20.2 (Ina & Levi)

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Ina und Levi entfernten sich vom Stall. Sie gingen hinunter an die Wasserstelle, an der die Soldaten ihre Uniformen und andere Kleidung waschen konnten.
Ina blickte ab und zu in die Sterne. Levi war mittlerweile leicht genervt davon.
Unten angekommen hockten sie nebeneinander. Ina zog sich das Tuch von Levi aus den Haaren. Es hatte nur noch an den Rändern ein paar Blutflecken, die auch schon ausgeblichen geworden waren.
Ihre Haare fielen so herunter, dass sie Ina im Gesicht hingen. Levi sah nicht zum Tuch, sondern nahm eine Hand hoch. Mit dieser strich er eine Strähne von Inas Haaren hinter ihr Ohr.
“Ich sagte doch bereits, dass dir das so nicht steht.”
Er wendete seine Aufmerksamkeit zurück auf die beiden schmutzigen Tücher.
Ina sah erst zu ihm, doch begann dann zu erklären, wie man mit ein paar Kräutern und viel Geduld die Tücher einweichen konnte, sodass sie das Blut verloren und wieder weiß wurden.
“Ihr solltet trotzdem aufpassen, dass sie nicht zu schmutzig werden. Sonst bekommt man es irgendwann gar nicht mehr raus.”
Schloss Ina die Erklärung ab. Levi hatte ihr genau folgen können und hielt sein Tuch lange in den fließenden Bach. Seine Finger wurden bereits farblos, durch das kalte Wasser.
“Truppführer! Ihr solltet die Hand langsam herausziehen. Sonst frieren die Finger!” Sagte Ina erschrocken.
Levi sah sie an. “Wie soll ich es sonst lange genug unter Wasser halten?”
Fragte er genervt. Ina zog ihre Hand heraus. Sie hatte ihre Finger verhärtet, sodass keine Kälte an sie heran kommen konnte.
Die andere Hand streckte sie zu Levi aus. “Gebt es mir, ich bekomme die Kälte nicht ab.” Sagte sie freundlich.
Levi sah ihre Hände an und zog seine mitsamt dem Tuch aus dem Wasser. Nach der ganzen Zeit im kalten Fluss hatten sich seine Finger an die Kälte gewöhnt und es war für ihn, als wäre der Wind warm.
Ina nahm das Tuch entgegen und berührte dabei kurz Levis eiskalte Finger.
Sie erschrak, dass er sie noch nicht freiwillig herausgezogen hatte.
Sie verhärtete auch ihre zweite Hand und hielt die Tücher ins fließende Wasser.
Levi legte seine Finger unter die Achseln. Scheinbar begannen sie weh zu tun.
Danach drehte er sich leicht zum Fluss und sah hinab. Eine Weile saßen sie still nebeneinander. Levi blickte zum Himmel in die Sterne, als er bemerkte, dass Ina leicht nach vorn zu kippen begann.
“Becker?” Fragte er streng.
Sie reagierte nicht, sondern kippelte weiter vor und zurück, bis sie plötzlich fast komplett in den Fluss kippte.
Levi hielt sie am Kragen davon ab. “Ina! Verdammt wach auf!”
Ina öffnete schnell ihre Augen und sah das Wasser unter sich. Sie strampelte kurz und ließ sich danach zurück fallen. Sitzend betrachtete sie ihre Hände, an denen 2 blanke, saubere und strahlend weiße Tücher hingen.
Sie setzte ein breites Lächeln auf. Dann schwang sie wieder in die Hocke und präsentierte Levi die Ergebnisse.
“Seht mal Truppführer! Es hat funktioniert! Sie sehen aus wie neu!” Ina strahlte über beide Ohren.
Levi sah sie entsetzt an. Dann lehnte er sich vor und betrachtete ihr Werk. Er sah zum Fluss und gab Ina einen Schubs hinein. Levi merkte, dass seine Mundwinkel sich bewegen wollten, doch er ließ es nicht zu.
Sitzend, am Rand des Flusses, wartete er darauf, dass Ina wieder auf tauchte.
Ina, die in den nicht sehr tiefen Fluss geschubst wurde, stand sogleich wieder auf, nachdem sie ihre Finger benutzen konnte.
Sie warf ihre Haare nach hinten und sammelte die Tücher aus dem Bach ein.
“Was sollte das Truppführer?” Fragte sie angespannt.
Levi zuckte mit den Schultern. “Befehlsverweigerung?” Fragte er leicht sarkastisch.
Ina legte den Kopf auf die Seite. “Gegen welchen Befehl habe ich denn diesmal verstoßen?”
Levi dachte kurz nach. “Es wird sicher einen geben, Becker!”
Ina kam näher. Levi hielt ihr die Hand hin, um ihr auf zu helfen.
Ina packte sein Handgelenk fest zu. Bevor Levi ziehen konnte, begann Ina zu grinsen, ein teuflischer Gedanke kam ihr.
Levi sah sie an und seine Augen erschreckten. “Ina nicht!” Rief er noch, bevor sie ihn hinab in den Fluss zog. Levi landete unsanft hinter ihr in dem kalten Wasser. Er brauchte einen Moment, bis er den Halt hatte, um sich hin zu stellen.
Ina lachte laut und herzlich.
Levi tauchte hinter ihr wieder auf und streifte seine Haare nach hinten.
Ina drehte sich lachend zu ihm.
“Ja ganz witzig Becker!” Sagte er genervt. Levi begann auf Ina zu zu gehen.
“Das nennt man wohl Rache.” Ina lachte weiter. Levi kam kurz vor ihr zum stehen und sah in den Himmel.
“Ina, sieh mal.” Sagte er leise. Ina beruhigte sich und sah Levis Augen hinterher. Über ihnen strahlten die Sterne unnatürlich hell. Eine Schnuppe zeigte sich und schwang durch den Himmel.
Ina atmete tief ein und schloss die Augen. Levi sah sie an und verdrehte die Augen.
“Sag bloß, du wünschst dir etwas?” Fragte er rhetorisch.
Ina öffnete verdutzt die Augen. “Sagt ihr bloß, dass ihr euch noch nie etwas von einer Sternschnuppe gewünscht habt?” Fragte sie verwundert.
“Doch natürlich.” Sagte Levi.
“Und, ist es nie in Erfüllung gegangen?” Fragte Ina interessiert.
Levi sah sie plötzlich an. “Seht ihr! Also, wenn es funktioniert, dann ist es doch gut!” Ina lächelte und blickte wieder hinauf. Sie schloss erneut die Augen und beendete ihren Wunsch innerlich.
Levi sah ihr dabei nachdenklich zu. Er dachte an die Sternschnuppe, die er mit Hange gesehen hatte. Er wünschte sich damals, dass es Ina gut ginge und sie am Leben war. Nun stand sie direkt vor ihm. Man konnte das also als erfüllten Wunsch betrachten.
Levi trat einen weiteren Schritt auf Ina zu, sodass er kurz vor ihrem Gesicht stehen blieb.
“Was jetzt? Sollen wir erfrieren?” Fragte Levi flüsternd, nach ein paar Gedankengängen.
Ina erschreckte von Levis Stimme, die plötzlich so nah schien. Sie öffnete ihre Augen und sah in Levis. Das Wasser war zwar kalt, doch ihr wurde ganz warm. Ina lächelte leicht und schloss die Augen. “Es ist wirklich ziemlich kalt, nicht wahr?.” Fragte sie und sah hinauf in die Sterne. Kurz darauf hörte sie das Geräusch von leichten Wellen und spürte, dass Levi sich entfernt hatte.
Sie drehte sich zu ihm, doch Levi war schon dabei, aus dem Fluss zu klettern.
Ina folgte ihm und wollte ebenfalls zum klettern an setzen. Levi sah hinab zu ihr.
“Vergiss es, nochmal helfe ich dir nicht.” Sagte er genervt.
Ina lächelte in sich hinein. “Ich schaffe das auch so, vielen Dank!”
Levi sah sie wütend an. “Generell Becker. Du musst auf dich selbst aufpassen.”
Sagte er und wollte sich umdrehen. Ina schüttete gerade ihren Schuh aus.
“Sagtest du, dass dir kalt sei?” Fragte er mit gesenktem Kopf.
Ina sah ihn humpelnd an. “Ja schon. Das Wasser wird Nachts immer kälter, findet ihr nicht?”
Levi beobachtete, wie sie ihre Schuhe entleerte und wieder an zog.
“Möchtest du, einen Tee zum aufwärmen?” Fragte er, nachdem sie ihren zweiten Stiefel wieder angezogen hatte.
“Ihr meint das ernst, oder?”
Levi warf ihr einen fragenden Blick zu.
“Ich meine, dass ihr mich nicht allein lasst.” Ina ging zu ihm.
Sie kramte die Tücher aus ihrer Jackentasche und hielt sie Levi hin.
Levi sah hinab und nahm die nassen Tücher.
Er hob den Kopf und sah Ina weiter gehen. “Wo willst du wieder hin, Becker?” Fragte er genervt. Ina drehte sich lächelnd um.
“Ich gehe allein auf mein beschissenes Zimmer, Truppführer.”
Levi band sich die Tücher und seinen Gürtel und ging ihr hinterher. Er folgte ihr schweigend. Ina blieb plötzlich stehen, sodass Levi sie anrempelte, er verdrehte erneut die Augen und ging an ihr vorbei. Wortlos ging er weiter, in die Richtung des Frischlings Gebäudes.
Ina blieb kurz stehen. Wollte er jetzt doch allein gehen? Sie sah in den Himmel und atmete tief durch, dann nahm sie ihre Haare nach vorn und wrang sie etwas aus.
Levi ging nicht viel weiter, bis er stehen blieb, um nach Ina zu sehen. Er sah, wie sich die Haare aus wrang. Er blickte hinunter auf die Tücher, welche noch zu nass waren, um sie als Haarbänder zu nutzen. Levi schnaufte leicht. Ina hörte das und blickte ihn an.
“Also schön, geh allein. Aber wenn du stirbst, dann bist du selbst Schuld verstanden?” Fragte er, ohne Ina an zu sehen.
Sie nickte schnell, lächelte und salutierte.
“Jawohl, Truppführer!”
Levi drehte sich weg und ging.
 
 
Ina kehrte in die Richtung des Soldaten Quartiers ein. Sie ging nochmal am Stall vorbei, welcher immer noch verschlossen gewesen war.
Sie blickte hinauf in das kleine Fenster aus dem Bernd und Hannah sie beobachtet hatten, doch niemand war zu sehen.
Ina ging in das Gebäude und betrat leise ihr Zimmer, ohne zu klopfen.
Hannah und Bernd saßen nervös auf den Betten und warteten auf Ina.
Sie sahen erschrocken auf, als diese die Tür öffnete.
“Ihr seid ja noch wach!” Wunderte sie sich.
Hannah sprang auf, auch Bernd stand schnell von Inas Bett auf.
“Ina, warum bist du so nass? Was ist passiert?” Fragte Bernd erschreckt.
Ina fühlte ihre Haare und ging patschend an den beiden vorbei.
“Das ist eine lange Geschichte Bernd!” Sie drehte sich um. Hannah hatte die Tür hinter Ina geschlossen und setzte sich auf ihr Bett. Sie zog Bernd zu sich runter und schnappte sich ein Kissen, welches sie gespannt fest hielt.
“Was macht ihr da?” Fragte Ina amüsiert. Bernd lehnte sich zurück und stützte sich mit seinen Armen auf dem Bett ab. “Na, wir warten auf deine Geschichte Ina.”
Ina sah die beiden entsetzt an. “Ihr? Was?”
Hannah klatschte in die Hände. “Ich sagte doch, dass sie zusammen waren Bernd!” Hannah freute sich.
Ina wollte ihre nasse Uniform ausziehen. Sie sah Bernd fragend an.
“Ach was Ina, du müsstest etwas anders aussehen, als das es mich interessieren würde.”
Ina zuckte mit den Schultern und zog sich trockene Kleidung an. Danach setzte sie sich zu Hannah ans Kopfende.
“Jetzt mach schon, sag uns was passiert ist!” Hannah hielt das Kissen noch immer gespannt fest. Sie rückte ein Stück zurück zu Bernd, um Ina etwas Platz zu lassen.
Ina wickelte ihre Haare in ein T-shirt ein, damit sie das Bett nicht voll tropften.
“Okay nagut, also. Ja, der Truppführer war bei mir.”
Hannah quietschte vor Freude. Bernd sah Ina interessiert an.
“Er wollte, dass ich ihm zeige, wie man die Tücher sauber macht, die ich im Haar trage.”
Hannah quietschte weiter. “Und als ich sie gewaschen habe, bin ich in den Fluss gefallen.”
Hannah sah enttäuscht auf. “Das wars? Das ist alles?”
“Ja Ina, das glaub ich dir auch nicht. Ich hab das zwar nicht erwartet, aber das kann doch nicht alles sein.” Selbst Bernd war misstrauisch.
Hannah schlug Ina mit dem Kissen. “Jetzt raus damit! Was ist noch passiert?”
Ina begann zu grinsen. Sie nahm das Kissen und schlug Hannah zurück.
“Warum wollt ihr das überhaupt wissen?”
Hannah nahm das Kissen und sah Ina ernst an. “Wirklich Ina? Ist das dein ernst?”
Bernd sah an Hannah vorbei. “Also echt, wenn die beide so drauf sind, dann ist das kein Wunder Hannah!”
Ina war verwirrt. “Wovon genau redet ihr bitte?”
Hannah schlug Ina erneut mit dem Kissen. “Kein Wunder, dass bei euch nichts passiert!”
Ina fuhr Farbe ins Gesicht. “Was meinst du damit?” Sie hielt das Kissen nun fest.
“Hallo? Erde an Ina?” Hannah nahm das Kissen zurück und sah Bernd an.
“Lass es Hannah, sie werden es schon schaffen!” Sagte er und lachte.
“Ich will ihr helfen!” Sagte Hannah. “Helfen wobei?” Fragte Ina unwissend.
“Sie will dir und dem Truppführer helfen.”
Ina war still. Bernd stand auf. “Wie kann man sich so offensichtlich mögen und doch hassen?”
Ina sah ihm hinterher. Bernd ahmte ein paar Situationen nach, die er zwischen Ina und Levi beobachtet hatte. Die zwei Soldatinnen lachten über die offensichtlichen Momente, die Bernd spielte.
“Und dann, ganz zum Schluss! In Shiganshina! Was war da? Habt ihr nun den ganzen Nachmittag auf einem romantischen Hügel verbracht und dabei sogar den Einsatzbefehl vergessen oder nicht?” Bernd sah Ina eindringlich an. Ihr Bauch grummelte.
“Siehst du?” Bernd setzte sich auf Inas Bett.
Sie sah hinab auf Hannahs Kissen. Hannah sah, dass Ina nachdachte.
“Ist denn dort etwas passiert? Zwischen euch beiden?”
Ina hob den Kopf, sie lächelte Hannah leicht an.
“Ich schätze nein, nicht direkt zumindest.”
Bernd ließ sich enttäuscht fallen. Hannah atmete schwer.
“Das wird schwieriger als ich erwartet hatte!”
“He! Ihr müsst mich nicht verkuppeln klar? Ich brauche niemanden an meiner Seite!” Sagte Ina stolz.
Bernd setzte sich auf. “Wo wärst du dann jetzt ohne uns?”
Ina stockte. “Wir brauchen uns alle gegenseitig Ina! Versteh das doch endlich. Wir stecken hier alle gemeinsam drin!” Redete er auf sie ein. Ina setzte sich wieder.
Hannah sah sie an und fragte behutsam. “Was war denn auf dem Hügel, wenn ihr euch nicht näher gekommen seid?”
Ina sah sie lächelnd an. “Ich habe einen Brief von Mutter gefunden. Dann habe ich mit dem Truppführer über sie geredet. Er hat mir auch von seiner Mutter erzählt..” Bernd unterbrach sie. “Moment, warte, warte. Er hat was?”
Hannah war ebenso erstaunt. “Ina, hat er das wirklich?”
Ina verstand die Verblüffung nicht. Sie nickte lediglich.
Hannah sah Bernd überrascht an.
“Ina, der Truppführer hat noch nie über seine Vergangenheit gesprochen. Nicht mal zu Boris oder Franz. Das was sie wissen und erzählen ist nur das, was sie selbst miterlebt haben.”
Ina schreckte auf. “Das heißt?”
Hannah nickte lächelnd. “Das heißt, er vertraut dir wirklich sehr Ina! Wie schön!”
Ina erinnerte sich, dass sie für Levis Mutter gebetet hatte. Sonst würde niemand auch nur ihren Namen kennen. Sie lächelte etwas und sah zu Hannah auf. “Meinst du denn..”
Hannah grinste wie ein Honigkuchenpferd.
“Aber natürlich hast du Chancen bei ihm Ina! Wenn er dir jetzt schon so viel erzählt!” Ina lachte.
“Das war doch gar nicht was ich fragen wollte Hannah!”
Bernd lachte ebenfalls. “Aber Recht hat sie trotzdem Ina!”
Die drei unterhielten sich noch eine Weile, dann ging Bernd auf sein Zimmer. Hannah und Ina gingen zeitnah zu Bett.
 

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