die Titanen hier unten besiegen, während der nördliche Trupp den Rest an Titanen herunter lockt.” Hange dachte auch noch einen Schritt weiter.
“Aber was machen wir, wenn wir die 3D Manöver nicht einsetzen können? Das meiste Land ist doch Feld, Fläche und Acker.” Enttäuscht und nachdenklich ließ sich Hange wieder in ihren Stuhl fallen. Sie trank ihren Tee zu Ende.
“Wir gehen wieder in den Wald.” Levi warf es einfach in den Raum.
Hanges Augen wurden größer. “Meinst du, das senkt die Rate der Opfer?”
Ina hatte dazu nichts zu sagen. Sie hatte nur Augen für die Schale Kekse. Levi beendete seine Tasse Tee und stellte sie beiseite. Er antwortete Hange.
“Sicher tut es das, wenn sie sich nicht wie Idioten anstellen, dürften alle oder die meisten zumindest überleben.”
Hange war glücklich. “Also ist es beschlossen. Ich schicke noch heute eine Nachricht an den Kommandanten im Norden. Ich danke euch. Nehmt euch doch frei für den Rest des Tages!” Hange lächelte die beiden an. Sie öffnete eine Schublade unter dem Schreibtisch und zog ihr Briefpapier heraus.
Levi sammelte das Geschirr ein und stellte es auf das Tablett zurück. Er hob es an und wollte gerade gehen, als er plötzlich einen Keks nahm und ihn vor Ina auf den Tisch legte. “Hier und steh morgen früher auf verstanden?” Er war kalt wie immer, doch die Geste erwärmte Inas Stimmung. “J-jawohl Truppführer. Danke sehr.” Ina stotterte. Hange beobachtete die Szene verwundert. Sie wusste, dass Levi aufmerksam war, aber so nett hatte sie ihn noch nie erlebt.
Levi verließ das Büro und ging. Ina nahm den Keks und freute sich, ihn endlich essen zu können.
Hange schrieb derweil an dem Brief weiter. “Ina, würdest du den bitte noch mit nehmen? Gib ihn dem Boten, wenn er wieder hier ist. Sag ihm, es ist dringend und richte ihm schöne Grüße von mir aus, damit er es auch ernst nimmt.” Hange lächelte Ina freundlich an. Diese stand auf und legte den Soldatengruß an. Sie ging Richtung Tür und verließ Hanges Büro mit dem Brief.

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