(10) Abschied

2.6K 74 5
                                    

Als wir an einer Pizzeria vorbeikommen, sind wir uns schnell einig und bremsen dort ein. Ich bestelle mir eine Pizza mit Parmaschinken, Rucola und Parmesan. Susi isst wie immer eine Funghi.

"Josi, versprich mir, dass du auf dich aufpasst! Du kannst dich jederzeit melden!! Und sprich mit Tom und lass dir helfen. Das kannst du unmöglich alleine schaffen!" "Ich kann das! Ich hab dich und mehr brauche ich nicht! Ich hab Tom die letzten sechs Jahre nicht gehabt und dann brauch ich ihn jetzt auch nicht", schnauze ich ihr trotzig entgegen. "Aber er ist JETZT da und du siehst doch, wie weh es ihm tut, dass du dauernd abhaust. Er vermisst dich genauso wie du ihn insgeheim vermisst. Er will dir helfen und für dich da sein. Er ist dein Bruder verdammt! Sei doch nicht immer so Stur. Manchmal versteh ich dich nicht!", schimpft sie vor sich hin. "Ich mich auch nicht!", antworte ich ihr mit Tränen in den Augen.

Wir stoßen mit einem Radler an und lenken unsere Gespräche auf andere Themen. "Machst du Fotos von den Wohnungen? Dann kann ich dir bei der Entscheidung helfen! Und wir telefonieren jeden Tag! Verstanden?" "Hahaha, ja, ich versuche es! Weist du, ich hab schon ein bisschen Angst, so ganz alleine hier in Köln...", gestehe ich meine Sorgen. "Du wärst nicht alleine, wenn du dir einen Ruck geben würdest!" "Ja.. Vielleicht... Mal schauen!"

Gegen siebzehn Uhr dreißig brechen wir auf, um Susi’s Gepäck aus dem Hotel zu holen und ich fahre sie zum Bahnhof. Ein tränenreicher Abschied erfolgt und ich bin mir in diesem Moment nicht sicher, ob ich es ohne sie schaffe.

Zu Tode betrübt fahre ich zum Hotel zurück. Ich schreibe Tom noch kurz eine Nachricht, dass er nicht sauer sein soll und dass es mir leid tut.
Zum Schluss überwinde ich meine Trotzigkeit und füge hinzu, dass ich ihn lieb habe.

Als ich vor meiner Hoteltüre ankomme, liegt ein Brief davor. Skeptisch hebe ich ihn auf und nehme ihn mit rein. Es steht, außer meinem Namen, nichts weiter auf dem Umschlag. Ich hoffe insgeheim, dass sich meine Vorahnung nicht bewahrheitet.
Nachdem der Umschlag aufgerissen ist und ich die Schrift sehe, weiß ich gleich, das es in die nächste Runde geht:

Ich hoffe deine Rippen Schmerzen nicht zu sehr, aber du kannst doch nicht mit jemand anderem Händchenhaltend durch die Straßen laufen! Josi, das solltest du doch wissen! Ich werde so lange auf dich warten, bis du auch endlich einsiehst, dass wir füreinander bestimmt sind. Egal wie lange es dauert! Ich werde jeden potenziellen Feind oder Störenfried aus dem Weg räumen, also überlege dir, was du tust. Übrigens: Ich finde dich überall, egal wo du hingehst. Ich hoffe auf deine baldige Einsicht!
In liebe
Dein Lukas

Boah, ich kotz gleich! Wie werde ich den wieder los? Wenn er mich jetzt schon fast zu Matsch drückt, nur weil ich mit meiner FREUNDIN händchenhaltend durch die Gegend laufe, will ich mir gar nicht ausmalen, was da noch alles kommen kann.

Es klopft an der Türe, was mich schmerzhaft zusammenzucken lässt.

Nicht schon wieder!

Langsam laufe ich an die Türe und schaue durch den Spion. Niemand. Vorsichtig öffne ich die Tür und spickle durch einen kleinen Spalt. Eine Flasche Sekt steht davor.

Naja, kann nicht schaden und es betäubt vielleicht meine Schmerzen.

Schnell ziehe ich die Flasche durch den Schlitz zu mir rein und schließe sofort wieder die Türe. Nachdem immer wieder mein Handy vibriert und mir nur eine unterdrückte Nummer angezeigt wird, schalte ich es aus.
Als Ablenkung muss jetzt die Glotze herhalten, die mich die ganze Nacht mit irgendeinem Blödsinn berieselt, da ich Angst habe zu schlafen. Wer weiß was passiert.

Morgens um fünf werfe ich einen Blick auf mein Handy. Siebzehn Anrufe in Abwesenheit, unterdrückte Nummer. Susi hat auch eine Nachricht geschrieben, dass sie gut angekommen ist und sie mich jetzt schon vermisst. Ich antworte ihr, dass ich froh bin, dass sie gut angekommen ist und ich sie auch vermisse.

Nachdem ich mich vor der Glotze vollends verblödet habe, gehe ich um sieben Uhr zum Frühstück runter und hau mir meinen Bauch voll.

Die erste Wohnungsbesichtigung ist um viertel nach neun und ich bin jetzt schon nervös! Solange ich warte, spiele ich unnötige Spiele auf meinem Handy und stoppe erst, als eine Nachricht von Tom eintrifft:

Tom: >>Bist du noch in Köln? Wenn ja, können wir uns treffen und reden?<<

Eigentlich will ich das nicht, aber irgendwie brauche ich ihn....

>> Ja, bin noch da. Können wir. Wie hast du Schicht?<<

Tom: >> Ich komme gegen zwanzig Uhr dreißig nach Hause. Du kannst aber auch schon früher kommen, dann sag ich den Jungs bescheid!<<

>> Okay. Mal schauen, weiß noch nicht, wann ich komme. Kann denen auch schreiben, hab ja die Nummern. Bis dann<<

Tom: >>Bis dann<<

Hundemüde und mit leicht verspultem Kopf, mache ich mich auf den Weg zur ersten Wohnung. Nach der Besichtigung bin ich eigentlich recht begeistert, werde dann aber aussortiert, weil ich wohl zu jung bin und der Vermieter denkt, dass ich nur Partys schmeiße oder dauernd Männer hierher bringe. Es sei ja ein anständiges Haus.

Tzzzzz, also umsonst.

Eine Stunde schleppe ich mich in kleinen Shops rum und schlendere durch die Straßen, bis die nächste Besichtigung ansteht.

Hier werden mehrere Personen gleichzeitig durch die Räumlichkeiten geführt und ich merke schon, dass die Tussi, im knappen Rock, die besten Chancen hat, was dann am Ende der Besichtigung auch voll zutrifft.

In der nächsten Wohnung ist alles so dreckig und heruntergekommen, dass sogar die Mäuse hier nicht leben wollen und fluchtartig die Bude verlassen.

In der letzten Option, einer WG, bekomme ich schon Beklemmungen, wenn ich die potentiellen Mitbewohner sehe, da die wie die Satansjünger höchstpersönlich aussehen.

Ich ziehe die Liste aus meiner Hosentasche und streiche alles durch. Nach einem Blick auf die Uhranzeige meines Handydisplays stelle ich fest, dass es halb sechs ist. Um nicht weiterhin irgendwo unnötig meine Zeit totschlagen zu müssen, schreibe ich Alex eine Nachricht:

>>Hi Alex. Wollte mit Tom reden. Ist jemand von euch zuhause? Dann würde ich jetzt schon kommen<<

Währenddessen überkommt mich eine Schmerzwelle nach der anderen und ich weiß, dass ich mich dringend ausruhen muss. Mein Handy macht sich bemerkbar und schnell schaue ich drauf:

Alex: >>Wir sind da. Kannst kommen!<<

Jetzt muss ich nur aufpassen, dass die Herren Doktoren nichts mitbekommen, sonst bin ich am Arsch!

Ich schwinge mich in mein Auto und muss mir Mühe geben, vor Müdigkeit, die Straße nicht aus den Augen zu verlieren. Vor der WG atme ich noch einmal tief durch und dann geht's los.

Einzelkämpfer (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt