8.2 (Ina)

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Im Häuschen angekommen, ließ Bernd sie allein. Er sagte, er müsse die Nachricht so schnell wie möglich verbreiten.
“Ina, ich wusste gar nicht, dass du so berühmt bist.” Sagte Ella, während sie dem aufgedrehten Bernd hinterher sah.
“Das wusste ich bis jetzt auch nicht Ella.” Sie lachten gemeinsam. Die Schwester kam auf Ina zu und begann den Fuß zu untersuchen. Ina konzentrierte sich weiterhin. Schmerzen liefen ihr durch Mark und Bein. Sie versuchte trotzdem stark zu bleiben.
“Tja also, das ist ganz klar ein Gelenkbruch, außerdem sind deine Bänder gerissen. Ich schätze, selbst wenn es gut verheilt, wirst du kein 3D Manöver mehr nutzen können.”
Diese Nachricht war ein Schock für die Soldatin.
“Wie, was? Nie wieder ? Aber, es tut gar nicht so schlimm weh!” Ina versuchte sich zu retten, doch ohne Erfolg.
“Es ist wie ich sage.” Die Schwester stand auf und bereitete Verbands und Stützmaterial für den Fuß vor.
“Du musst ziemlich dumm gefallen sein, damit dein Gelenk so bricht!” Ina und Ella sahen sich an.
“Ja aber, was wird dann aus ihrer Karriere als Soldatin?” Ella war traurig.
“Das kannst du dir abschminken Süße. Du solltest froh sein, dass der Fuß nicht gesplittert ist.”
Sie verband den Fuß. Ina und Ella waren still. Die Schwester gab Ina außerdem neue, saubere Kleidung, da ihre total zerrissen und schmutzig gewesen war.
Nachdem Ella und die Schwester dann gegangen waren, konnte Ina das Zimmer ebenfalls verlassen. Sie hatte Krücken bekommen und konnte sich mit ihnen auch ohne fremde Hilfe bewegen.
Sie humpelte zum Marktplatz, der sich in der Nähe des Krankenzimmers befand. Dort traf sie auf ein paar bekannte Gesichter und viele Soldaten, die ihr unbekannt gewesen waren. Offenbar setzte man sogar die Militärpolizei für Außeneinsätze ein. Sonst wäre Ella vermutlich auch nicht in einem äußeren Mauer Bezirk an zu treffen gewesen.
“Hallo zusammen, was ist denn hier los? Wieso gibt es hier so viele Soldaten?”
Alle drehten sich zu Ina um. Erschreckt und verstört sahen sie die Soldatin an.
Bernd stand als einziger auf und nahm Ina beiseite. “Was ist hier los Bernd? Hab ich denen was getan?”
Die Freude von vorhin hatte in Bernds Gesicht nach gelassen. Auch Ella und die Zwillinge waren auf einmal wie vom Erdboden verschlungen.
“Ina hör zu, die Kommandantin möchte dich sehen. Sie hat bereits alle Soldaten vom Aufklärungstrupp abgezogen. Sie will so schnell es geht wieder in den Süden. Ich sollte auf dich warten und dich zu ihr bringen. Komm einfach mit ja?”
Bernd klang besorgt. Ina konnte sich nicht erinnern, ihn jemals so ernst gesehen zu haben. Ohne Widerworte ging sie mit ihm. Bernd brachte sie zu einem großen Gebäude, davor standen einige Wachen aus verschiedenen Garnisonen. Bernd und Ina wurden ohne Kommentar hinein gelassen.
Im inneren Hof waren dann nicht mehr so viele Soldaten an zu treffen.
Bernd half Ina ein paar Treppen hinauf. Nach einem langen Korridor, voller Wappen an den Wänden, waren sie vor einer doppelten Tür angekommen. Auch hier befanden sich mehrere Soldaten aus verschiedenen Garnisonen.
“Sag mal Bernd, was genau geht hier vor?” Ina flüsterte.
“Das wirst du gleich sehen.” Bernd trat vor, zu dem Soldaten direkt an der Tür.
“Ich bringe Ina Becker, die Kommandantin Hange Zoé wünscht sie zu sehen.” 
Ein Soldat von der Militärpolizei ging hinein und kam nach kurzer Zeit wieder heraus.
Er hielt die Tür einen Spalt offen und wank Ina zu sich rüber.
“Ich darf leider nicht mit rein. Aber du schaffst das schon.”
Ina trat vorsichtig vor. Die Soldaten um sie herum waren sich unwohl der Soldatin beim laufen zu zu sehen, doch helfen durfte keiner von ihnen.
Ina betrat den Raum. Es war mehr ein Saal. In ihm befand sich eine riesige runde Tafel. Dort saßen viele Ratsmitglieder und die Kommandanten der Garnisonen von Osten und Süden. Unter anderem auch Kommandant Merte, Pixie, Hange und sogar Levi war anwesend.
Hange stand auf und freute sich über Inas Ankunft. Sie saß am anderen Ende der Tafel.
“Ina wie schön, bitte komm doch rein.” Ina humpelte vor. Kein freier Stuhl bot sich ihr, weshalb sie einfach stehen blieb. Angelehnt auf ihre Stütze schaute sie neugierig durch die Gesichter der Anwesenden.
“Ina, wir alle haben ein paar Fragen an dich. Wärst du bereit, sie jetzt schon zu beantworten?” Kommandant Pixie fragte mit viel Gefühl und klang nicht sonderlich bedrohlich. Im Gegensatz zu den anwesenden Ratsmitgliedern.
Ina überlegte nicht lange, bevor sie antwortete.
“Ja, natürlich beantworte ich eure Fragen.” Kommandant Pixie lehnte sich zufrieden zurück. Er überließ Hange das Wort.
“Gut Ina. Wie wir nun alle mitbekommen haben, warst du verschollen und für Tot erklärt worden. Fast anderthalb Jahre sind seitdem vergangen. Kannst du uns irgendwas dazu sagen?”
Ina überlegte kurz. Dann sah sie mit einem Auge zu Levi. Hatte er nicht berichtet, was auf der Mission geschehen war?
Sie raffte sich zusammen und begann zu sprechen.
“Kommandantin, Ratsvorsitzende. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Auf der Mission haben uns mehrere Titanen angegriffen und..” Forsch wurde sie unterbrochen.
“Wir wissen was auf der Mission passiert ist. Der Truppführer hat es uns bereits berichtet. Was geschah, nachdem ihr von dem Titan erfasst wurdet? Der Truppführer sah, wie ihr von besagtem Titan zerquetscht worden seid. Wieso also seid ihr noch am Leben, Soldat?” Ein wütendes Ratsmitglied wollte Ina auf den Zahn fühlen.
Ina begann zu zittern.
Hange saß bereits wieder und hatte ihren Kopf nachdenklich auf die Hände gelegt.
Levi, der neben ihr saß, schlürfte an einem Tee und betrachtete das Geschehen, ohne mit zu wirken.
“Nunja, ich wurde nicht zerquetscht. Ich konnte ihm die Finger abschneiden, daraufhin hat er mich, mitsamt den Fingern beiseite geworfen. “
“Moment, Moment, “ unterbrach sie erneut ein anderes Ratsmitglied. “ich möchte gern einwenden, nachdem sie beiseite geworfen wurden. Da hat der Truppführer die Titanen besiegt, ist das Richtig?”
Ina dachte kurz nach. Levi zeigte nach wie vor keine Regung.
“Das weiß ich nicht mehr. Ich verlor das Bewusstsein, als ich auf den Boden fiel. Ich weiß nur noch, dass ich unter den Knochen der Titanen Finger aufwachte. Ich bin auf die Bäume geschwungen und habe mich da oben vor den Titanen geschützt.”
Der Saal war still. Hange stand auf. “Ina, wie hast du es geschafft das ganze Jahr lang zu überleben? Irgendwann muss dir doch das Gas ausgegangen sein.”
Ina sah sie bittend an. Sie wollte diese Fragerei nicht mehr.
“Ich ging auf die umliegenden Felder, um mich mit Essen und Wasser zu versorgen. Vorher habe ich mir eine Vorrichtung gebaut, um auch ohne das Gas auf die Bäume zu kommen. Das hat gut funktioniert. Ich habe danach einfach gewartet, ob vielleicht nochmal ein Trupp kommen würde, dann hätte mich ihnen angeschlossen.”
Hange stand noch immer. 
“Wie hast du den Winter überlebt, Soldat?” Ina spürte, dass Hange strenger wurde in ihrem Ton.
“Niemand hätte das überlebt! Ich sage euch, sie lügt doch!” Die Kommandanten der östlichen Mauer Garnison mischten sich ein. Er fuhr fort.
“Wenn sie so mobil gewesen wäre, dann hätte sie es auch locker an die Mauer geschafft. Wir hätten keinen Soldaten draußen einfach stehen lassen! Das ist doch alles gelogen!”
Kommandant Pixie mischte sich ein. “Daran Herr Kommandant, Kollege hat auch niemand gezweifelt. Die Frage ist nur, wie hättet ihr euch mehrere hundert Kilometer, ohne die Möglichkeit das 3D Manöver zu verwendet, geschlagen? Dazu noch ohne Pferd?
Ich persönlich finde die Tat des Mädchens sehr lobenswert. Sie hat ihr überleben gesichert. Das hätte jeder von uns getan. Oder nicht?” Alles war still. Der Kommandant fuhr fort.
“Also bitte Ina, beantworte noch die Frage von Kommandantin Zoè, dann sind wir hier, denke ich, fertig für heute. Was hast du im Winter gemacht?”
Ina nickte dem Kommandanten zu. Dieser setzte sich wieder und lauschte Inas Geschichte.
“Ich musste mir etwas suchen, wo ich mich verstecken konnte. Leider gab es auf den Feldern keine Chance, dass ich hätte überleben können, ohne erwischt zu werden. Ich habe mich durch die Bäume bewegt und kam zum anderen Ende des Waldes heraus. Dort sah ich einige Berge. Sie waren nicht weit entfernt. Nicht so weit, wie die Mauer jedenfalls. Ich ging in der Nacht dorthin, da die meisten Titanen in der Nacht nicht so aktiv waren. Ich fand Häuser und Ställe. Leider war kein Vieh mehr übrig. Doch in den Hütten gab es reichlich Feuerholz und Decken. Ich verbrachte den Winter dort oben.”
Hange stand erneut auf. “Bitte Ina, erzähl uns wie du es dort überlebt hast.”
Ina sah auf ihre Füße. “Ich hab mich von den Vögeln ernährt.”
Die Kommandanten sahen erstaunt auf. Der Kommandant des östlich Mauer Regimes fragte sie. “Wie hast du die denn erwischt?”
Ina grinste ein wenig. “Naja in der Hütte gab es eine Axt und Pfeil und Bogen. Ich musste sie mir nur herunter schießen, sonst hätte ich den Winter wahrscheinlich auch nicht überlebt. Dabei ist mir einiges an Kleidung zerrissen, außerdem brauchte ich den Stoff, zum Transport der Beute.”
Die Ratsmitglieder berieten sich, in der Zeit, in der Ina sprach. Dann stand einer von ihnen auf.
“Soldat, es ist uns berichtet worden, dass ihr Fuß nicht heilen wird. Sie werden also keine Einsätze mehr im Aufklärungstrupp absolvieren können. Warum sollten wir sie mit ihnen gehen lassen?” Ina war ein wenig schockiert von dieser Frage. Levi sah von seinem Tee auf, offensichtlich kannte er die Diagnose von Inas Verletzung noch nicht.
“Ich, also..” Hange stand schnell auf und unterbrach die Soldatin noch bevor sie zu Wort kam.
“Sie hat doch bereits berichtet, wie gut sie sich in dem Wald und auch dahinter aus kennt. Wir werden sie zu Aufklärungs zwecken einsetzen und zur Planung der Einsätze. Außerdem liebe Ratsvorsitzende, weiß ihr Köpfchen sehr viel über Titanen, sie ist die perfekte Hilfe für die Aufklärung. Und das ist nunmal unsere Arbeit. Ob auf dem Feld oder um die Informationen aus zu werten. Sie wird uns allen Ergebnisse liefern! Immerhin kann von ihnen niemand behaupten, über ein Jahr lang zwischen ihnen gelebt zu haben!”
Die Ratsvorsitzenden berieten sich erneut. Dann warf Kommandant Pixie ein.
“Also ich finde die Kommandantin Hange hat Recht. Ina kann viel zur Aufklärung beitragen, ob mit oder ohne Kampf. Für den Trupp ist sie auf jeden Fall eine größere Bereicherung, als bei uns in der Mauer Garnison. Und was möchte die Militärpolizei mit einem Titan Experten? Ihr seid doch für die Sicherheit der Bürger innerhalb der Mauern zuständig. Ich finde das alles Sinnlos, wenn ihr mich fragt. Ich habe also nichts dagegen, sie dem Aufklärungstrupp zu überlassen. Es scheint das einzig Sinnvolle zu sein!”
Der Rat hörte dem Kommandanten aufmerksam zu. Dann wandten sie sich an Hange.
“Nach Absprache mit dem Rat haben wir entschieden, dass sie vorerst mit euch gehen kann Kommandantin Hange Zoé. Sollte es jedoch Auffälligkeiten geben oder etwas dergleichen, dann wird sie unter Aufsicht der Militärpolizei innerhalb der Mauer Sina sicher gestellt. Damit ist die Sitzung beendet!”
Die Kommandantin sprang auf, Levi beendete seine Tasse Tee und schwang sich seinen Umhang über. Hange ging in schnellem Schritt zu Ina. Sie kehrte sich noch einmal schwungvoll um zur Tafel.
“Ich danke euch Herrschaften, aber wir müssen jetzt los. Wir haben noch ein gutes Stück Strecke vor uns!” Danach drehte sie sich zu Ina. Sie flüsterte. “Komm schon, bevor sie es sich anders überlegen.” Sie stützte Ina auf der Seite, auf der sie keine Krücke hatte und humpelte zügig mit ihr hinaus.
Draußen war der Trupp zur Abreise bereits startklar.
 

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