9 (Ina & Levi)

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Unten angekommen half Hange, Ina auf einen Wagen. Sie setzte sich gegenüber von Ina. Neben Hange nahm auch Levi Platz.
Kurz nachdem sie die Stadt verlassen hatten, änderte sich Hanges Stimmung schlagartig. Eben war sie noch die strenge Kommandantin, dann auf einmal war sie wieder die freundliche und neugierige Kommandantin, die alle kannten.
“Oh bin ich froh, dass wir da raus sind. Ina, ich hab gedacht, die möchten deine gesamte Lebensgeschichte hören.”
Auch Levi lockerte seine Haltung ein wenig. Dennoch wirkte er angespannt wie immer, vielleicht sogar ein wenig mehr säuerlich. Er würdigte Ina keines Blickes. Hange konnte sich nicht weiter halten. Sie fragte Ina direkt weiter.
“Jetzt sag mal, wie hast du es tatsächlich geschafft dort zu überleben? Und wie war es bei den Titanen? Tag und Nacht meine ich.” Ina begann zu grinsen. Sie wusste, was die Kommandantin jetzt hören wollte.
“Ganz im Ernst? Es war total aufregend Kommandantin! Die Titanen sind so vielseitig und ich habe sie beinahe den ganzen Tag beobachtet.” Hange bekam Sternchen in den Augen. Sie musste alles erfahren, was Ina gesehen hatte.
Levi beobachtete die Szene mit missfallen.
“Ihr seid wirklich abartig.” Hange war genervt von diesem Kommentar.
“Nein sind wir nicht! Du bist nur viel zu unflexibel! Sie ist genau das, was wir gebraucht haben! Ein echter Insider!” Hange sah wieder zu Ina und strahlte erneut.
“Eine Soldatin, die nicht kämpfen kann? Ist das dein ernst Hange?”
Levi wirkte zunehmend genervt. Hange wurde sauer und meckerte ihren Truppführer an.
“Was denkst du dir eigentlich? Erst rettest du sie und jetzt willst du sie den Militär Fritzen überlassen? Was ist nur los mit dir?”
“Ist schon gut Kommandantin, er hat ja Recht. Warum habt ihr mich da vorhin überhaupt raus geholt?”
Hange war verwundert, genauso wie Levi, der es sich aber wie immer nicht anmerken ließ.
“Naja, also, ich hatte das schon ernst gemeint, weißt du. Du bist doch jetzt so eine Art Insider oder nicht?”
Ina lächelte und nickte. “Natürlich, ich helfe wo ich kann.” Hange war zufrieden und sah nach vorn, Richtung Heimat.
“Übrigens, danke, dass ihr mich gerettet habt, Truppführer.”
Hange hörte den Dank und blinzelte zu Levi herüber. Dieser würdigte Ina immer noch keines Blickes.
“Glaub ja nicht, dass ich das nochmal mache.” Er klang genervt. Ina hingegen lächelte in sich hinein.
“Das weiß ich doch, Truppführer.” Sie grinste und sah nach vorn zu den Pferden, die die Kutsche zogen. Levi sah in der Zeit kurz zu Ina hinauf. Danach drehte er seinen Blick ebenfalls nach vorn, wo er die glänzenden Augen von Hange traf. Sie hatte wohl etwas anderes in diese Situation hinein interpretiert. Levi war davon noch genervter als vorher. Er verdrehte die Augen und änderte seinen Blickwinkel nach hinten.
Ein paar Stunden dauerte ihre Reise Richtung Heimat. Es war eine Zeit lang still, Ina schlief ein wenig. Die Zeit außerhalb der Mauern hatte ihr nicht viel Schlaf geboten. Dann fiel Hange etwas ein.
“Ach übrigens Ina, du kommst doch aus der Stadt Shiganshina, richtig?”
Ina erschrak ein klein wenig aus ihrem Schlaf. Sie hielt kurz inne, lange hatte sie nicht mehr über ihre Heimat gesprochen.
“Ja Kommandantin, wieso fragt ihr?” Ina war neugierig geworden.
“Tja weißt du, das erzähle ich dir in den nächsten Tagen ganz genau.”
Ina war zu neugierig, als dass sie locker lassen konnte. Sie wollte allerdings auch nicht aufdringlich sein und blieb vorerst still.
 
 
Am Gebäude der Frischlinge angekommen, musste Ina feststellen, dass sie gar kein Frischling mehr gewesen war. Es gab bereits neue Soldaten, die jetzt in ihren Zimmern wohnten. 
Sie stand vor ihrem alten Zimmer. Mit viel Mühe hatte sie es geschafft, dort hinauf zu kommen.
Als sie die Tür öffnete, befanden sich fremde Sachen auf ihrem ehemaligen Bett.
Von hinten hörte sie Schritte die Treppe hoch kommen. Eine unbekannte Soldatin lief die Treppen hoch. Offenbar war sie nun die Bewohnerin des Zimmers.
“Ähm, hallo? Was machst du in unserem Zimmer? Wer bist du denn überhaupt?”
Ina drehte sich um zu ihr und lächelte.
“Entschuldigung. Weißt du, das war mal mein Zimmer. Ich wusste nicht, dass mein Trupp bereits umgezogen ist. Kannst du mir sagen, wo sie untergekommen sind?”
Die Soldatin war positiv überrascht von der Freundlichkeit, die Ina mit brachte.
“Ja natürlich, wenn ich deinen Trupp kenne. Von welcher Einheit bist du denn genau?” Die Soldatin sah Ina prüfend an.
Auf einmal kam von hinten eine laute Männerstimme.
“Sie gehört zu uns!” Die beiden Soldatinnen zuckten kurz zusammen.
“Bernd?” Fragte Ina überrascht. Die fremde Soldatin legte ihren Soldatengruß vor Bernd an.
Ina fand das alles sehr merkwürdig. “Bernd, was machst du hier?”
“Na, das sollte ich wohl eher dich fragen. Wie bist du denn da hoch gekommen? So schnell wie du, war ja noch keiner in Krücken. Komm, ich bringe dich zu unserer neuen Unterkunft.”
Er wank Ina zu sich runter. Diese holperte die Treppe mit ihrer Stütze wieder herunter. Die fremde Soldatin sah Ina hinterher, wie ein Hund seinem Leckerli.
Unten angekommen wollte Ina mit Bernd über die Situation reden.
“Du sag mal, warum war sie denn so respektvoll vor dir?”
Bernd lachte. “Meinst du etwa, ich bin es nicht wert?”
Ina wurde rot. “Nein, ach du weißt doch was ich meine. Warum hat sie salutiert?”
Bernd lachte erneut.
“Du hast ganz schön was verpasst im letzten Jahr. Hat dir denn keiner etwas gesagt?”
Ina wurde immer misstrauischer. “Nein, wieso? Was denn? Jetzt sag schon Bernd. Irgendwer muss ja mit mir reden.”
“Tut mir wirklich leid Ina, aber ich darf nicht mit dir darüber sprechen. Das musst du die Kommandantin oder den Truppführer fragen.”
Ina dachte kurz nach. Eigentlich wollte sie mit keinem von beiden reden zur Zeit. Doch wenn, dann wohl eher mit der Kommandantin.
Bernd und Ina gingen weiter und Bernd erzählte Ina zumindest, wie es in seinem privaten Umfeld so lief im letzten Jahr. Er hatte seine Familie besuchen können und seine Geschwister wieder gesehen. Sie waren sein größter Stolz gewesen, bevor er zum Aufklärungstrupp ging.
Kurze Zeit später kamen sie an einem anderen Gebäude an. Es war zwar nicht weit entfernt von der Frischlings Unterkunft, jedoch mit den Gehhilfen dauerte es schon ein paar Minuten.
“Hier ist es. Ich glaube, die Zwillinge freuen sich, dich wieder bei ihnen auf zu nehmen. Wenn du Glück hast, bekommst du sogar ein Bett!” Bernd lachte.
“Der Saal zum Essen ist immer noch derselbe, du musst dorthin laufen, wenn es Zeit ist.” Er sah an Ina hinunter.
“Das schaff ich schon, danke Bernd.” Ina lächelte ihn an. Er hielt ihr noch die Tür auf. Dann ging er, da der Eingang der Männer auf der anderen Seite des Gebäudes gewesen war.
Ina ging in das fremde Gebäude. Zum Glück gab es hier keine Treppen. Sie ging einen schönen Gang entlang. Dabei betrachtete sie die verzierten Mosaik Wände, bis sie an einer offenen Tür vorbeikam. Sie blickte nur den Bruchteil einer Sekunde hinein. Diese Haarschöpfe würde sie überall wieder erkennen.
“Mädels?” fragte sie erstaunt in das Zimmer. Die Harrschöpfe bewegten sich.
Sie kamen auf die Tür zu und rissen sie auf. “INAA!” Hannah stürmte hinaus.
“Ich hab schon gedacht, sie verkaufen dich an die Militärpolizei!” Hannah weinte beinah. Anna versuchte cool zu bleiben, doch konnte sich nicht lange halten. Auch sie lief zu Ina und umarmte sie.
“Du unsagbar großer Dummkopf! Wie kannst du nur einfach sterben? Was hast du dir dabei gedacht?”
Ina lächelte. “Ich hab euch so vermisst! Wenn ihr wüsstet, was ich dort alles erlebt habe!”
Die Zwillinge ließen sie los. “Du musst uns alles erzählen Ina! Unbedingt!” Forderte Hannah. Anna nickte dies lächelnd ab und sie nahmen Ina mit ins Zimmer. Dort redeten sie und hörten sich Inas Geschichte an. Auch neue Uniformen für Ina lagen dort bereit. Die Mädels quatschten und auch Hannah und Anna erzählten von den Ereignissen, die in dem vergangenen Jahr geschehen sind.
“Wartet wartet, ihr wollt mir erzählen, während ich weg war, ist eine neue Königin gekrönt wurden? Und das war Christa? Also unsere Christa, die jetzt Historia heißt? Das ist total verwirrend! Wie hat man das raus gefunden?”
Hannah und Anna waren unsicher, ob sie mit Ina reden konnten. Sie sahen sich fragend an und hatten keine Antwort.
“Was ist los?” Die Zwillinge blickten zu Boden.
“Ina vielleicht solltest du..” Ina unterbrach Anna.
“Lass mich raten. Ich soll mit der Kommandantin reden? Was ist nur passiert das mir alle verheimlichen?”
Hannah wollte nicht mehr. “Anna ich kann das nicht.” Sie stand auf und kniete sich vor Ina nieder.
“Hannah nicht, das dürfen wir nicht!” Anna forderte ihre Schwester auf zu schweigen.
Doch Hannah fuhr fort. “Ina, in dem Jahr in dem du weg warst. Es ist uns gelungen Shiganshina zurück zu erobern. Wir haben in der Zeit alle Titanen in der Stadt besiegt. Die Stadt ist sauber. Einige Soldaten und freiwillige Helfer sind dort und bauen sie wieder auf, während wir daran arbeiten die Mauer Maria wieder zurück zu erobern.”
Ina wurde blass. “W-was redest du da?”
Anna sprach weiter. “Das ist der Grund, warum unser Trupp im Wald unterwegs war. Wir haben Titanen gejagt, um das Gebiet zu säubern. Wenn wir alle Titanen innerhalb der Mauer erwischt haben, dann können wir die gesamte Mauer Maria wieder besiedeln!”
“Aber wie..” Ina wollte fragen, doch Hannah unterbrach sie.
“Das reicht. Wir haben schon viel zu viel gesagt. Das solltest du alles gar nicht wissen. Die Kommandantin wird uns köpfen.” Hannah wurde schlecht.
Ina saß starr auf ihrem Bett. Sie konnte nicht fassen, was man ihr verschwiegen hatte. War das der Grund, warum der Aufklärungstrupp sie zurück haben wollte? Oder wollten sie die Wahrheit ewig vor ihr geheim halten? Ina wurde bei den ganzen Fragen sauer. Sie stand rasch auf und ging Richtung Tür.
“Ina? Deine Krücke!” Ina zuckte. Sie sah hinab auf ihren Fuß.
“Oh, ich muss wohl vorsichtiger sein. Danke Hannah.”
Ina nahm die Krücke an und verließ das Zimmer. Sie hoffte, dass keiner der beiden etwas gemerkt hatte. Zurück blieben zwei verblüffte Schwestern. Ina humpelte mit der Krücke aus dem Gebäude hinaus. Sie war auf dem Weg ins Zimmer des Truppführers. Der einzige, der ihr jetzt wahrscheinlich die Wahrheit sagen würde.
Auf halbem Wege sah sie zum Trainingsplatz. Dort trainierten die Frischlinge gerade unter der Aufsicht von Franz und Bernd. Bernd? Als Aufseher? Da musste sie wohl doch mehr verpasst haben als gedacht.
Ina schmunzelte und krückte weiter.
Kurz bevor sie den Eingang des Frischlings Gebäudes erreichte, kam ihr ein Gedanke.
“Was mache ich hier? Ich bin doch kein Hund. Wenn sie was von mir wollen, dann sollen sie doch zu mir kommen!”
Eingeschnappt zog sie ihre Hand, mit der sie die Eingangstür öffnen wollte, zurück.
Sie drehte um und humpelte Richtung Pferdestall. Um diesen zu erreichen, musste sie erneut durch den Trainingsbereich.
 
 
Sie lief auf der äußeren Seite des Holzzaunes vorbei, als sie bei den beiden Soldaten ankam.
Bernd und Franz sahen die verletzte Soldatin außerhalb des kleinen Zauns und konnten sich einen Spaß mit ihr nicht verkneifen.
“Schau mal Franz, hast du schonmal einen Soldaten auf drei Beinen gesehen?”
Franz grinste hämisch. “Man müsste meinen mit 3 Beinen läuft man schneller.”
Bernd begann zu lachen. “Wohl eher umgekehrt Franz.” Die beiden lachten herzlich zusammen.
Ina fand es zwar auch lustig, konnte sich einen Kommentar jedoch nicht verkneifen.
“Probier es doch aus Bernd, lass uns sehen, wie schnell du auf einem Bein hüpfen kannst.” Ina wendete ihre Krücke in der Luft und fing sie am anderen Ende wieder auf. Sie hakte Bernd seinen Fuß unter den Griff, sodass dieser fest hing und wie ein Hühnchen begann, auf einem Bein zu zappeln. Franz hielt es nicht mehr aus. Lauthals begann er über seinen Kameraden zu lachen, bis ihm die Tränen kamen. Bernd hingegen hüpfte weiter und bat Ina, endlich auf zu hören.
“Ina.. Bitte.. ich habs kapiert.. Bitte.. hör auf..”
Ina folgte der Bitte von Bernd augenblicklich und zog die Krücke steil in die Luft. Sie schleuderte Bernds Bein mit, dieser fiel unsanft zu Boden. Franz hielt sich am Zaun des Geländes fest, um beim lachen nicht um zu fallen.
Siegreich sah Ina auf Bernd hinab. “Mach dich nur lustig, aber vergiss nicht, dass ich stärker bin als du!” Sie grinste und hielt ihm die Hand hin, um ihm auf zu helfen.
Bernd grinste zurück und nahm ihre Hand entgegen. Sie zog ihren Kameraden auf die Beine zurück. Franz hatte sich in der Zwischenzeit beruhigt.
Er wischte sich die Tränen von der Wange. “Du hast mir gar nicht erzählt, wie witzig sie ist Bernd!” Er klopfte Bernd auf die Schulter. Auch Franz schien einen festen Schwung in der Hand gehabt zu haben.
Ina lächelte. “Was ist mit euch? Wollt ihr auch?” Franz lehnte dankend ab.
“Nein nein, bloß nicht. Aber nenn mich einfach Franz. Du gehörst doch jetzt auch zur Elite, oder nicht?” Bernd rieb sich die Schulter und sah Ina an.
“Was meinst du mit Elite?” Ina sah Franz und Bernd an.
“Hast du den Truppführer noch nicht getroffen?” Bernd war verwundert.
“Komisch er sagte doch, er wolle dich sehen.” Stellte Franz fest.
“Ja, er ging in sein Zimmer zurück, glaube ich.” Bernd überlegte.
“Nein nein, er ist schon wieder im Stall. Ich glaube er hat bloß die Zucker Teile geholt.” Franz überlegte auch.
“Wenn ihr meint. Also falls er mich sehen will, dann wird er mich schon finden.”
Die beiden Soldaten waren erstaunt über Inas Einstellung.
“Was hast du denn jetzt vor?” Fragte Bernd.
“Ich weiß es noch nicht.” Ina war nicht vorbereitet auf diese Frage. Und jetzt sagen, dass sie dem Truppführer eigentlich aus dem Weg ging, war nicht gerade hilfreich.
“Also dann, wir sehen uns beim Essen ja?” Ina lächelte die beiden an und ging.

“Echt jetzt Bernd, ist sie so stark?” Fragte Franz ungläubig.
“Nicht in meiner Erinnerung Franz.” Die beiden schauten der Soldatin stumm hinterher.
 
 

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