20 (Ina)

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Als der Karren am nächsten Morgengrauen zum stehen kam, öffnete Ina leicht ihre Augen. Eren und Hange lagen ihr noch gegenüber und schliefen.
Ina wollte sich bewegen, doch dann fiel ihr Levi wieder ein. Sie wollte ihren Kopf drehen, um zu sehen, ob er noch auf ihrerer Schulter lag. Dazu kam es allerdings nicht. Sie bemerkte, dass ihre zweite Schulter ebenfalls belegt gewesen war.
Als sie nachsehen wollte, kitzelten sie ein paar rote Locken an der Nase.
Ina lächelte, als ihr klar wurde, dass Hannah auf der anderen Seite neben ihr schlief.
Hange und Eren erwachten langsam. Hange sah hinüber zu Ina und lächelte.
"Na das sieht man auch nicht alle Tage!" Sagte Hange laut.
Der Schopf neben Ina bewegte sich. Hannah hob langsam ihren Kopf.
Dann blickte sie sich verschlafen um und sah, dass Ina bereits wach gewesen war.
"Oh guten morgen! Habe ich dich etwa in Beschlag genommen?" Fragte sie, während sie sich die Augen rieb.
Ina schüttelte leicht den Kopf. "Nicht nur du!" Freute sie sich und deutete auf ihre andere Schulter.
Levi, dem es zu viel Bewegung wurde, hob seinen Kopf und drehte sich um. Er ließ seinen Kopf fallen, in der Hoffnung, dort wäre eine weitere Schulter, doch er fiel unsanft auf den hölzernen Boden des Karrens. Es weckte ihn schnell auf und er setzte sich gerade neben die beiden Soldatinnen auf.
"Jetzt kommt! Wir sind wieder zurück. Steht schon auf." Sagte Hange und streckte sich im Karren, danach sprang sie ab und holte tief Luft.
"Das wird ein langer Tag heute!" Freute sie sich.
"Ina? Ich glaube, ich werde dich heute in meinem Büro brauchen! Du musst mir unbedingt deine Schachtel zeigen!" Sagte Hange voller Vorfreude.


Der Rest der Truppe ging über das Gelände. Sie mussten trainieren und hatten zu tun. Ina zog sich eine frische Uniform an, dann ging sie zum Spiegel und sah, dass ihre Frisur, vom schlafen auf dem Karren, total zerstört gewesen war. Sie löste das Tuch heraus und kämmte ihre Haare. Bevor sie sich ihre Frisur bund, sah sie auf das Tuch und dachte über Levis Worte nach. Sie war sich nicht sicher, was genau er meinte, als er sagte sie würde zu ihm gehören. Doch vorerst war es für sie besser, wenn sie diesen Satz auf den Trupp bezog.
Entschlossen band sie sich das, beinahe wieder weiße, Tuch in die Haare und ging anschließend zu Hanges Büro.
Hange bat sie sofort herein. Es war das erste mal gewesen, dass Hanges Fenster und Vorhänge geöffnet gewesen waren.
Ihr Büro strahlte hell in einem leuchtenden, dunklen Braun. Durch die ganzen Möbel und Bücher sah es aus, wie eine kleine Bibliothek. Ina staunte, als sie das doch so unerwartet freundliche Büro betrat.
"Was hast du? Du warst doch schon öfter hier drin oder nicht?" Fragte Hange verwundert.
Ina nickte, während sie die Regale bestaunte. "Ja schon, aber ich habe es noch nie im Tageslicht gesehen! Es ist beeindruckend Kommandantin!" Ina lächelte und trat zu Hange an den Schreibtisch. Sie lächelte Ina an. "Ja weißt du, wenn Levi hier ist und sieht, wieviel Staub sich auf den Regalen sammelt. Dann wird er unerträglich! Darum hatte ich bisher nichts offen! Aber keine Sorge, heute kommt er sicher nicht her!" Hange freute sich. Sie bot Ina einen Stuhl an, der gegenüber von ihrem Schreibtisch stand.
"Was macht euch so sicher, dass er nicht wieder mit einem Teeservice herein kommt?" Fragte Ina scherzhaft.
Hange sah sie, mit großen Augen, durch ihre Fliegerbrille an und begann herzlich zu lachen.
"Inaa! Du bist ja lustig! Das muss ich mir merken!" Hange wischte sich eine Träne vom Lachen ab und sah wieder zu Ina.
"Oh, du meinst das ernst? Na ich denke, wenn wir zwei Verrückten hier drin rum recherchieren, wird es ihm zu langweilig und er bleibt lieber fort." Dann zuckte sie mit den Schultern und grub in dem bereits ausgepackten Stapel auf ihrem Schreibtisch herum.
Ina sah, dass ihre Schachtel auch dabei lag. "Kommandantin?"
Hange sah auf zu ihr. "Muss ich sie für euch öffnen?" Fragte Ina vorsichtig.
Hange richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Schachtel. "Naja, für gewöhnlich muss ich den Inhalt schon ansehen. Vielleicht passt ja hiervon etwas zusammen."
Sie hob die Bücher von Erens Vater an. "Aber wir können uns vorerst auch nur mit denen beschäftigen, wenn es dir lieber ist. Vielleicht ändert es deine Meinung ja später noch!" Hange lächelte.
Ina und Hange nahmen jeweils ein Buch. Sie lasen den Vormittag und tauschten ihre Ergebnisse danach miteinander aus.
"Also, ich habe etwas anderes über die Urahnin Ymir gelesen. Hier steht drin, dass sie ein ganz normales Mädchen gewesen ist. Ich weiß auch nicht, was wir davon glauben sollen, Kommandantin."
Hange blickte die beiden unterschiedlichen Bücher nachdenklich an. "Ich schätze, das ist genau der Konflikt zwischen uns und den anderen."
Ina sah sie verwirrt an. "Den anderen?" Fragte sie.
"Ja natürlich, wenn es wie hier steht, noch ein Festland gibt. Und wir auf einer Insel leben. Dann gibt es noch weitaus mehr Menschen, als wir uns jemals hätten ausmalen können!"
Ina sah auf die Bücher. Sie nahm das Bild aus Grishas Schublade in die Hand.
"Kommandantin? Ich glaube, ich muss euch doch etwas zeigen. Es ist mir nicht ganz klar, aber.." Ina legte das Bild beiseite. Hange folgte mit ihren Augen Inas Handlungen ganz genau.
Ina nahm die kleine Schachtel aus dem Stall in die Hände und ließ die Verhärtung verschwinden.
"Hier, bitte. Seht euch den Inhalt ruhig an. Ich glaube, ihr könnt mir mehr dazu sagen als der Truppführer."
Hange richtete ihre Brille und nahm die Schachtel in die Hände. Sie las zuerst den Brief und sah sich daraufhin die Bilder an.
"Aber das ist doch.." Hange nahm auch Erens Bild zum Vergleich in die Hand. Dann sah sie Ina abwechselnd mit den Bildern an.
"Königin Historia.. Das ist ja Roth Reiss.." Stammelte Hange. "Wenn deine Mutter schreibt, dass das dort deine richtigen Eltern und deine Onkel und Tanten sind, dann bedeutet das ja, dass die Königin.."
Hange sah Ina erschrocken an. "Ina! Du gehörst zur Königsfamilie?" Schrie Hange sie an. Ina saß verzweifelt vor ihr.
"Ich weiß es nicht Kommandantin. Ich hatte gehofft, ihr könnt mir helfen."
Hange fasste sich an den Kopf und stand auf. "Wir müssen sofort zu ihr fahren und ihr davon erzählen! Es könnte doch sein, dass du sogar Ansprüche auf den Tron hast Ina!"
Ina erschreckte. "Was? Nein, Kommandantin, ich will keine Ansprüche auf irgendeinen Tron!"
Hange lief ihren Schreibtisch hoch und runter. "Bitte beruhigt euch! Das muss nichts zu bedeuten haben."
"Und diese Frau ist auf beiden Bildern zu sehen, die Mutter von diesem Zekke." Hange blieb stehen. "Warte mal, wie sagtest du hieß der Tier Titan?"
Ina sah auf zu Hange. "Das ist er Kommandantin. Kein Zweifel. Er sagte mir bereits, dass er Erens Bruder sei. Ich habe ihm bis jetzt jedoch nicht geglaubt."
Hange lief weiter. "Und, wenn diese Frau, die auch auf dem Bild mit deinen Onkeln zu sehen ist, seine Mutter ist, das würde ja dann bedeuten, dass auch dieser Zekke königlichen Blutes ist. Hab ich Recht?"
Ina überlegte. "Es sieht so aus. Aber ich schätze, dass Zekke nicht daran interessiert ist, hier zu regieren. Immerhin hat er Annie, Reiner und Berthold hierher geschickt."
Hange setzte sich. "Was sagst du da?"
Ina fuhr fort. "Nunja, im Gerichtsgebäude, da hatte ich doch diese Begegnung mit Annie. Ich sagte ihr, dass ich Zekke kenne und mit ihm kämpfen werde. Sie scheint mir also zu vertrauen. Sie sagte auch, dass wir uns wiedersehen werden. Wahrscheinlich kann sie sich sogar selbst befreien aber macht es nicht."
Hange hielt ihren Kopf nachdenklich in den Händen.
Es war mittlerweile Nachmittags gewesen. Hange sah aus dem Fenster.
"Ina, es tut mir leid, aber wir müssen mit dir und Eren so schnell wie möglich in den Palast fahren. Diese Erkenntnisse dürfen wir der Königin nicht vorenthalten. Wir müssen das ganze dezent, aber dennoch geplant angehen. Hast du einen Vorschlag?"
Ina überlegte. Es war ihr unangenehm, aber sie musste ihre Familiengeschichte weitergeben.
"Ihr könntet angeben, dass es mit den Titan-Kräften von Eren und mir Probleme gibt." Schlug Ina vor.
"Nicht gut, dann würden sie uns nicht in die Mauer Sina hinein lassen. Es wäre zu gefährlich für die Königin, wenn wir euch nicht kontrollieren könnten."
Hange begann erneut auf und ab zu laufen. Ina überlegte weiter.
"Wie wäre es, wenn ihr sagt, was wir wissen." Hange blieb stehen und sah Ina merkwürdig an.
"Ist es nicht genau das, was wir versuchen zu vertuschen?" Fragte sie verwirrt.
Ina lächelte. "Ja natürlich und genau deswegen wird uns auch keiner glauben. Sie werden vermuten, dass dies unsere Ausrede ist und wir etwas ganz anderes im Sinn haben. Aber mit der Tatsache, dass wir ihnen Ergebnisse liefern, müssen sie uns passieren lassen. Egal ob es stimmt oder nicht."
Hange dachte kurz nach, dann begann auch sie zu lächeln. "Du bist wirklich gut Ina! Es ist schön, dass auch mal jemand anders kreativ in solchen Dingen ist!"
Hange setzte sich wieder. Gemeinsam räumten sie die Fundsachen wieder zusammen. Das einzige, was liegen blieb, war die Spritze aus Erens Keller.
"Was denkt ihr darüber, Kommandantin?" Fragte Ina nachdenklich.
Hange setzte sich ihr gegenüber. "Ich denke, dass wir diese Tatsache für uns behalten können. Wir sagen, dass wir wissen, was die Titanen sind und wir werden auch die Karte der Insel vorbringen, doch die Spritze und das Notizbuch, bleiben hier. Wir können es uns nicht leisten, wenn jemand sie stiehlt oder davon erfährt. Das ist zu gefährlich."
Ina nickte ihre Meinung ab und sie verstauten die Spritze mit dem Notizbuch bei Hange im Schreibtisch. "Ich werde sie bei passender Gelegenheit Levi anvertrauen, bei mir würde man sie zu schnell finden."
Ina nickte auch dies einfach ab. Sie räumten Hanges Büro noch etwas auf und redeten über die Verbesserung von Inas verhärtungs Fähigkeiten. Sie demonstrierte Hange, wie sie ihre Verhärtungen verschwinden lassen konnte.
Auch die Armhülle von damals konnte Ina erfolgreich auflösen. Hange war erstaunt und notierte alles in ihrem kleinen Buch. Sie hatte eins für Eren und für Ina angelegt.
Es wurde langsam Abend und die Sonne verschwand von Hanges Zimmer.
"Oh sieh mal Ina, wie spät es schon geworden ist. Vielleicht gehst du besser zum Abendessen. Ich werde alles nötige in die Wege leiten, damit wir mit der Königin sprechen können!"
Ina stand auf und salutierte vor der Kommandantin.
"Es war schön, dass du da warst. Es hat mir einiges an Gedankengängen erleichtert!" Sagte Hange dankbar und lächelte. Sie stand ebenfalls auf und begann ihre Regale etwas ab zu stauben. Ina verließ ihr Büro und freute sich, dass sie der Kommandantin helfen konnte. Die kleine Schachtel hatte sie bei Hange gelassen.

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